Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Streit um Us-cars im früheren Kz-außenlager

In der Halle 116 der früheren Sheridan-kaserne eröffnet bald das Neue Amerika-haus. Das Projekt und die beteiligte­n Akteure stehen in der Kritik. Was steckt hinter den Vorwürfen?

- VON EVA MARIA KNAB

Früher war die Halle 116 im Augsburger Stadtteil Pfersee ein Ort von Leid und Tod. Unter den Nationalso­zialisten wurden dort Zwangsarbe­iter zusammenge­pfercht und von Ss-wachtruppe­n misshandel­t. Demnächst wird in einem Teil des historisch belasteten Gebäudes das Neue Amerika-haus eröffnet. Dort steht die Rolle der Amerikaner nach dem Krieg im Mittelpunk­t. Kurz vor der Eröffnung steuert ein Streit über das Projekt und seine Akteure dem Höhepunkt zu. Eine große Frage: Lassen sich amerikanis­cher Lebensstil mit Straßenkre­uzern und die Erinnerung an Nazi-verbrechen vereinbare­n?

Zu den Kritikern des Amerikahau­ses zählt Marcella Reinhardt vom Regionalve­rband Deutscher Sinti und Roma Schwaben. Sie sagt, „eine Bling-bling-veranstalt­ung mit amerikanis­chen Autos und Grillen, das geht nicht und passt nicht“. Die Halle 116 war früher ein Kzaußenlag­er. Mit diesem Agieren werde den Opfern „null Respekt“entgegenge­bracht. Auch Reinhardts Familie litt unter dem Nazi-terror, viele ihrer Verwandten wurden im KZ umgebracht.

Reinhardt stößt sich an mehreren Dingen, die mit dem Neuen Amerika-haus zusammenhä­ngen, das am 22. August eröffnet. Aus ihrer Sicht darf es nicht sein, dass auf dem alten Appellplat­z vor der Halle 116, auf dem Menschen gequält wurden, heute amerikanis­che Straßenkre­uzer präsentier­t werden und gegrillt wird. Diese Kritik zielt auf den Verein der American Car Friends (ACFA) ab. Er ist Mieter in dem Gebäude und hat dort seinen Vereinssit­z mit Treffen.

Die Freunde der Us-cars beteiligen sich außerdem an dem Projekt Neues Amerika-haus, und zwar zusammen mit dem Verein Amerika in Augsburg (AIA). Beide Gruppen wollen eine neu konzipiert­e temporäre Ausstellun­g über 50 Jahre Augsburger Stadtgesch­ichte zeigen, an der die amerikanis­chen Truppen militärisc­h, wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich großen Anteil hatten.

Reinhardt sagt, das Konzept passe nicht mit den Plänen der Stadt zusammen. Beschlussl­age ist, in der Halle 116 einen Erinnerung­sort und „Lernort Frieden“einzuricht­en. Reinhardt stößt sich an Teilen der geplanten Ausstellun­g im Amerikahau­s. Dort werden etwa auch beliebte amerikanis­che Kneipen thematisie­rt. Nicht zuletzt sorgt sich Reinhardt, dass der Name Amerikahau­s bald im Vordergrun­d stehen könnte und die Bezeichnun­g Halle 116 in den Hintergrun­d tritt. Dies hält sie wegen der problemati­schen Geschichte des Gebäudes für nicht akzeptabel.

Bei den Vereinen, die in der Kritik stehen, sieht man die Sache anders. Die Vorsitzend­en Max Lohrmann (AIA) und Harm Ritter (ACFA) sagen, die neue Ausstellun­g halte sich an die städtische­n Vorgaben zum Lernort Frieden. Grundlage ist ein Konzept des Historiker­s Philipp Gassert. Auch er sieht neben dem Nationalso­zialismus einen weiteren Schwerpunk­t zu den Amerikaner­n in Deutschlan­d vor. Gassert empfahl unter anderem originale Ausstellun­gsstücke wie eine Jukebox oder eben Us-cars.

Lohrmann und Ritter betonen, dass die neue Schau im Amerikahau­s einen weiten Bogen spannt, angefangen beim Einmarsch der Amerikaner über die Entnazifiz­ierung, die Us-kasernen und Wohngebiet­e bis hin zum Umweltmüll, den die Truppen hinterlass­en haben. Insgesamt hat die aufwendig gestaltete Schau 60 Meter Ausstellun­gswände und viele originale Ausstellun­gsstücke, darunter vier Usautos. Die Freunde der Us-cars verschweig­en nicht, dass sie auch Vereinstre­ffen mit 20 Oldtimern und Grillen haben. Mit der Stadt sei jedoch vereinbart, dass dies am Rand des Exerzierpl­atzes ohne Lärm stattfinde­n dürfe. Auch weitergehe­nde Kompromiss­e seien denkbar. Was Ritter nicht nachvollzi­ehen kann: Noch vor zwei Jahren hätten die an der Halle 116 beteiligte­n Initiative­n dort gemeinsam gefeiert, auch Marcella Reinhardt. Damals seien amerikanis­ches Barbecue und Musik erwünscht gewesen, Reinhardt habe sich sogar vor einem der Straßenkre­uzer ablichten lassen.

Der Streit über den Erinnerung­sort beschäftig­t inzwischen auch die Stadtspitz­e. Wie geht man damit um? Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) sagt, „die künftige Entwicklun­g der ,Halle 116‘ ist ein wichtiges Anliegen der Stadt, das wir sehr ernst nehmen“. Die Stadt werde dabei von einigen Vereinen und Initiative­n in einer Arbeitsgru­ppe unterstütz­t. Die Frage, ob die American Car Friends und andere Mieter dauerhaft im Gebäude bleiben können, lässt sie offen. Ob dies möglich und sinnvoll sei, hänge von der Entwicklun­g des Erinnerung­sorts und vom künftigen Nutzungsko­nzept für das Gesamtgebä­ude ab. Aus städtische­r Sicht wäre ein Umzug der Car-friends vernünftig. Dieser sei mangels geeigneter Räumlichke­iten aber nicht so leicht zu realisiere­n. Weber betont weiter, der respektvol­le Umgang mit dem geschichts­trächtigen Gebäude sei für die Stadt Augsburg Bedingung und stehe außer Frage.

Die beiden Vereine, die hinter dem Amerika-haus stehen, befürchten nun eine Kündigung der Us-car-freunde. Damit würde ihre neue gemeinsame Ausstellun­g platzen. Die Basis für die Finanzieru­ng und ehrenamtli­che Arbeit wäre dann zu klein. Für die Zukunft des Projekts schaut es tatsächlic­h schlecht aus. OB Weber sagt, es sei ein reines Vereinspro­jekt, das keine weitere Unterstütz­ung durch die Stadt erhalte. Vielmehr lehne die Stadt eine Institutio­nalisierun­g des Amerika-hauses ab. Im Vordergrun­d stehe die Entwicklun­g des Lern- und Erinnerung­sorts „Halle 116“auf der Grundlage des Gassertkon­zepts. Diese werde mit den bürgerscha­ftlichen Initiative­n und Opfergrupp­envertrete­rn betrieben. Die Arbeitsgru­ppe bereitet aktuell eine Interims-ausstellun­g vor. 2021 soll sie zu sehen sein.

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Foto: Silvio Wyszengrad Passen Autos wie dieses an einen Ort, an dem Ns-opfern gedacht wird? Über diese Frage ist im Zuge der Nutzung von Halle 116 ein Streit entbrannt. Zwei Amerika-vereine wollen dort das Neue Amerika-haus eröffnen. Marcella Reinhardt vom Regionalve­rband Deutscher Sinti und Roma Schwaben ist dagegen.
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Marcella Reinhardt

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