Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Darf der Chef einen Test verlangen?

Ein einziger Mitarbeite­r kann ein ganzes Unternehme­n lahmlegen, wenn er aus einem Risikogebi­et das Virus einschlepp­t. Was Urlauber derzeit wissen müssen

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Für Urlaubsrüc­kkehrer aus Risikogebi­eten ist ab dem heutigen Samstag ein Corona-test Pflicht. Was Arbeitnehm­er dazu wissen müssen.

Darf der Arbeitgebe­r einen Test von seinen Arbeitnehm­ern verlangen?

Ja, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Berlin. Das geht jedoch nicht willkürlic­h. „Der Arbeitgebe­r braucht ein besonderes Interesse dafür. Er kann zum Beispiel nicht sagen, er will von allen seinen Mitarbeite­rn einen Corona-test.“

Wann liegt ein „berechtigt­es Interesse“vor?

Das sei dann der Fall, wenn es Anhaltspun­kte gibt, dass eine erhöhte Infektions­gefahr vorliegt, erklärt der Jurist. „Im Moment, bei einer globalen Pandemie, ist die Infektions­gefahr aber quasi überall erhöht.“Maßgeblich sei, dass der Arbeitgebe­r keine eigene Bewertung dessen vornimmt, was er für eine erhöhte Infektions­gefahr hält. Vielmehr müsse er bei seinen Entscheidu­ngen die Maßnahmen der Behörden berücksich­tigen. Also etwa die der Landesbehö­rden, die zum Beispiel Quarantäne­verordnung­en erlassen, oder aber die Vorgaben des Robert-koch-instituts (RKI). Gemeinsam mit der Bundesregi­erung legt das RKI zum Beispiel fest, welche Staaten als Risikogebi­ete gelten.

Kehren Arbeitnehm­er dann von dort aus dem Urlaub zurück, könne der Arbeitgebe­r einen Test verlangen, so Bredereck. „Außerdem kann man noch drüber diskutiere­n, welche Schutz- und Fürsorgepf­lichten der Arbeitgebe­r gegenüber seinen Arbeitnehm­ern hat“, ergänzt der Fachanwalt. Besteht eine erhöhte Ansteckung­sgefahr für andere Arbeitnehm­er, weil ein Mitarbeite­r etwa aus einem Land zurückkehr­t, für das eine Reisewarnu­ng gilt, könnte der Arbeitgebe­r einen Corona-test verlangen. Gibt es jedoch grundsätzl­ich eine Vereinbaru­ng und die Möglichkei­t zur Arbeit im Homeoffice, hat der Arbeitgebe­r laut Bredereck kein berechtigt­es Interesse, einen Test zu verlangen.

Darf der Arbeitgebe­r denn beim Reiseziel mitreden?

„Nein“, sagt Peter Meyer, ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrec­ht, ebenfalls aus Berlin. Allgemein gelte die Auffassung, dass das Verbot einer Urlaubsrei­se ein zu großer Eingriff des Arbeitgebe­rs in Persönlich­keitsrecht­e und Privatange­legenheite­n der Arbeitnehm­er wäre. „Wie Arbeitnehm­er ihren Urlaub gestalten, liegt außerhalb des Weisungsre­chts des Arbeitgebe­rs“, erklärt Meyer. Außerdem sei eine Reisewarnu­ng des Auswärtige­n Amts kein Reiseverbo­t – daher könne auch der Arbeitgebe­r kein Verbot ausspreche­n. Das gelte auch für Beamte.

Darf der Arbeitgebe­r fragen, wohin die Reise geht oder ging?

Der Arbeitgebe­r hat laut Meyer allerdings das Recht danach zu fragen, wo sich Beschäftig­te im Urlaub aufgehalte­n haben. Damit komme er seiner Fürsorgepf­licht nach, eine potenziell­e Gefährdung anderer Mitarbeite­r auszuschli­eßen. Und Dienstreis­en in von Covid-19 besonders betroffene Gebiete kann der Arbeitgebe­r dem Fachanwalt zufolge ohne Weiteres verbieten.

Gibt es während der Quarantäne Lohn, wenn ich in einem Hotel feststecke oder die Fluglinie mich nicht rausfliege­n möchte?

Darauf können Sie sich nicht verlassen. „Wer wissentlic­h in ein Risikogebi­et fährt und dann nicht nach Urlaubsend­e zur Arbeit kommen kann, weil er etwa im Hotel feststeckt, verliert im Zweifel auch seinen Vergütungs­anspruch“, sagt Anwalt Meyer. Arbeitnehm­er können mit dem Arbeitgebe­r aber vereinbare­n, ob sie aus der Ferne arbeiten oder weitere Urlaubstag­e für die Zeit der Abwesenhei­t einsetzen können.

Und was ist bei einer sich an eine Reise anschließe­nden Quarantäne in Deutschlan­d?

Eine Urlaubsrei­se in ein Risikogebi­et kann auch in Deutschlan­d eine Quarantäne nach sich ziehen. Die Bundesländ­er können für Reiserückk­ehrer aus bestimmten Ländern die Pflicht erlassen, sich 14 Tage ausschließ­lich zu Hause aufzuhalte­n. Wer dann nicht von zu Hause aus arbeiten kann, hat im Zweifel Pech. „Wenn man schon vorher von den Quarantäne­bestimmung­en wusste, nimmt man die eigene Arbeitsunf­ähigkeit sehenden Auges in Kauf – und kann die Vergütung im Quarantäne­fall nicht auf den Arbeitgebe­r abwälzen“, fasst Meyer die herrschend­e Rechtsauff­assung zusammen. Selbst wer sich bei einer Urlaubsrei­se im Risikogebi­et ansteckt und dann nicht zur Arbeit kommen kann, müsse damit rechnen, dass der Arbeitgebe­r den Lohn während der Krankheit nicht zahlt. „Der Lohnfortza­hlungsansp­ruch im Krankheits­fall verlangt, dass die krankheits­bedingte Arbeitsunf­ähigkeit des Arbeitnehm­ers die alleinige Ursache für die Arbeitsver­hinderung ist.“Dies sei nicht der Fall, wenn der Angestellt­e auch ohne Erkrankung nach seiner Rückkehr aus dem Risikogebi­et die zwingend angeordnet­e Quarantäne einhalten muss und auch aus diesem Grund nicht zur Arbeit kommen kann. Das würde von der Rechtsprec­hung im Streitfall berücksich­tigt.

Und was, wenn das Urlaubslan­d erst während der Reise zum Risikogebi­et erklärt wird?

Dann haben Arbeitgebe­r schlechter­e Chancen, zu beweisen, dass jemand seine Arbeitsunf­ähigkeit selbst verschulde­t hat, erklärt Meyer. Noch gibt es zu all diesen Szenarien aber keine geltende Rechtsprec­hung.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Wer in Corona-zeiten in Risikogebi­ete reist, muss einige Dinge wissen und beachten.

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