Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wildparker
Seit die Corona-pandemie unser Reden, unser Rangehen und unseren Radius bestimmt, stehen nicht nur vormals harmlose Gesten wie das Händeschütteln oder der Fahrkartenkauf vorne beim Busfahrer unter Verdacht. Auch unauffällige Erscheinungen wie der Reiserückkehrer oder der Tagesausflügler erregen nunmehr Argwohn und Missfallen. Der eine, weil er irgendwas einschleppen könnte, das noch ansteckender ist als Leichtsinn. Der andere, weil er Fremdenverkehrsorte, die ihn ja immer heftig betört und umworben haben, nun tatsächlich aufsucht und überstrapaziert, statt sie umsichtig zu meiden. Abstand halten – schön und gut. Abstand nehmen vom Anstürmen – noch besser.
Es geht ziemlich wild zu an den inzwischen „Hotspots“genannten touristischen Superorten. Viel Andrang, zu wenig Platz. Vor allem: zu wenig Parkplatz. Deshalb ist der Wildparker – ob nun in und um Kochel, Garmisch, Fünfseenland oder Oberstdorf und Füssen – der Sommerdesperado schlechthin. Der Wildparker stellt sein Auto nicht nur verbotswidrig ab. Das tun auch ordinäre Falschparker. Der Wildparker aber steht da, wo für den ins Grüne ausfahrenden Städter vermeintlich freie Bahn ohne Markierung beginnt – auf Wiesen, Äckern, Weiden, im Wald, auf nicht asphaltierten Grundstückszufahrten – vogelwild in der wildromantischen Pampa halt.
Wo er dann auch noch Zeltheringe in die Erde treibt, Gaskocher und Klappstühle aufstellt, wird der Wildparker zum Wildcamper. Domestizierte Widerrechtlichkeit – ist es erst einmal so weit gekommen, sehen wir den dritten bösen Buben im Bunde auch schon hinterm Baum hervortreten: den Wildbiesler. Während die Bayern dem klassischen Wilderer durchaus heimliche Sympathien entgegenbringen („halb so wild“), darf die Rotte der Wildparker darauf kaum hoffen.