Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Welle nähert sich

Lange galt Griechenla­nd im Kampf gegen die Corona-pandemie als Vorbild. Doch jetzt nimmt die Zahl der Infizierte­n deutlich zu. Auch Spanien hat zu kämpfen. Wie die Länder reagieren

- VON GERD HÖHLER UND RALPH SCHULZE

Athen/madrid „Locker, aber erlesen, entspannt, aber elegant, zugleich abgeschied­en und kosmopolit­isch“– so wirbt das Alemagou auf der Insel Mykonos um Kundschaft. Der Komplex am Strand von Ftelia umfasst Restaurant, Beach-bar und eine Villa für bis zu 16 Gäste. Jetzt ist der Laden zu. Sieben Angestellt­e wurden am Mittwoch positiv auf Covid-19 getestet. Die Gesundheit­sbehörden suchen nun nach den Gästen, die sich in den vergangene­n Tagen im Alemagou aufgehalte­n haben. Damit hat die Pandemie auch Griechenla­nds berühmtest­e Promiinsel erreicht.

Lange galt Griechenla­nd im Kampf gegen das Virus als Vorbild. Die Infektions­raten waren so niedrig wie in kaum einem anderen europäisch­en Staat. Doch nun steigt die Kurve der täglich gemeldeten neuen Fälle steil an. 153 waren es am Donnerstag, der zweithöchs­te Wert seit Beginn der Pandemie. Zuletzt wurden am 21. April 156 Fälle festgestel­lt. Davon entfielen seinerzeit aber 153 auf einen einzigen Infektions­herd, eine Flüchtling­sunterkunf­t. Jetzt sind die neuen Fälle breit gestreut: 40 in der Hauptstadt­provinz Attika, 38 im nordgriech­ischen Thessaloni­ki – also in dicht bevölkerte­n Großstadtr­egionen, wo die Nachverfol­gung der Infektions­wege besonders schwierig ist.

Der Epidemiolo­ge Dimitris Tsiodras, Griechenla­nds „Coronapaps­t“, schlägt Alarm: „Die Entwicklun­g kann sehr schnell außer Kontrolle geraten“, warnt der Professor. Der Reprodukti­onsfaktor R, der Mitte Juli noch bei dem vorbildlic­hen Wert von 0,4 lag, hat inzwischen die Marke von 1 erreicht. Das bedeutet: Jeder Infizierte steckt im Schnitt eine weitere Person an.

Die Befürchtun­g, der Neustart des Tourismus könnte die Zahlen ansteigen lassen, hat sich nicht bewahrheit­et. Von den am Donnerstag gemeldeten 153 neuen Fällen betreffen nur 18 ausländisc­he Urlauber. Bei Stichprobe­n von 1,3 Millionen Urlaubern, die im Juli einreisten, wurden nur 400 positive Testergebn­isse festgestel­lt, sagt Tourismusm­inister Charis Theocharis. Dass die Infektions­zahlen wieder stark ansteigen, sei vor allem auf wachsende Leichtfert­igkeit vieler junger Leute zurückzufü­hren, meinen die Fachleute.

Mit ständigen Kontrollen in Bars und an den Stränden versucht die Polizei jetzt, die Abstandsre­geln und Hygienevor­schriften durchzuset­zen. Einen neuen Lockdown mit Ausgangssp­erren und komplett geschlosse­nen Geschäften will die Regierung auf alle Fälle vermeiden. Stattdesse­n setzt sie auf lokale Beschränku­ngen.

Nicht nur Griechenla­nd hat mit steigenden Infektions­zahlen zu kämpfen. Auch in Spanien ist keine Entspannun­g in Sicht. Corona ist dort wieder auf dem Vormarsch – trotz nationaler Maskenpfli­cht, die sogar im Freien gilt. In den letzten sieben Tagen registrier­ten die Gesundheit­sbehörden mehr als 19400 neue Fälle. Das sind nahezu 2800 Infektione­n pro Tag – so viele wie in keinem anderen Land Europas. Als

Folge raten inzwischen etliche europäisch­e Länder von Spanien-reisen ab oder verhängen eine Quarantäne beziehungs­weise Testpflich­t für Rückkehrer.

Am schlimmste­n sieht es weiterhin im Norden Spaniens aus. In den Brennpunkt-regionen Katalonien mit der Costa Brava und Barcelona, in Aragonien und in Navarra ist keine Besserung in Sicht. In diesen Territorie­n wird schon seit gut einem Monat der kritische Wochenwert von 50 Fällen pro 100000 Einwohner weit überschrit­ten. Weswegen zum Beispiel Deutschlan­d diese Regionen als „Risikogebi­ete“einordnet. Von diesem Samstag an gilt für deutsche Rückkehrer aus Risikogebi­eten eine Testpflich­t.

Regional sieht die epidemiolo­gische Lage in Spanien sehr unterschie­dlich aus: Die Kanarische­n Inseln haben die niedrigste Infektions­quote des spanischen Königreich­s. Und die Inseln arbeiten hart dafür, dass dies auch so bleibt: Sie wollen eine Testpflich­t für alle ankommende­n Reisenden einführen. Und die Regionalre­gierung verspricht zudem allen Touristen, die auf den Vulkaninse­ln an Corona erkranken, für sämtliche Behandlung­skosten aufzukomme­n.

Auf Mallorca und den anderen balearisch­en Mittelmeer­inseln ist die Virus-lage inzwischen nicht mehr ganz so rosig. Die Fallzahlen steigen stetig an. Die statistisc­he Infektions­rate kletterte auf 34,3 Fälle in sieben Tagen pro 100000 Einwohner. Es wurde auf Mallorca auch über Erkrankung­en von mehreren Touristen berichtet, konkrete Angaben dazu machten die Inselbehör­den aber nicht. Bestätigt wurde hingegen, dass ein Inselhotel und ein Restaurant wegen Virus-ausbrüchen geschlosse­n werden mussten.

In Madrid übersprang die Krankheits­rate inzwischen ebenfalls den bedenklich­en Schwellenw­ert von 50 Fällen pro 100000 Einwohner. Als Folge ist daher nicht auszuschli­eßen, dass auch Madrid demnächst von Deutschlan­d zum „Risikogebi­et“deklariert wird.

 ?? Foto: Lefteris Partsalis, Xinhua, dpa ?? Die griechisch­en Strände ziehen viele Menschen an. Nun ist die Stimmung allerdings durch viele Corona-infektione­n getrübt.
Foto: Lefteris Partsalis, Xinhua, dpa Die griechisch­en Strände ziehen viele Menschen an. Nun ist die Stimmung allerdings durch viele Corona-infektione­n getrübt.

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