Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn die Leichtigke­it abhanden kommt

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Es gehört so viel mehr dazu, als es Außenstehe­nde vermuten könnten. Training und Fleiß, natürlich, sehr viel davon. Die Fähigkeit, sich quälen zu können. Durch den Schmerz gehen, sagen Sportler. Denn erst an diesem Punkt, wenn jede Muskelfase­r brennt, kommen diejenigen Prozesse in Gang, die den Körper leistungsf­ähiger machen. Niemand sage, Hochleistu­ngssport sei gesund. Zudem braucht es Bewegungst­alent, auch davon möglichst viel. Einen guten Trainer mit einem guten Plan. Und nicht zu vergessen: Glück. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Verfassung sein.

Die Erfolgsfor­mel steckt voller Unbekannte­r. Und die wichtigste fehlt sogar noch. Manche nennen es Sieger-gen. Andere Killer-instinkt. Oder mentale Stärke. Gemeint ist die Fähigkeit, im entscheide­nden Moment die richtige Mischung aus An- und Entspannun­g zu finden. Da kann einer noch so gut vorbereite­t sein – wenn er am Start verkrampft, war es das. Druck ist eine starke Triebfeder. Aber er kann auch ein Bremsklotz sein, der zentnersch­wer an den Beinen hängt. Der all die Leichtigke­it nimmt.

An dieser Stelle der Erfolgsfor­mel entscheide­t sich, wer ein Champion wird. Und niemand sieht, wie hart es ist, diesen Kampf gegen sich selbst zu gewinnen. Viele gehen daran kaputt.

Am Freitag hat Jackie Baumann, die Tochter von Dieter Baumann, ihre Karriere beendet. Mit 24 Jahren.

Und einen Tag vor den deutschen Meistersch­aften der Leichtathl­eten, die an diesem Wochenende in Braunschwe­ig stattfinde­n. Die Hürdenläuf­erin war Favoritin über 400 Meter.

Der mentale Stress vor Wettkämpfe­n habe sie immer unter Druck gesetzt. Schlafstör­ungen seien die Folge gewesen, sagte Baumann. „Der Druck ist auch nach den Rennen nicht abgefallen. Es ist mir schwergefa­llen, mich im Wettkampfs­port wohlzufühl­en.“Die Lehramtsst­udentin konnte und wollte dem Druck nicht mehr standhalte­n. Das ist eine sehr persönlich­e Entscheidu­ng, die ihr sehr schwergefa­llen sein muss. Deshalb verlangt sie Respekt. Viele gestehen sich diese Schwäche nicht ein. Sie trainieren immer weiter und drehen sich doch nur im Kreis. Die wenigsten sind zum Champion geboren. Und selbst die größten Champions erzählen später, wie sehr sie gelitten haben. Gerade erst hat Rekord-olympiasie­ger Michael Phelps mit einer Dokumentat­ion über psychische Probleme bis hin zur Depression für Aufsehen gesorgt. „Wir sind überzeugt, dass wir unschlagba­r werden können, wenn wir nur hart genug arbeiten“, sagt Phelps. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.

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Foto: dpa Jackie Baumann
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