Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die große Show

Mit ihren Choreograf­ien sind organisier­te Fans längst Teil des Erlebnisse­s Bundesliga geworden. Ein Wissenscha­ftler erklärt, warum das auch Spannungen bergen kann

- VON FLORIAN EISELE

Es war ein beeindruck­endes Bild, das die Fans des FC Augsburg beim ersten Heimspiel der vergangene­n Saison gegen Union Berlin präsentier­ten: Die komplette Stehplatzt­ribüne wurde von einer Blockfahne umfasst. Hinter dem Banner erschien der Namenspatr­on der Stadt Augsburg, Kaiser Augustus, im Vordergrun­d ein Spruch, der an die Gladiatore­nspiele angelehnt war: „Lasset die Spiele beginnen.“

Wie viel Arbeit hinter dieser Choreograf­ie steckte, lässt sich nur erahnen. Einen Einblick in die Arbeit der organisier­ten Fanszene gab nun eine Veranstalt­ung, die Teil des Friedensfe­stprogramm­s der Stadt Augsburg war. Das Fanprojekt des Stadtjugen­drings lud dazu zwei Vertreter der aktiven Fanszene, den Sozialwiss­enschaftle­r Vinzenz Thalheim der Universitä­t Kassel sowie vom FC Augsburg Fanbetreue­r Markus Wiesmeier und den Sicherheit­sbeauftrag­ten Edgar Schweining­er ein. In Zeiten der Corona-pandemie war die Vortrags- und Dis

ausschließ­lich Live-stream zu sehen.

Wie vieles im Wertekanon der Ultras, den treuesten der Fans, folgt auch eine Choreograf­ie starren Regeln. Dazu gehört, dass die Finanzieru­ng immer aus der eigenen Tasche stammen muss – und dass auch das am aufwendigs­ten bemalte Banner genau ein Mal verwendet werden soll. Jede Choreograf­ie, die über Monate hinweg am Computer entwickelt, in unzähligen Stunden umgesetzt und im Stadion per Generalpro­be getestet wurde, wird nach ihrer Benutzung weggeworfe­n. Michi, einer der FCA-FANS, formuliert­e das so: „Es ist ein trauriges Ende für eine tolle Sache.“

Das vorrangige Ziel der Ultras ist es, mit den Aktionen die eigene Mannschaft zu unterstütz­en – nach Ansicht von Vinzenz Thalheim verändert sich damit aber auch die Rolle der aktiven Fanszene. „Die Ultras haben die Stadionver­anstaltung verändert: Die Leute gehen auch ins Stadion, um diese Show zu sehen.“

Letztlich findet innerhalb des Fußballspi­els eine zweite Veranstal

als tung statt. Aus Zuschauern werden damit auch Handelnde, Mitgestalt­er – ein Umstand, den Thalheim als „Hausherren-dilemma“bezeichnet. Der Begriff des Hausherren sei dabei natürlich nicht im eigentlich­en, juristisch­en Sinn zu sehen, sondern als Metapher.

Im Idealfall können sich beide „Hausherren“mit ihren Aktionen ergänzen: Die Fans zeigen eine starke Choreograf­ie, der FCA gewinnt das Spiel vielleicht auch wegen der daraus resultiere­nden Extra-motivation. Schwierig könne es dann werden, wenn der Verein eine Choreograf­ie nicht erlaube oder die Fans sich nicht ausreichen­d geschätzt fühlen, so Thalheim.

Dass es eine Konkurrenz zwischen organisier­ter Fanszene und dem FC Augsburg gebe – dem widersprac­hen an diesem Abend sowohl die Fan-vertreter als auch die des FCA. Markus Wiesmeier, der Fanbeauftr­agte, sagte: „Wir haben ein Vertrauens­verhältnis und wissen: Auf unsere Ultras können wir uns verlassen.“Dennoch gebe die Fanszene im Kampf gegen Rassiskuss­ionsrunde mus und Rechtsradi­kalismus den Ton an. Dass diese Tendenzen in Augsburg keine Chance haben, sei auch das Verdienst der Ultras.

Ein Dauerthema zwischen Fanszene und Vereinen ist hingegen der Einsatz von Pyrotechni­k: Für die Ultras ist es Teil ihres Selbstvers­tändnisses, für den Verein bedeutet jeder Böller eine Strafzahlu­ng. In Augsburg verzichtet die Fanszene darauf, Feuerwerks­körper im Stadion zu zünden – wenn es im Augsburger Block qualmt, dann bei Auswärtssp­ielen. Dass, wie beim Hamburger SV geschehen, der Einsatz von Pyrotechni­k in speziell dafür vorgesehen­en Bereichen innerhalb des Stadions erlaubt ist, können sich einige aus der Augsburger Fanszene vorstellen und plädieren dafür, Erfahrungs­werte zu sammeln. Edgar Schweining­er, der Sicherheit­sbeauftrag­te des FCA, sieht das kritischer: „Wir wissen, dass in vielen Stadien in Deutschlan­d Behörden diese Erlaubnis nicht geben würden, weil die baulichen Voraussetz­ungen dafür gar nicht gegeben sind.“Die Folge sei eine uneinheitl­iche Lage.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ein Bild, das es zumindest zu Beginn der neuen Saison nicht geben wird: Beim ersten Heimspiel der vergangene­n Saison gegen Union Berlin präsentier­ten Fans des FC Augsburg eine beeindruck­ende Blockfahne, die Kaiser Augustus zeigt.
Foto: Ulrich Wagner Ein Bild, das es zumindest zu Beginn der neuen Saison nicht geben wird: Beim ersten Heimspiel der vergangene­n Saison gegen Union Berlin präsentier­ten Fans des FC Augsburg eine beeindruck­ende Blockfahne, die Kaiser Augustus zeigt.

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