Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Leben als Witwe, dreifache Mutter und Wirtin

Milena Milosevic verlor im vergangene­n Herbst plötzlich ihren Mann Mirko, einen bekannten Augsburger Gastronome­n. Und dann kam auch noch Corona. Wie es der 39-Jährigen heute geht

- VON ANDREA BAUMANN

Der Biergarten des Gasthofs zum Bärenkelle­r ist an schönen Sommeraben­den ein Anziehungs­punkt nicht nur für hungrige und durstige Gäste aus der Umgebung. Milena Milosevic legt in diesen Stunden etliche Kilometer in dem weitläufig­en und dadurch coronagere­chten Areal zurück, nimmt Bestellung­en auf, serviert Bier und Wein und prall gefüllte Teller mit Spezialitä­ten aus der Balkanküch­e – immer mit einem „Bitteschön“und einem freundlich­en Lächeln auf den Lippen.

Auch wenn sie es sich nicht anmerken lässt, ist der 39-Jährigen nicht immer nach Lachen zumute. Im vergangene­n Oktober verlor Milena Milosevic ihren Mann Mirko. Ein Herzinfark­t riss den seit vielen Jahren in Augsburg beliebten Wirt mitten aus dem Leben. Für seine 30 Jahre jüngere Frau war das ein riesiger Schock, denn nicht nur sie verlor ihren geliebten Partner, sondern auch die drei Kinder mit sechs und elf Jahren ihren Vater. Im Gasthof zum Bärenkelle­r, den Mirko Milosevic nach Stationen in Oberhausen und Göggingen seit 2014 betrieb, fehlte von einem Tag auf den anderen die Seele, der Mittelpunk­t. Der jungen Witwe kommen heute noch die Tränen, wenn sie an die schwere Zeit, die Trauerfeie­r in der serbisch-orthodoxen Kirche in Augsburg und die Bestattung in ihrer Heimatstad­t Belgrad denkt. Sie betrachtet ihren Unterarm, den fünf kleine Schwalben zieren. Jeder Vogel steht für eines der Kinder, für sie und für ihren Mann. „Ich habe mir das Tattoo erst wenige Tage vor Mirkos Tod stechen lassen“, sagt sie. Zu einem Zeitpunkt, als niemand ahnen konnte, dass die fünfte Schwalbe bald ins Jenseits fliegt.

Milena Milosevic gibt zu, dass sie im Herbst daran dachte, das Lokal zuzusperre­n. Doch dann machte sie nach ein paar Wochen Pause weiter – mit Unterstütz­ung ihrer Angehörige­n. „Familie ist Familie“, sagt die 39-Jährige und blickt dankbar zu ihrem Schwager Zoran, der ihr bei vielen organisato­rischen Dingen zur Seite steht, und ihren Bruder, der kellnert.

Dass sie selbst im Gasthaus die Fäden zusammenha­lten kann, verdankt sie ihrer Mutter. Sie zog ebenfalls nach Augsburg, um ihrer Tochter bei der Betreuung der sechsjähZw­illinge und der elfjährige­n Tochter zur Seite zu stehen. Zur Familie zählt auch noch das quirlige Malteserhü­ndchen Kiki, das die Wirtin ihren Kindern nach dem Tod des Vaters schenkte – und das längst ihr Herz erobert hat.

Gerade als sich das neue Leben der serbisch-deutschen Familie einzuspiel­en schien, kam der nächste Schlag: die Corona-pandemie mit dem wochenlang­en Verbot, Gäste im Lokal zu bewirten. Die Versuche, mit Abhol- und Lieferserv­ice die Einnahmeau­sfälle auszugleic­hen, waren nicht sehr erfolgreic­h. „Die Leute wollen zu uns kommen und hier sitzen“, sagt Milena Milosevic. Und wieder stand sie vor der Frage, ob es sich weiterzuma­chen lohnt.

Heute ist die Wirtin froh, sich dafür entschiede­n zu haben. Die Gäste kamen wieder im Mai und halten dem Gasthof weiterhin die Treue. „Dafür möchte ich ihnen von Herzen danken.“Sorgen macht sich die Familie allerdings, wenn die Biergarten­saison endet und die Coronaabst­andsregeln weiterhin gelten sollten – seither haben innen nur noch 50 statt 70 Gäste Platz. Milena Milosevic ist schon heute bange, insbesonde­re an den stark frequentie­rten Wochenende­n Menschen nach Hause schicken zu müssen. Wirtschaft­lich betreiben lasse sich das Lokal mit so wenigen Plätzen ohnehin nicht. „Im Eisernen Kreuz in Göggingen hatten wir doppelt so viele Plätze, auch das Nebenzimme­r für Gesellscha­ften fehlt uns hier leider “, ergänzt Schwager Zoran Milosevic.

Vor dem Herbst steht erst mal eine kleine Pause zum Ausspannen an. Ab dem 17. August macht der Gasthof zum Bärenkelle­r elf Tage Betriebsur­laub. Die Familie fährt nach Belgrad, auch um das Grab von Mirko Milosevic zu besuchen. Anschließe­nd geht es noch ans Meer – den Kindern zuliebe. „Sie sollen auch ein bisschen Freude nach dierigen ser schweren Zeit haben“, sagt Milena Milosevic. Wieder zu Hause in Augsburg muss die 39-Jährige nicht nur ihr Lokal wieder zum Laufen bringen, sondern auch allerlei Vorbereitu­ngen für den Schulbegin­n treffen: Ihre Tochter kommt in die fünfte, ihre Zwillinge in die erste Klasse. Die Witwe weiß, dass die Einschulun­g für ihren Mann Mirko ein bedeutende­r Tag gewesen wäre. „Er war so ein guter Vater.“

 ?? Foto: Dieter Mitulla ?? Milena Milosevic hat nur selten Zeit, sich in ihrem Biergarten im Stadtteil Bärenkelle­r hinzusetze­n. In ihrer Hand hält sie ein Bild von ihrem Mann Mirko. Von ihm sind ihr außer Fotos noch viele Erinnerung­en geblieben und drei Kinder, um die sie sich neben ihrer Arbeit im Lokal kümmert. Jetzt hofft sie, dass der Betrieb trotz der Corona-krise überlebt.
Foto: Dieter Mitulla Milena Milosevic hat nur selten Zeit, sich in ihrem Biergarten im Stadtteil Bärenkelle­r hinzusetze­n. In ihrer Hand hält sie ein Bild von ihrem Mann Mirko. Von ihm sind ihr außer Fotos noch viele Erinnerung­en geblieben und drei Kinder, um die sie sich neben ihrer Arbeit im Lokal kümmert. Jetzt hofft sie, dass der Betrieb trotz der Corona-krise überlebt.
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Archivfoto: Annette Zoepf So kannten die Augsburger den Wirt Mirko Milosevic. Das Bild entstand wenige Monate vor seinem plötzliche­n Tod.

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