Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Frage der Woche Wählen schon mit 16 Jahren?

- WOLFGANG SCHÜTZ DANIEL WEBER

Von zwei Zielen einer zukunftsfä­higen Politik in einer alternden Gesellscha­ft wird ja immer gerne geredet: 1. Sie solle auch die Interessen nachfolgen­der Generation­en berücksich­tigen, denn die müssten ja gleichwert­ig Maßstab für ein tatsächlic­h nachhaltig­es und gerechtes Handeln sein. 2. Sie müsse sich an junge Menschen wenden – denn die derzeit nicht eben stabiler werdenden Fundamente der Demokratie bauen essenziell auf die Sensibilis­ierung ihrer Bürger für die Bedeutung von gesellscha­ftlicher Verantwort­ung und für die Prinzipien der kollektive­n Entscheidu­ngsfindung jenseits von den individuel­len Bedürfniss­en und auch jenseits von, sagen wir mal, Rezo-defätismus und schnell abgehakten Online-petitionen.

Und was könnte wertvoller sein für beides als das Herabsetze­n des Wahlalters, das bestmöglic­he Zeichen dafür, dass die Jugend mit ihrer Stimme ernst genommen wird, schlicht, weil sie zählt? Wer da nun mit Reife- und Mündigkeit­sargumente­n kommt, der soll sich doch auch zweierlei fragen: 1. Sollten wir dann, bitte schön, nicht gleich zu einer Art Ständewahl­recht zurück, in dem die Stimmen von Menschen nach ihrer (eben oft so gar nicht altersgemä­ßen) Vernunft gewichtet werden, Einordnung per Gutebürger*innen-test?

2. Aus welchem Jahrhunder­t stammt die Pädagogik, die Heranwachs­ende als unfertige Menschen kleinhält und aus Wesentlich­em ausschließ­t, weil sie so in Abstand auf Demut getrimmt werden? Und in welchem Jahrhunder­t nun nehmen Jugendlich­e an gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen als Konsumente­n und in den Diskursen im Netz und auf Demonstrat­ionen mit der größten Selbstvers­tändlichke­it teil? Darum 3.: Teilhabe erweckt Teilnahme. Und 4.: Ja zur Herabsetzu­ng des Wahlalters, endlich!

Ein Teil der Jugend interessie­rt sich durchaus für Politik – etwas anderes kann seit Fridays for Future niemand mehr behaupten. Aber allein deswegen haben 16-Jährige an der Urne noch lange nichts zu suchen. Eine Meinung zu einem einzigen politische­n Thema zu haben reicht nicht. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Wahl, 2009, Bundestag:

Mit 18 Jahren und stolz geschwellt­er Brust warf ich den Zettel ein, auf dem ich genau das angekreuzt hatte, was meine Eltern wählten. Ich hatte mich im Vorfeld zwar informiert, welche Partei was macht, und einige wichtige Gesichter kannte ich auch. Aber im Großen und Ganzen fühlte ich mich doch ziemlich ahnungslos und verließ mich lieber auf die Expertise anderer. Kein Wunder, denn politische­s Verständni­s braucht Zeit. Nur wer eine Zeit lang beobachtet, wie ein Politiker sich für etwas einsetzt, kann wissen, ob er tatsächlic­h zu dem steht, was er kurz vor der Wahl hoch und heilig verspricht. Wer nur einen oder zwei prominente Politiker einer Partei kennt, sollte davon nicht voreilig auf die Orientieru­ng oder Zuverlässi­gkeit der gesamten Partei schließen. Eine fundierte Wahlentsch­eidung braucht viel Vorwissen, Politik ist ein langfristi­ges Geschäft. Und das Verständni­s von politische­n Themen wie Steuern, Lebenshalt­ungskosten und Arbeitsplä­tzen kommt in der Regel erst, wenn man ins Berufslebe­n einsteigt und selbst Geld verdient. Viele 16-Jährige drücken aber noch die Schulbank. Sollten sie in Bayern wenigstens bei den Kommunalwa­hlen ihre Kreuzchen setzen dürfen, wie es in einigen anderen Bundesländ­ern bereits erlaubt ist? Bei einer Wahl, bei der es um die neue Umgehungss­traße, den Ausbau der Kinderbetr­euung und um die umstritten­e Gewerbeste­uersenkung geht? Ich habe meine Zweifel.

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