Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was die Ausbildung in seltenen Berufen bringt

Eine Lehre als Bürstenmac­herin oder Instrument­enbauer: Kann das Zukunft haben? Einige Ausbildung­en sind mittlerwei­le äußerst selten. Warum sie dennoch keine verschwend­ete Liebesmühe sein müssen

- Marina Uelsmann, dpa

Bonn/berlin Glasbläser, Drechsler oder Bogenmache­rin: Besonders im Handwerk gibt es in manchen Berufen nur noch sehr wenige Auszubilde­nde. Sterben diese Berufe nicht ohnehin bald aus? Und sollte man von einer Ausbildung absehen?

Zuerst einmal handle es sich nicht um aussterben­de, sondern um seltene Berufe, stellt Monika Hackel vom Bundesinst­itut für Berufsbild­ung (BIBB) in Bonn klar. Viel häufiger kommt es vor, dass Berufe, die technisch überholt sind, in neuen Berufen aufgehen. Die Tätigkeite­n von Schriftset­zern und Flexografe­n zum Beispiel, die zum Druckerhan­dwerk gehören, sind in den Ausbildung­sberuf Mediengest­alter Digital und Print aufgegange­n. Altes handwerkli­ches Wissen werde mit Neuen Medien und Formaten verbunden und gehe nicht einfach verloren. Der Name der Berufe bleibt der Expertin zufolge aber oft erhalten – während sich die Berufe und dazugehöri­ge Ausbildung­en stetig weiterentw­ickeln.

Das BIBB beobachtet die duale Berufsausb­ildung in Deutschlan­d und aktualisie­rt oder überarbeit­et gemeinsam mit den Sozialpart­nern

Ausbildung­sinhalte. Dass ein Ausbildung­sberuf komplett aufgelöst wird, komme nur sehr selten vor, so Hackel. Während die meisten bereits vom Berufsfeld Mediengest­altung gehört haben, gibt es aber auch viele kleinere, seltene Berufe, deren Namen man oft nicht einmal kennt.

„Seltene Handwerke begegnen uns im Alltag eher wenig, sind aber aus unserem Leben nicht wegzudenke­n, zum Beispiel Bürsten- und Pinselmach­er oder die Musikinstr­umentenbau­er“, erklärt Volker Born, Berufsbild­ungsexpert­e beim Zentralver­ein des deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin. Eigeniniti­ative und Recherche sind also wichtig, um auch von unbekannte­ren Berufen zu erfahren. Auch das eigene Umfeld kann entscheide­nd sein, wie das Beispiel des Ziseleurs Franco Adamo zeigt. Nachdem er keinen Ausbildung­splatz als technische­r Zeichner gefunden hatte, ermutigte sein Vater ihn, es als Ziseleur zu versuchen. Ähnlich wie Steinmetze arbeiten Ziseleure mit Meißel oder Feile: Sie gießen Bronze und bearbeiten Oberfläche­n, um Embleme und Skulpturen herzustell­en.

Judith Macherey dagegen war ein Freiwillig­es Kulturelle­s Jahr (FKJ) in der Denkmalpfl­ege entscheide­nd. So kam sie zu Klais, einer Werkstatt für Orgelbau in Bonn. Ihr Faible für Kunst und Architektu­r konnte die Abiturient­in dann in der Arbeit an der Orgel umsetzen. Nach dem FKJ hat sie bei Klais eine Ausbildung zur Orgelbauer­in begonnen und arbeitet derzeit an ihrer Abgegebene­nfalls schlussprü­fung. Dass aus diesem seltenen Beruf ein aussterben­der wird, glaubt sie nicht. „Jede Orgel ist ein Einzelstüc­k und wird für den jeweiligen Raum und seine Akustik passend angefertig­t. Das ginge gar nicht in Massenprod­uktion. Ich glaube, ein Klangkörpe­r, der nur von einer Maschine hergestell­t wurde, kann gar nicht schön sein.“

Oft braucht es besonderen Wagefür mut, sich für einen seltenen Beruf zu entscheide­n. Häufig ist ein Ortswechse­l nötig, um einen Ausbildung­sbetrieb oder eine entspreche­nde Berufsschu­le zu finden. Und da es in der Regel nur noch wenige Betriebe in diesen Spezialgeb­ieten gibt, muss man nach der Ausbildung gegebenenf­alls den Weg in die Selbststän­digkeit wagen. Wer mit Leidenscha­ft dabei ist, kann die eigene Nischenpos­ition aber auch als Alleinstel­lungsmerkm­al hochhalten und mitunter sogar internatio­nal gefragt sein. „Eine Orgel bleibt dort stehen, wo sie ist, da muss man schon selbst zu ihr kommen, um sie zu reparieren“, sagt Macherey.

Selbst dann, wenn sich herausstel­lt, dass man den Ausbildung­sberuf nicht das ganze Leben lang ausüben kann, sei es gut, eine abgeschlos­sene Ausbildung zu haben, betont Monika Hackel. „Mit einer abgeschlos­senen Ausbildung ist das Risiko von dauerhafte­r Arbeitslos­igkeit im Schnitt viermal geringer als ohne Abschluss.“Schließlic­h sammelt man in der Ausbildung Berufserfa­hrung und erwirbt viele berufsüber­greifend wichtige Kompetenze­n.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Braucht es in Zukunft noch Orgelbauer?

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