Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bewegt über die Jahrhunder­te

Das „Progetto 600“verbindet Stilarten

- VON MANFRED ENGELHARDT

Inspiriert von Heraklits „Alles fließt“sieht das „Progetto 600“seinen eigenen künstleris­chen Ansatz. Das von Iris Lichtinger, Dozentin am Leopold-mozart-zentrum, geleitete Ensemble sucht und pflegt Verbindung­en alter Musik zu unserer Zeit. Es kommt dabei zu überrasche­nden wie stimmigen Anklängen über die Jahrhunder­te und demonstrie­rt die grenzenlos bewegte Kraft der Töne. „Blue – Alles fließt“war das Programm betitelt, das in den „Fuggerkonz­erten“im Viermetzho­f des Maxmuseums geboten wurde.

„Blue“– die Farbe der Sehnsucht – ist verbunden mit dem Gedanken des treibenden Wassers. Und der Freiheit. Diese nahm sich das „Progetto“mit seinen Arrangemen­ts, in denen von Mittelalte­r, Barock und Renaissanc­e der Weg zu Avantgarde, Pop, Chanson und eben „Blues“bereitet wird. Iris Lichtinger (Blockflöte, Gesang), Martin Franke (Geige), Edward King (Cello) und Sebastian Hausl (Percussion, Vibrafon) fanden ihn durchweg ohne Mühe und Brüche.

In sieben Abteilunge­n wurden kunstvolle Konstrukti­onen, Balladen, Rhythmen, Tänze thematisie­rt. Da stellte Cellist King die sonore Fülle zweier Capricci von Giuseppe Dall’abaco (1710–1805) an den Anfang, um über Henry Purcells flirrend virtuose frühbarock­e Tanzsätze (Lichtinger­s Flöte!) in die swingende Ballade des Carlos Jobim zu gleiten, wobei auch Frankes Violine und Hausls Vibrafon mit ins Spiel kommen, all die andern Stücke „bebildern“oder akzentuier­en. Ähnlich wird die Verbindung Dall’abacos zu Lucio Dallas modern-jazziger „Stella di Mare“-ballade hergestell­t. Monteverdi­s trauriger Gesang „Si dolce è’l tormento“bekommt ein behutsam neues Gewand. Die spanische Melancholi­eaura „La suave melodia“von Andrea Falconieri endet in Chick Coreas turbulent-farbiger „Fiesta“.

Ein besonders kesser Verwandlun­gsakt spielt sich von Bach bis Henry Mancini ab: Edward King zelebriert die Allemande der 6. Solosuite und bevor dann „Moon River“zu träumen beginnt, wird nicht ohne Raffinemen­t noch ein Partikel einer „Gymnopédie“von Satie vorgeschal­tet. Nach weiteren Alt/neuund Kunst/folk/pop-bonbons und einem traditione­llen Tarantella­spuk gab es zum Schluss Lucio Dallas melancholi­sche Caruso-hommage. Beifall für die virtuosen und stilistisc­h geschmeidi­gen Künstler.

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