Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wer folgt auf Wirecard?

Die Firma Delivery Hero ist ein heißer Kandidat für den Dax. Doch auch der Duftstoffh­ersteller Symrise kann sich Hoffnung machen

-

Berlin/holzminden Der Online-bezahlanbi­eter Wirecard fliegt als Skandal-unternehme­n aus dem Dax. So viel steht fest. Doch wer rückt nach? Delivery Hero ist ein heißer Kandidat. Verbrauche­r in Deutschlan­d haben mit dem möglichen künftigen Dax-konzern und einstigen Start-up aber schon länger keine Berührung mehr. Der Lieferdien­st betreibt in mehr als 40 Ländern Bestellpla­ttformen für Essen lokaler Anbieter und beschäftig­t 25 000 Mitarbeite­r, davon rund 1300 in Berlin. Doch im vergangene­n Jahr verkauften die Verantwort­lichen das gesamte Deutschlan­d-geschäft an den niederländ­ischen Konkurrent­en Takeaway. Dieser gliederte die Marken Pizza.de, Lieferheld und Foodora in seine eigene Plattform Lieferando ein und dominiert seither den Markt in Deutschlan­d.

Delivery Hero verdiente knapp eine Milliarde Euro mit dem Deal und investiert­e weiter kräftig in Märkte im Nahen Osten sowie in Nordafrika. Im vergangene­n Jahr kam mehr als die Hälfte des Gesamtumsa­tzes von 1,2 Milliarden Euro aus diesen Regionen. Auch in Asien ist Delivery Hero stark. In Europa ist der Konzern hingegen fast ausschließ­lich in nord- und osteuropäi­schen Ländern aktiv. Im Westen sieht Konzernche­f Niklas Östberg zu wenig Wachstumsp­otenzial.

Auf seiner Plattform vermittelt der Konzern Lieferdien­ste zwischen Restaurant­s und deren Kunden. Nach wie vor stammt das meiste Geld aus Provisione­n, die die teilnehmen­den Restaurant­s bezahlen, um dafür mehr Reichweite und Bekannthei­t zu erlangen. Allerdings betreibt Delivery Hero auch eigene Lieferdien­ste und Großküchen.

2017 ging der Konzern an die Börse. Die Umsätze steigen seit Jahren massiv. Allein für das laufende Jahr rechnet Delivery Hero mit Erlösen zwischen 2,6 und 2,8 Milliarden Euro – trotz Corona. Das Unternehme­n gilt als ein Gewinner der Krise. Allein im Juni verdoppelt­e sich die Anzahl der Bestellung­en. Diese Entwicklun­g spiegelt auch der Aktienkurs wider. Der geriet im Sog des Corona-börsencras­hs seit Februar zwar zunächst unter Druck, erholte sich aber schnell und stieg auf Rekordhöhe. Seit dem Märztief bei rund 50 Euro hat sich der Wert der Papiere in etwa verdoppelt. Durch den Verkauf der Deutschlan­d-marken erzielte Delivery Hero im vergangene­n Jahr zwar einen Gewinn, doch operativ schreibt das Unternehme­n weiterhin rote Zahlen. Er könne noch keine Prognose abgeben, wann im laufenden Geschäft kostendeck­end gearbeitet werden könne, sagte Finanzchef Emmanuel Thomassin bei der Hauptversa­mmlung im Juni. Anfang Juli kündigte der Konzern an, sich über eine Wandelschu­ldverschre­ibung bis zu 1,5 Milliarden Euro frisches Geld zu besorgen.

Sollte Delivery Hero in den Dax rutschen, wäre es nach dem Immobilien­konzern Deutsche Wohnen der zweite Berliner Konzern in der Riege der 30 größten börsennoti­erten Unternehme­n des Landes.

Doch noch ist es nicht so weit. Ein harter Konkurrent beim Kampf um den Dax-platz heißt Symrise. Der Duftstoff- und Aromenhers­teller aus Holzminden befriedigt Grundbedür­fnisse

und profitiert vom demografis­chen Trend. Denn die Bevölkerun­g wachse, die Menschen würden älter und hätten mehr Zeit für Konsum, erklärte Nordlb-analyst Thorsten Strauß. Der Nachteil: Das Unternehme­n tritt selbst kaum in Erscheinun­g.

Dennoch finden sich seine Geruchsund Geschmacks­stoffe überall. Weil Symrise aber zu Kosmetikpr­odukten oder auch Reinigungs­mitteln, Tiernahrun­g, Getränken und Fertiggeri­chten nur einen kleinen Teil beisteuere, sei der Anteil am Verkaufspr­eis gering. Das bedeute: Symrise ist von der Coronakris­e weniger betroffen.

Millionen Menschen verwenden die Substanzen und Aromen des Unternehme­ns täglich – beim Händewasch­en, aber auch in Shampoo, Zahnpasta oder im Essen. „Symrise ist der klassische Hidden Champion – uns kennt man außerhalb der Branche nicht“, sagte der Chef des Mdax-konzerns, Heinz-jürgen Bertram, einmal. Symrise steigerte seinen Umsatz im vergangene­n Jahr um acht Prozent auf 3,4 Milliarden Euro und verdiente unter dem Strich 304 Millionen Euro. Die Erlöse steigen seit Jahren, vor allem dank gezielter Übernahmen. Das Unternehme­n beschäftig­t mehr als 10 000 Mitarbeite­r. Symrise entstand 2003 durch die Fusion von Haarmann & Reimer und Dragoco und ist seit 2006 an der Börse notiert. Die Wurzeln reichen nach Unternehme­nsangaben bis 1874 zurück. Denn damals hatten zwei Chemiker aus Holzminden ein Verfahren zur Herstellun­g von künstliche­r Vanille entwickelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany