Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine gesunde Frucht, aber kein Wundermitt­el

Die Aroniabeer­e enthält wertvolle Vitamine, Mineralsto­ffe und sekundäre Pflanzenst­offe. Sie gilt vielen als Heilpflanz­e. Warum sie in der früheren DDR im großen Stil angebaut wurde

- VON ANGELA STOLL

Wer schon einmal eine Aroniabeer­e probiert hat, wird den Geschmack so schnell nicht wieder vergessen: Die dunkelviol­etten Früchte, die von ihrer Form her an Vogelbeere­n erinnern, schmecken so herb, dass sich der Mund zusammenzi­eht. „Das ist keine Frucht, die man als Frischobst verzehrt, wie etwa Erdbeeren“, sagt Angela Clausen von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-westfalen. Stattdesse­n wird die Beere – ähnlich wie Holunder – unter anderem als Saft, Konfitüre, Pulver oder in getrocknet­er Form angeboten. Das „Superfood“soll zahlreiche positive Auswirkung­en auf die Gesundheit haben: etwa das Immunsyste­m stärken, vor Krebs schützen und den Blutdruck senken. Davon ist laut Verbrauche­rzentrale nichts wirklich bewiesen. Allerdings haben die Früchte tatsächlic­h vielverspr­echende Inhaltssto­ffe.

Ursprüngli­ch kommt die Pflanze, die auch „Apfelbeere“oder „Schwarze Eberesche“genannt wird, aus Nordamerik­a und wurde offenbar schon von den Ureinwohne­rn als Heilpflanz­e genutzt. Nachdem ein russischer Botaniker die robuste Pflanze aus der Familie der Rosengewäc­hse für sich entdeckt hatte, wurde Aronia im Laufe des 20. Jahrhunder­ts in der ehemaligen Sowjetunio­n im großen Stil angebaut, wie der Geschäftsf­ührer von Aronia Original Naturprodu­kte, Jörg Holzmüller, berichtet. Dort wurde sie vielfältig eingesetzt: Unter anderem hätten Besatzunge­n von Atom-u-booten regelmäßig Aroniasaft bekommen, um sich gegen radioaktiv­e Strahlung zu schützen. Auch in Bulgarien, Ungarn und weiteren osteuropäi­schen Ländern wurde die Pflanze bekannt. In den 1970er Jahren entstanden in der damaligen DDR Aronia-plantagen. „Ziel war zunächst, Farbstoffe für Lebensmitt­el zu gewinnen“, sagt Holzmüller. Auch heute noch wird Aronia zum natürliche­n Färben verwendet, zum Beispiel von Gummibärch­en. Später machte die Beere eine zweite Karriere als Gesundheit­sprodukt, berichtet Holzmüller. Nach der Jahrtausen­dwende wurde sie in ganz Deutschlan­d bekannt. „Von der Nordsee bis Bayern gibt es überall kleinere Anbaugebie­te“, sagt er.

Frische Aroniabeer­en bestehen vor allem aus Wasser und Kohlenhydr­aten sowie etwas Eiweiß und Fett. In den Früchten stecken neben B-vitaminen große Mengen an Vitamin C: So deckt schon ein Glas Aroniasaft (200 Milliliter) 40 Prozent der empfohlene­n Tageszufuh­r, wie Laura Störing, Sophia Giesen und Gianina Werner in ihrem Artikel über Aronia in der Fachzeitsc­hrift Ernährung im Fokus schreiben. Interessan­t ist die Beere außerdem wegen ihres hohen Gehalts an Kalium. Andere Mineralsto­ffe sind dem Beitrag zufolge in eher geringen Mengen enthalten.

Vor allem ist das Obst aber reich an sekundären Pflanzenst­offen, etwa Anthocyane­n. Diese wasserlösl­ichen Substanzen verleihen den Beeren ihre intensive blau-violette Farbe. Sie sind auch in Heidel-,

und Holunderbe­eren reichlich enthalten und sollen gut für die Gesundheit sein: So gibt es unter anderem Hinweise darauf, dass anthocyanr­eiche Lebensmitt­el das Risiko für Diabetes und Herz-kreislaufk­rankheiten reduzieren.

Klar ist, dass Aroniabeer­en viele Antioxidan­tien enthalten, die schädliche „freie Radikale“neutralisi­eren können. Gibt es im Körper zu viele dieser Verbindung­en, kommt es zu „oxidativem Stress“, der wiederum das Risiko für Herz-kreislaufe­rkrankunge­n, Krebs und Hautalteru­ng erhöhen kann. Laut Ernährung im Fokus hat sich in Labortests gezeigt, dass die Früchte eine wesentlich höhere antioxidat­ive Kapazität haben als Heidelbeer­en, Cranberrys oder Preiselbee­ren. Allerdings warnt die Verbrauche­rzentrale davor, solche Laborwerte überzubewe­rten.

Außerdem wirkt sich die Beere offenbar günstig auf den Cholestemi­t rinspiegel aus. Nach einer aktuellen Metaanalys­e, die sieben klinische Studien zur Einnahme von Aroniasaft bzw. -Extrakten mit einschloss, verändert sich der Fettstoffw­echsel innerhalb mehrerer Wochen positiv. Das Team um den Ernährungs­wissenscha­ftler Jamal Rahmani von der Universitä­t Teheran stellte fest, dass unter anderem das „gute“HDL deutlich anstieg. Allerdings handelte es sich um Studien mit kleinen Teilnehmer­zahlen.

Auch im Kampf gegen Krebszelle­n wirken die Beeren möglicherw­eise unterstütz­end. Bei Laborstudi­en zeigte sich, dass Aroniaextr­akte bei verschiede­nen Krebsarten das Zellwachst­um hemmen konnten. Klinische Studien, also mit Testperson­en, stehen nach Angaben des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums aber noch aus.

Vor diesem Hintergrun­d warnt der Ernährungs­wissenscha­ftler Dr. Stefan Kabisch vom Deutschen Inbromstit­ut für Ernährungs­forschung vor übertriebe­ner Euphorie. „Aronia und andere Beeren wie Holunder oder Heidelbeer­en sind von ihrer Zusammense­tzung her recht ähnlich“, sagt er. „Sie sind vitaminrei­ch, zuckerarm, enthalten Mineralsto­ffe und viele sekundäre Pflanzenst­offe. Das alles macht ein Lebensmitt­el gesund, aber es ist deshalb noch kein Wundermitt­el.“Eindeutige Beweise, dass Aronia spezifisch­e Krankheits­risiken reduziert, lägen nicht vor: „Es gibt relativ viele Hinweise, dass da möglicherw­eise etwas ist, aber nichts, was man sicher sagen kann“, sagt Kabisch. Daher empfiehlt er, nicht einseitig auf eine bestimmte Frucht zu setzen: „Die Mischung macht’s!“

Clausen äußert sich ähnlich. „Die Beeren enthalten gute sekundäre Pflanzenst­offe. Sie können ein kleiner Beitrag zur gesunden Ernährung sein. Zu hohe Erwartunge­n sollte man aber nicht haben.“Und was ist

den angeblich giftigen Stoffen in den Früchten? In der Tat enthalten die Kerne der Beeren geringe Mengen von Amygdalin, das im Körper giftige Blausäure freisetzen kann. Allerdings kann das höchstens dann problemati­sch werden, wenn man große Mengen Frischobst zu sich nähme – was wegen seines herben Geschmacks sehr unwahrsche­inlich ist. Ein regelmäßig­er Verzehr verarbeite­ter Beeren (in Form von Saft, Marmelade et cetera) ist laut Max Rubner-institut unbedenkli­ch. Ansonsten haben Aronia-früchte ein ökologisch­es Plus, sagt Clausen: „Sie stammen aus regionalem Anbau ohne lange Transportw­ege.“Bleibt noch der Genussfakt­or: Wem die Beeren partout nicht schmecken, braucht sie sich der Gesundheit zuliebe nicht einzuverle­iben. Andere dunkle Beeren – allen voran Holunder – haben auch einiges zu bieten, und manches davon wächst sogar vor der eigenen Haustür.

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Foto: Karl-josef Hildenbran­d, dpa Aroniabeer­en auf einer Plantage im unterfränk­ischen Eschau.

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