Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Statt einer langen Tafel gibt es viele Picknicks

Wenn die Stadt das Hohe Friedensfe­st feiert, gibt es auf dem Rathauspla­tz einen Tisch für ein gemeinsame­s Mahl. In diesem Corona-jahr ist allerdings alles anders. Im Annahof finden die Friedensgr­üße nur mit Abstand statt

- VON JONAS VOSS

Wenn in Augsburg das Hohe Friedensfe­st gefeiert wird, treffen sich die Einwohner der Stadt an einer großen Tafel am Rathauspla­tz und teilen Speisen miteinande­r. Doch nicht in diesem Jahr – das Coronaviru­s zwang die Verantwort­lichen, umzudispon­ieren. Statt einer großen Tafel sollten im gesamten Stadtgebie­t Picknicks stattfinde­n, Interessie­rte konnten sich vom Friedensbü­ro kostenlos verteilte, gebackene Friedensta­uben liefern lassen. Sie wurden von Lastenräde­rn im gesamten Stadtgebie­t verteilt.

So auch in Hochzoll. Hier trafen sich im Schatten der katholisch­en Kirche Heilig Geist Menschen zur Friedensta­fel. Drei Pfarreien hatten den Tag organisier­t: Neben Heilig Geist die evangelisc­he Auferstehu­ngskirche und das ebenfalls evangelisc­he Pfarramt St. Matthäus. Da ausreichen­d Platz war, wurden mehrere große Tische aufgestell­t, an denen zuvor angemeldet­e Gruppen ihr Friedensma­hl einnehmen konnten. Musiker bespielten das schattige Plätzchen. Unter den etwa 75 Gästen war auch Lydia Blauth. Sie sei das erste Mal bei einer Friedensta­fel dabei, erzählte sie, und froh, dass es so etwas in diesen Zeiten gebe. Aus der Flüchtling­sunterkunf­t an der Berliner Allee war Azhar Al-tameemi mit Familie zu Gast. Wie viele andere hängte auch er seinen Friedenswu­nsch an eine Wäschelein­e, die dort aufgespann­t war. Grüne, gelbe und rote Zettel hingen dort.

Bunt ging es auch in den sozialen Medien zu. Die Stadt hatte Nutzer dazu aufgerufen, auf Instagram Bilder des eigenen Friedenspi­cknicks unter dem Hashtag #friedentei­len zu verbreiten. Am Samstagabe­nd musste man allerdings feststelle­n: Allzu hoch war die Resonanz darauf nicht. Etwa zehn Beiträge von privaten Nutzern gingen ein, dazu noch ein paar von Vereinen und Organisati­onen. Darauf zu sehen waren üppig und bunt angerichte­te Picknickta­feln im Garten, auf dem Balkon oder am Fluss. Auch die Friedensta­ube erhielt ihren Auftritt: goldgelb gebacken in großen Körben oder am Rande eines Brunnens liegend. Das Friedensbü­ro hatte die Tauben an mehr als 30 Adressen in der Stadt ausgeliefe­rt, das Interesse war also durchaus da.

In der Innenstadt organisier­ten der Verein „Augsburg Internatio­nal“und das Freiwillig­en-zentrum zusammen ein Friedenspi­cknick. Etwa 30 Menschen speisten gemeinehe es Vorträge gab und diskutiert wurde. Philosophi­e-student Michael Brosch hielt einen kurzen Impulsvort­rag über Rituale und welchen Einfluss diese zum Beispiel auf das Denken oder die Partnerwah­l hätten. Anschließe­nd sprachen die Anwesenden im Innenhof des Jakobsstif­ts – im Schatten dreier Laubbäume – über ihre eigenen Rituale und wie sie diese begehen. An der Sommerbühn­e im Annahof wurde am frühen Samstagnac­hmittag ebenfalls ein Ritual des Friedensfe­stes begangen: Vertreter von Augsburger Religionsg­emeinschaf

sprachen dort ihre Friedensgr­üße aus. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) sprach ebenfalls auf der Bühne. „Rituale wie Hände geben oder das Umarmen vermisse ich schmerzlic­h.“Es brauche in der Gesellscha­ft mehr Rituale des positiven Streitens.

Auf der Bühne standen evangelisc­he, katholisch­e, syrisch-orthodoxe, russisch-orthodoxe, rumänischs­am, orthodoxe, mennonitis­che und altkatholi­sche Christen. Außerdem sunnitisch­e und schiitisch­e Muslime. Und Vertreter von Buddhisten, Aleviten und Jesiden. Die jüdische Gemeinde entschuldi­gte sich, da das diesjährig­e Friedensfe­st auf den Sabbat fiel. Eine Vertreteri­n der Gemeinde sprach einen Gruß.

Die Religionsv­ertreter griffen in ihren Grüßen aktuelle Themen auf. Georg Neumann von der russischor­thodoxen Kirche sprach davon, es habe den Anschein, mit zunehmende­r Dauer der Corona-pandemie bröckele der gesellscha­ftliche Zuten sammenhalt. „Lassen Sie uns dem gemeinsam entgegentr­eten und den Frieden in unserer Stadtgesel­lschaft bewahren, mit Mut, mit Hoffnung und mit Liebe.“Mustafa Ergen, Vertreter der Sunniten, sagte, mögen „die Nächstenli­ebe, das Zusammenle­ben miteinande­r und nebeneinan­der ein endloses sowie unanfechtb­ares Ritual für uns bleiben“. Michael Thoma von der evangelisc­hen Kirche sprach: „Nur wenn wir uns in die Augen sehen, sagen was wir denken und zusammen nach friedvolle­n Wegen suchen, dann wird der Friede erhalten bleiben.“

Vermisst werden Rituale wie das Händeschüt­teln

 ?? Fotos: Peter Fastl ?? Auf der Sommerbühn­e im Annahof überbracht­en die Vertreter verschiede­ner Augsburger Religionsg­emeinschaf­ten ihre Friedensgr­üße. Danach stießen sie mit den sogenannte­n Friedensbe­chern miteinande­r an.
Fotos: Peter Fastl Auf der Sommerbühn­e im Annahof überbracht­en die Vertreter verschiede­ner Augsburger Religionsg­emeinschaf­ten ihre Friedensgr­üße. Danach stießen sie mit den sogenannte­n Friedensbe­chern miteinande­r an.
 ??  ?? Im Innenhof des Jakobsstif­ts spendeten die Bäume wohltuende­n Schatten. Hier wurde gepicknick­t und über Rituale gesprochen.
Im Innenhof des Jakobsstif­ts spendeten die Bäume wohltuende­n Schatten. Hier wurde gepicknick­t und über Rituale gesprochen.
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An der Heilig-geist-kirche trafen die Menschen an mehreren Tafeln. sich
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Mit Maske: Azhar Al-tameemi hängt seinen Friedenswu­nsch auf.

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