Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mit Rat und Tat gegen das Kita-chaos
Bundesfamilienministerin Giffey will einen zweiten Lockdown unbedingt vermeiden. Als Krisenmanagerin stellt sie gleich ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor
Berlin Nimmt man die Öffnung der Kindertagesbetreuung zum Maßstab für gutes Corona-management, liegen Nordrhein-westfalen und sein oft gescholtener Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vor Bayern und Landeschef Markus Söder (CSU). In NRW sollen die Kindergärten nach Zahlen des Bundesfamilienministeriums bereits nächste Woche im Regelbetrieb öffnen. Bayern lässt sich damit bis 1. September Zeit. Mit den Ferienterminen hat das nichts zu tun, wie ein Blick in den Kalender und auf andere Bundesländer zeigt. Berlin und Brandenburg etwa öffneten ihre Kindergärten trotz laufender Sommerferien als Erstes im Regelbetrieb. Es folgen Schleswig-holstein sowie gleichauf Baden-württemberg und Sachsen. Die unterschiedlichen Zahlen zeigen, welchen Flickenteppich die föderalen Strukturen erzeugen. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, das Durcheinander zu ordnen.
Die Spd-politikerin stellte am Montag in Berlin gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor, mit denen der Bund mehr Struktur ins Kita-chaos bringen will. Das ist zuerst der Corona-kita-rat. Das Gremium werde es ermöglichen, die „verschiedenen Sichtweisen“auf das Thema Regelbetrieb zusammenzubringen, erklärte Giffey. Die Auftaktsitzung findet am 31. August statt, der Rat soll danach monatlich tagen. Beteiligt sind Vertreter aus Ländern und Kommunen, von Gewerkschaften sowie vom Bundesverband für Kindertagespflege und von der Bundeselternvertretung.
„Wenn die Kinderbetreuung nicht sichergestellt ist, funktioniert die Gesellschaft nicht“, betonte Giffey. Eltern wie Kinder bräuchten auch in Pandemiezeiten Verlässlichkeit. Aber auch die Perspektive der Erzieherinnen und Erzieher gelte es in den Fokus zu nehmen. Ziel aller Bemühungen sei es, erneute großflächige Schließungen von Kindertagesstätten zu verhindern. Es müsse unbedingt vermieden werden, „dass der zweite Lockdown kommt“, erklärte die Ministerin.
Ab Dienstag soll zudem offiziell ein Kita-register gestartet werden. Bereits jetzt liegen laut Giffey 5000 Meldungen vor. Mithilfe des Registers sollen Erkenntnisse über Betreuungsplätze,
Personalkapazitäten sowie Gruppen- und Einrichtungsschließungen infolge von Coronainfektionen erfasst werden.
Schließlich hat Giffey das Deutsche Jugendinstitut und das Robertkoch-institut in die Spur gesetzt, um eine Corona-kita-studie zu erarbeiten. Sie sollen die Wiederaufnahme des Regelbetriebs wissenschaftlich begleiten und dazu beitragen, Kinder und Fachpersonal „gezielter zu schützen“. Untersuchungsgegenstände sind die Kinderbetreuung unter Pandemiebedingungen sowie „die Rolle von Kindern und Kitas im Infektionsgeschehen“.
Ein paar Zwischenergebnisse gibt es schon. So lag der „Anteil des aufgrund der Pandemie nicht einsetzbaren Personals“zuletzt bei etwa fünf bis zehn Prozent. Wobei diese Angaben mit Vorsicht zu genießen sind, denn Zahlen legten nur acht Bundesländer vor. So gaben Baden-württemberg und Bayern als nach NRW bevölkerungsreichste Länder keine Daten preis.
Giffey stellte zudem „Fünf Leitlinien für den Kita-regelbetrieb“vor. Sie empfiehlt darin unter anderem häufigen Luftaustausch und regelmäßiges Händewaschen. „Kinder, die akut erkrankt sind oder Fieber haben, sollen nicht in die Kita oder Kindertagespflege“, rät Giffey. Dies helfe, Infektionen bei Kindern und Beschäftigten und damit womöglich Schließungen von Gruppen oder ganzen Häusern zu vermeiden.
Giffey bekräftigte ihre Haltung, dass Kinder in der Kita keine Schutzmasken tragen müssen. Dies sei „nicht praktikabel“. Besser sei es, den Personenkreis derer zu begrenzen, die Zugang haben. Um Infektionen rasch zu erkennen, sollte das Personal die Möglichkeit haben, „sich überall kostenlos und zeitnah testen lassen zu können“.