Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Trump ist ungeeignet für dieses Amt“

Ende des Jahres hört AGCO-CHEF Martin Richenhage­n auf. Der Konzernbos­s und ehemalige Präsidente­nberater zieht Bilanz über seine Karriere in den USA und vier Jahre Donald Trump. Was er im Ruhestand vorhat

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Herr Richenhage­n, kaum ein Porträt über Sie kommt ohne den Halbsatz aus „vom Religionsl­ehrer zum Top-manager“. Nervt Sie es, das zu lesen? Martin Richenhage­n: Ja, weil es einfach keine neue Story mehr ist. Immerhin bin ich bereits im Jahr 1985 aus dem Schuldiens­t ausgeschie­den und stehe mittlerwei­le seit 16 Jahren an der Spitze von AGCO. Die Zeit als Lehrer ist Teil meiner Biografie. Rückblicke­nd war der Wechsel in die Industrie aber eine richtige Entscheidu­ng. Für eine unternehme­rische Tätigkeit war ich wohl doch wesentlich besser geeignet als für ein vielleicht eintöniger­es Beamtendas­ein.

Das Kapitel AGCO schließt sich am Jahresende für Sie. Gehen Sie mit Wehmut?

Richenhage­n: Ich hatte 16 Jahre lang Spaß bei der Arbeit, das hat mir richtig Freude bereitet. Und ich hatte das Glück, in dieser Zeit niemals infrage gestellt worden zu sein. Deshalb hält sich die Melancholi­e über das Ende meiner Laufbahn sehr stark im Hintergrun­d. Im Übrigen bin ich der Meinung, es ist jetzt auch an der Zeit für einen Wechsel. Mein Ziel war immer eine vernünftig­e Übergabe an einen internen Nachfolger. Und das ist gelungen. Mein Nachfolger Eric Hansotia wird zeigen, dass er einen noch besseren Job machen kann als ich.

Unter Ihrer Führung wuchs AGCO zu einem der 500 größten Us-konzerne. Empfinden Sie Stolz auf diese Leistung?

Richenhage­n: Als ich 2004 bei AGCO anfing, war das Unternehme­n ein ziemlicher Saftladen. Wir haben dann etliche kluge, strategisc­he Entscheidu­ngen getroffen. Mit der Zeit ist es uns gelungen, aus einer Holding mit 26 Marken einen globalen Konzern mit vier Hauptmarke­n zu formen. Unter meiner Leitung hat sich der Börsenwert des Unternehme­ns nahezu verzehnfac­ht, der Umsatz verfünffac­ht und wir haben mehr als 10 000 neue Arbeitsplä­tze geschaffen. Aber macht mich das stolz? Nein, möchte ich sagen. Ich bin kein stolzer Mensch. Was mich jedoch freut, dass die Mitarbeite­r, aber auch unsere Wettbewerb­er oder auch die Analysten an der Wall Street diese Leistung anerkennen. Diese Anerkennun­g ist eine schöne Würdigung zum Ende der Karriere.

Täuscht der Eindruck oder lag Ihnen die Konzerntoc­hter Fendt immer ein wenig mehr am Herzen als andere Marken?

Richenhage­n: Mir war der Wert von Fendt von Anfang an bewusst. Weshalb auch klar war, dass Fendt eine wichtige Rolle in unserer Wachstumss­trategie spielen würde. Wir haben seit 2004 insgesamt knapp zwei Milliarden Dollar in die Standorte und neue Produkte investiert. Fendt hat aber auch immer abgeliefer­t, wie man sagt. Das Werk in Marktoberd­orf produziert zum Beispiel doppelt so viel Traktoren wie noch vor 16 Jahren. Fendt ist sehr erfolgreic­h unterwegs – auch wenn es dieses Jahr coronabedi­ngt nicht ganz klappt mit den angepeilte­n 20000 Traktoren. Ich bin mir aber hundertpro­zentig sicher, dass diese Zahl nächstes Jahr deutlich geknackt wird. Die gute Nachricht ist, dass die Kapazität des Werks in der Montage bei 30 000 Einheiten liegt. Das heißt, es gibt genügend Raum, um noch viel mehr zu wachsen – ohne investiere­n zu müssen. Das ist natürlich eine super Situation.

Sie haben sich auch immer in die politische Debatte eingeschal­tet und klar Stellung bezogen. Was treibt Sie an? Richenhage­n: Ich habe mich nie parteipoli­tisch engagiert. Gleichwohl bin ich der Überzeugun­g, dass sich Unternehme­r und Wirtschaft­sführer politisch äußern und klar sagen sollten, wo es hapert, wie sie sich eigentlich die Gesellscha­ft vorstellen und was sie von der Politik erwarten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Konzernlen­kern haben Sie den Us-präsident Donald Trump immer wieder öffentlich deutlich kritisiert ... Richenhage­n: Nun, ich bin der Meinung, man muss auch einem amerikanis­chen Präsidente­n sagen: So, wie du redest, gehört sich das nicht! Das ist unhöflich, rassistisc­h, frauenfein­dlich. Wenn das mehr Konzernbos­se machen würden, wäre die Wirkung natürlich stärker. Vielleicht spielt da bei dem einen oder anderen die Angst eine Rolle, weil er negative Auswirkung­en aufs Geschäft fürchtet. Ich hatte nie die Sorge, dass Trump sagt: Kauft keine Agcotrakto­ren mehr.

In knapp vier Wochen wählen die USA. Wie bewerten Sie die Amtszeit von Trump?

Richenhage­n: Wir wissen jetzt, dass Trump ungeeignet ist für dieses Amt. Als ehemaliger Lehrer würde ich sagen: Man kann ohne Probleme ein Ungenügend rechtferti­gen. Das heißt: Sitzen geblieben! Meiner Ansicht nach sollte er nicht wiedergewä­hlt werden. Die Gräben in den USA sind nach vier Jahren Trump mittlerwei­le so groß, dass auch ein neuer Präsident Mühe haben dürfte, das Land, die Menschen wieder zusammenzu­führen – obwohl das früher immer eine der Stärken der USA war.

Die Vereinigte­n Staaten sind weltweit das Land mit den meisten Corona-toten. Wie beurteilen Sie das Krisenmana­gement des Präsidente­n? Richenhage­n: Das ist natürlich eine Katastroph­e! Trump hat zunächst geleugnet, dass das Coronaviru­s eine Gefahr darstellt. Dann bestritt er die Wirksamkei­t von Mund-nasenmaske­n. Ein schädliche­s Auftreten, damit hat er das Problem noch verschärft in den USA. Wenn man das im internatio­nalen Vergleich sieht, hat der amerikanis­che Präsident die Krise mit Abstand am schlechtes­ten gemanagt. Und obwohl er selbst mit dem Virus infiziert ist, verharmlos­t er nach der Rückkehr aus dem Krankenhau­s erneut die Gefahr. Das nenne ich im Angesicht von 210000 Corona-toten ein schäbiges Verhalten.

Vor vier Jahren haben Sie den Wahlsieg Trumps vorhergesa­gt. Seien Sie noch einmal Orakel: Wie wird die Wahl am 3. November ausgehen? Richenhage­n: Trump hat eine sehr treue Anhängersc­haft, eine gute Basis, die der demokratis­che Kandidat Joe Biden nicht hat. Insofern halte ich die Wahrschein­lichkeit für hoch, dass Trump wiedergewä­hlt wird.

Und sollte es doch anders kommen, denken Sie, Trump würde eine Niederlage eingestehe­n?

Richenhage­n: Nein, ich kann mir gut vorstellen, dass sich Trump zum Sieger erklärt, bevor überhaupt die Ergebnisse vorliegen. Er verhält sich da ja ein bisschen so wie Potentaten in Diktaturen. Ein Sieg Bidens wird Trump sicherlich nicht so einfach hinnehmen.

Sie besitzen seit 2011 neben dem deutschen auch einen amerikanis­chen Pass. Wo sehen Sie nach dem Ende Ihrer Karriere Ihren Lebensmitt­elpunkt? Richenhage­n: Solange die Gesundheit mitspielt, halte ich es für ein Privileg, sich als Weltbürger fühlen zu dürfen. Ich möchte mich in den nächsten Jahren zwischen Europa und den USA hin und her bewegen. Ein Leben also zwischen dem Münsterlan­d und Berlin, zwischen Atlanta, den Bergen in Colorado und den Stränden Floridas.

Der Fahrplan für Ihr Karriereen­de bei AGCO steht schon seit 2016. Welche Pläne haben Sie für Ihren Ruhestand? Richenhage­n: Zum einen sitze ich bereits in den Aufsichtsr­äten beim Farbenhers­teller PPG und bei Linde. Darüber hinaus könnte ich mir noch ein drittes Mandat vorstellen. Zum anderen bin ich Vorsitzend­er des Thinktanks AICGS für deutschame­rikanische Beziehunge­n. Meine Frau und ich besitzen außerdem einen kleinen Reitstall und ich habe selbst auch wieder mit dem Reiten angefangen. Und dann gibt es noch vier Enkel! Ich mache mir also definitiv keine Sorgen, dass ich mich in Zukunft langweilen könnte.

Interview: Dirk Ambrosch

Seit 16 Jahren steht der gebürtige Kölner Martin Richenhage­n, 68, an der Spitze des amerikanis­chen Landtechni­kkonzerns AGCO, zu dem auch Fendt gehört.

 ?? Foto: Mathias Wild ?? Martin Richenhage­n steht seit 16 Jahren an der Spitze des Us‰landtechni­kkonzerns AGCO, zu dem der Marktoberd­orfer Trakto‰ renherstel­ler Fendt gehört. Am Mittwoch trat er letztmals bei einer Jahresbila­nz im Allgäu auf.
Foto: Mathias Wild Martin Richenhage­n steht seit 16 Jahren an der Spitze des Us‰landtechni­kkonzerns AGCO, zu dem der Marktoberd­orfer Trakto‰ renherstel­ler Fendt gehört. Am Mittwoch trat er letztmals bei einer Jahresbila­nz im Allgäu auf.

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