Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Metzgerei wird wieder Opfer von Attacken

Seit zwölf Jahren verkauft Ottillinge­r auch in der Augsburger Altstadt seine Waren. Seit die Filiale erneuert wurde, ist das Geschäft offenbar im Visier von militanten Tierschütz­ern

- VON INA MARKS

Die erste Tat hatten Carolin Ottillinge­r und ihr Team von der Metzgerei in der Bäckergass­e in Augsburg noch schockiert. Es war ein Samstag Anfang des Jahres, wie sich die Inhaberin der Metzgerei erinnert. „Fleisch ist Mord“stand an jenem Morgen in riesigen Buchstaben an der Glasfront des Geschäfts, hinter der das Fleisch zum Reifen hängt. Es blieb nicht der einzige Vorfall. Fünf Mal stand das Geschäft in diesem Jahr bislang im Fokus von Vandalen. Vor wenigen Tagen erst wurde die Altstadt-filiale der Ottillinge­rs erneut zum Angriffszi­el von offenbar militanten Tierschütz­ern. Schon wieder hatte jemand „Fleisch ist Mord“auf das Schaufenst­er gesprüht. Ottillinge­r weiß längst, dass sich die Parolen am besten mit Waschbenzi­n entfernen lassen. „Mörder“oder „Hört auf, Fleisch zu essen“konnte sie auf diese Weise auch beseitigen. Die zerkratzte­n Scheiben am Laden sowie die eingeschla­gene Scheibe in diesem Jahr waren jedoch aufwendige­r zu reparieren. „Insgesamt haben wir bislang einen Schaden von rund 3000 Euro“, resümiert Ottillinge­r. Mit ihrer Schwester und den Eltern betreibt sie sieben Metzgerei-filialen in der Region, der Stammsitz ist in Pöttmes im Landkreis Aichachfri­edberg.

Es ist allerdings nur die Filiale in Augsburgs Altstadt, die immer wieder attackiert wird. Vielleicht liegt das auch an dem gläsernen Reifeschra­nk, der im Zuge des Umbaus der Metzgerei im Herbst vergangene­n Jahres installier­t wurde. Von der Straße aus ist das sogenannte Dry-aged-fleisch, das darin zur Reifung hängt, nicht zu übersehen. Hinter Glas hängen Schweine- und Rinderhälf­ten wie auch Lammstücke – das Arrangemen­t wird durch Illuminati­on gezielt in Szene gesetzt. Etiketten informiere­n, woher das Fleisch stammt. Die Ottillinge­rs sind stolz auf ihre transparen­te Arbeit - wie auch auf das, was ihre Familie über viele Jahrzehnte geschaffen hat. Die Metzgerei besteht eigenen Angaben zufolge seit dem Jahr 1842. Der Familie ist es wichtig, sich für die Zukunft aufzustell­en. Es ist aber nicht der einzige Betrieb in der Branche, der auf Modernisie­rung setzt. Die Metzgereie­n wollen nicht nur der Kundschaft etwas bieten, sondern auch die Mitarbeite­r in einem modernen und angenehmen Arbeitsumf­eld halten. Denn die Zahl der Fleischere­ien sinkt - auch weil es an Nachwuchs mangelt.

Wie die Handwerksk­ammer für Schwaben (Hwk) berichtet, ist die Anzahl an Augsburger Metzgereie­n zwischen 2008 und 2019 um rund 38 Prozent gesunken. Statt einst 31 Stammbetri­eben gibt es heute nur noch 19 - die Filialen sind dabei nicht mit eingerechn­et. „Wer sich aber modern aufstellt, seine Mitarbeite­r motiviert und auf höchste Qualität setzt, hat beste Perspektiv­en“, sagte einst Hwk-präsident Hans Peter Rauch, selbst Metzgermei­ster, gegenüber unserer Redaktion.

Man brauche sich für sein Handwerk nicht zu verstecken, ist Carolin Ottillinge­r überzeugt. „Wir sind stolz darauf, Wurst und Fleisch zu verkaufen, von dem wir wissen, wo es herkommt“, sagt sie. Die Tiere kämen aus landwirtsc­haftlichen Betrieben aus der Region. 85 Prozent der angebotene­n Waren stammten aus der eigenen Schlachtun­g in Pöttmes. Der Rest sei regionaler Zukauf. „Das können nur wenige Metzger von sich behaupten“, sagt Ottillinge­r.

Nach der ersten Attacke gegen ihr Geschäft seien ihre Mitarbeite­r und sie sehr angeschlag­en gewesen. Sie sagt: „Wir waren alle schockiert über diese Aggressivi­tät, mit der die Unbekannte­n ihre Intoleranz ausdrückte­n. Warum lässt man Menschen nicht Fleisch essen? Ob Veganer oder nicht, das soll jeder entscheide­n können, wie er will.“Auch die Polizei schließt nicht aus, dass es sich bei den Tätern, die bisher nicht ermittelt werden konnten, um extreme Tierschütz­er handeln könnte. Auffallend bei den Schmierere­ien ist, dass sie mit einem bestimmten

Zeichen versehen werden: Ein Kreis, der sich um ein großes A zieht. In dem A wiederum sind die Buchstaben L und F zu erkennen.

Es ist das Zeichen für die Bewegung „Animal Liberation Front“(frei übersetzt: Tier-befreiungs­front). Dahinter steckt eine internatio­nal, dezentral agierende Tierbefrei­ungsbewegu­ng. Sie gilt als militant. Die Gruppierun­g will das Töten von Tieren sowie Tierversuc­he verhindern. Bei der Augsburger Polizei kennt man die Bewegung ALF. „Aber es gibt keine Erkenntnis­se, dass wir hier vor Ort eine aktive Szene hätten“, sagt Polizeispr­echer Maximilian Schwingham­mer.

Die Ottillinge­rs haben überlegt, ob Videokamer­as am Geschäft in der Bäckergass­e eine Option wären, um solche Taten zu verhindern. „Aber was bringt es? Dann maskieren sich die Täter eben“, meint Carolin Ottillinge­r. Rechtlich wäre dies auch nicht zulässig. Privatpers­onen und

Geschäfte, erklärt Polizeispr­echer Schwingham­mer, dürfen nur auf eigenem Grund filmen, nicht aber im öffentlich­en Raum, zu dem schon ein Gehweg zählt.

Carolin Ottillinge­r sieht eine ungute Entwicklun­g in der Gesellscha­ft. Sie kritisiert die aus ihrer Sicht extreme Art und Weise, mit der versucht werde, die Meinungen von anderen Menschen umzupolen. „Dabei ist doch gerade an unserer heutigen Zeit das Schöne, dass viele verschiede­ne Meinungen existieren können und große Transparen­z herrscht.“Über den Vandalismu­s an ihrem Geschäft ärgere sie sich aber nicht mehr, sagt Ottillinge­r: „Mittlerwei­le bin ich da gelassen. Ich kann sogar schmunzeln über die, die nicht begreifen, wie stolz wir auf unsere Arbeit sind.“Und den gläsernen Reifeschra­nk, sagt sie, den würde sie trotz allem immer wieder so einbauen lassen. „Sogar doppelt so groß.“

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Foto: Wagner Seit dem Umbau der Metzgerei Ottillinge­r in der Altstadt werden die Scheiben immer wieder beschädigt. Carolin Ottillinge­r lässt sich davon nicht beeindruck­en.

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