Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kein Stillstand trotz zweiter Corona‰welle

Wie die Politik das öffentlich­e Leben auch im Herbst und Winter aufrechter­halten will

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Lage ist ernst, aber eine zweite Zwangspaus­e des öffentlich­en Lebens wie im Frühjahr soll es in Deutschlan­d nicht geben. Das ist die zentrale Botschaft von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, nachdem die Infektione­n mit dem Coronaviru­s auf über 4000 tägliche Fälle geklettert sind. Die Zuversicht Spahns speist sich daraus, dass das Wissen um den Erreger in den vergangene­n Monaten zugenommen hat. Wenn Abstand gehalten und eine Maske getragen wird, dann lässt sich die Seuche eindämmen. „Wir haben keine Ausbrüche beim Einkaufen. Wir haben keine Ausbrüche beim Friseur. Wir haben kaum Ausbrüche im Nahverkehr“, zählte der Cdu-politiker auf.

Sorge macht ihm die Leichtfert­igkeit vieler Menschen. Illegale Partys, Hochzeiten, große Geburtstag­e und auch Gottesdien­ste haben sich zuletzt zu Infektions­herden entwickelt. „Muss jetzt die Hochzeitsf­eier mit 300, 200, 150 Gästen … unbedingt sein?“, fragte Spahn rhetorisch und gab die Antwort gleich mit. „Wir haben es alle gemeinsam in der Hand.“Wenn Abstands- und Hygienereg­eln eingehalte­n werden, sieht der Gesundheit­sminister aber dennoch die Möglichkei­t, zusammen zu feiern. Weniger ausgelasse­n, weniger nah, weniger lautstark, aber immerhin. „Es gibt am Ende Konzepte, mit denen das geht.“Er antwortete damit auf Befürchtun­gen, dass in den Kirchen womöglich die Weihnachts­gottesdien­ste gestrichen werden müssen, wenn die zweite Welle das Land erfasst.

Mindestens ein Dreivierte­ljahr müssen die Deutschen noch Disziplin zeigen, bis eine schrittwei­se Rückkehr zur Normalität denkbar ist. Denn erst dann, so Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek, werde ein Impfstoff gegen das Virus bereitsteh­en. „Die Forschung ist im Moment gigantisch schnell“, sagte die Cdu-ministerin. Normalerwe­ise

ziehen sich Entwicklun­g und Zulassung eines Serums über Jahre.

Der Chef des Robert-koch-instituts, Lothar Wieler, argumentie­rt mit den Erfolgen aus dem Frühjahr und Sommer, als das Virus erfolgreic­h zurückgedr­ängt werden konnte. Daran müsse jetzt angeknüpft werden. Gleichzeit­ig warnte er davor, dass 10 000 Neuinfekti­onen pro Tag möglich seien. „Das macht mir große Sorgen“, sagte Wieler. Er geht davon aus, dass dann wieder mehr Menschen an den Folgen einer Infektion sterben würden. „Wenn sich mehr Ältere anstecken, werden wir mehr Todesfälle sehen.“Dass es aber nochmals so schlimm kommt wie im Frühjahr, als an manchen Tagen zwischen 100 und 300 Leuten starben, erwarten die meisten Experten nicht. „Wir haben viel gelernt seit März. Wir können Verläufe viel besser einschätze­n“, erklärte die Infektiolo­gin Susanne Herold von der Universitä­t Gießen. Gerinnungs­hemmer sorgen dafür, dass die Patienten nicht an Blutgerinn­seln sterben, Cortison-abkömmling­e lindern die Entzündung­en im Körper und das Medikament Remdesivir schlägt auch an.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) appelliert­e an die Bürger, die Erfolge der Vergangenh­eit nicht zu verspielen. „Und deswegen: Mehr testen, mehr Maske, weniger Alkohol und weniger Partys.“Dann könne das Leben mit Einschränk­ungen relativ normal weitergehe­n. Nach Einschätzu­ng von Hamburgs Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) wird der Kampf gegen Corona in den Metropolen entschiede­n. So liegen inzwischen nicht nur einige Berliner Bezirke, sondern die komplette Hauptstadt über der kritischen Grenze von 50 Neuinfekti­onen pro 100000 Einwohner innerhalb einer Woche. Auch Frankfurt überschrit­t diese Warnstufe am Donnerstag. Was das für das Reisen in Deutschlan­d und speziell nach Bayern bedeutet, lesen Sie auf

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