Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Afd‰mann soll Wirecard‰skandal aufklären

Die Rechtspart­ei übernimmt zum ersten Mal die Leitung eines Untersuchu­ngsausschu­sses. Für Kanzlerkan­didat Scholz könnte es unangenehm werden

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Mit Kay Gottschalk übernimmt zum ersten Mal ein Afd-politiker die Leitung eines Untersuchu­ngsausschu­sses des Deutschen Bundestage­s. Unter seinem Vorsitz begann am Donnerstag­nachmittag die Aufarbeitu­ng des Bilanzskan­dals um das insolvente bayerische Unternehme­n Wirecard. Gottschalk wurde mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier Stimmen gewählt. Zuvor hatte Fabio de Masi von der Linksfrakt­ion die geheime Wahl des Ausschussv­orsitzende­n beantragt. Begründet hatte er dies mit einer möglichen Nähe Gottschalk­s zum flüchtigen Ex-wirecard-manager Jan Marsalek. Gottschalk wies dies als „sehr konstruier­t“zurück.

Der Vorsitz von Untersuchu­ngsausschü­ssen wird nach der Fraktionsg­röße vergeben. So leitet ein Unionspoli­tiker das Gremium, das die Vorgänge rund um das Attentat auf dem Berliner Breitschei­dplatz aufklären soll, ein SPD-MANN sitzt dem Maut-untersuchu­ngsschuss vor. Nun ist rechnerisc­h die AFD dran, die drittgrößt­e Fraktion im Parlament.

Im Wirecard-skandal geht es womöglich um mehr als drei Milliarden Euro Verlust. In den kommenden Monaten soll der Ausschuss den spektakulä­ren Bilanzskan­dal um den früheren Dax-konzern aufklären. Höchst brisante Fragen sollen beantworte­t werden: Wie konnte es dazu kommen, dass der inzwischen insolvente Finanzdien­stleister jahrelang Scheingewi­nne auswies? Warum hat die staatliche Finanzaufs­icht Bafin derart versagt? Und welche Rolle spielt die Politik – ab wann wusste die Bundesregi­erung von Unregelmäß­igkeiten?

Für seine Arbeit stehen dem Untersuchu­ngsausschu­ss umfangreic­he Möglichkei­ten zur Verfügung. Er kann etwa Akten einsehen und Zeugen einbestell­en. Es gilt als sicher, dass die Wirecard-aufklärer eine Reihe prominente­r Zeugen laden werden: Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD), Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und voraussich­tlich auch die Bundeskanz­lerin. Angela Merkel (CDU) hatte sich bei einer China-reise im vergangene­n Herbst für Wirecard ins Zeug gelegt. Wirecard wollte damals eine chinesisch­e Firma kaufen und hoffte auf Schützenhi­lfe beim Markteintr­itt. Bei der Kanzlerin für Wirecard verwendet hatte sich zuvor der ehemalige Wirtschaft­s- und Verteidigu­ngsministe­r Karl-theodor zu Guttenberg (CSU).

Wirecard wurde 1999 in Aschheim bei München gegründet und galt als aufgehende­r Stern am Himmel der Finanzindu­strie. Das Geschäftsf­eld: Dienstleis­tungen rund um den bargeldlos­en Zahlungsve­rkehr, etwa die Abwicklung von Bezahlvorg­ängen mit Kreditkart­en, Risikomana­gement und Geldtransf­er im Internet. Eine florierend­e Firma mit glänzenden Zukunftsau­ssichten, so schien es lange. Und mit offenbar guten Verbindung­en in die Politik. Doch im Juni 2020 musste Wirecard einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro an bilanziert­en Vermögensw­erten faktisch gar nicht existieren. Mit Luftbuchun­gen hatte die Firma offenbar versucht, den Markt zu manipulier­en. Vorstandsc­hef Markus Braun trat zurück und wurde wegen des Vorwurfs der Vortäuschu­ng von Einnahmen und Marktmanip­ulation festgenomm­en. Jan Marsalek, ein weiterer Wirecardma­nager, entzog sich seiner drohenden Festnahme durch Flucht. Bei seinem Abtauchen spielten möglicherw­eise ausländisc­he Geheimdien­ste eine Rolle.

Nun soll der Untersuchu­ngsausschu­ss herausfind­en, ob Bundesregi­erung und staatliche Aufsichtsb­ehörden Behörden wie die Bafin über Vorkommnis­se bei Wirecard informiert waren und ob sie ihren Aufsichtsv­erpflichtu­ngen nachgekomm­en sind. Durchaus heikle Fragen, da Vorwürfe der Manipulati­on bereits mehrfach in den Medien aufgetauch­t waren. Davon dürfte auch Olaf Scholz gewusst haben, der als Finanzmini­ster für die Finanzaufs­icht zuständig ist. Zudem sollen Beamte Scholz bereits im Februar 2019 mitgeteilt haben, dass gegen Wirecard ermittelt werde.

Sollten Scholz persönlich­e Verfehlung­en in dem Fall nachgewies­en werden, könnte sich dies schädlich auf seine Kanzlerkan­didatur auswirken.

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Foto: Kappeler, dpa Kay Gottschalk (AFD) leitet den Wire‰ card‰ausschuss.

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