Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schweinest­au in deutschen Ställen

- VON DANIEL WEBER

Die Schlachter­eien kommen nicht mehr hinterher, China hat den Import eingestell­t, die Preise fallen – die deutschen Schweinezü­chter müssen gerade einiges durchmache­n. Außerdem drohen ihnen juristisch­e Schwierigk­eiten. Besonders gefährdet sind auch Öko-betriebe

Augsburg Die deutschen Schweineha­lter haben ein Problem: Sie werden ihre Schweine nicht los. Wegen der Corona-auflagen sind die Kapazitäte­n der großen Schlachter­eien eingeschrä­nkt, Corona-fälle ließen bereits bei mehreren Betrieben die Arbeit völlig stillstehe­n. Trotzdem wachsen genauso viele Tiere auf wie zuvor. Mehr als die Schlachtbe­triebe derzeit bewältigen können. Viele Schweine verursache­n deshalb im Stall weiter Kosten, statt beim Verkauf Geld einzubring­en – und können ihre Halter sogar in juristisch­e Schwierigk­eiten bringen.

„Von den Schlachthö­fen staut es sich zurück bis zu den Mastbetrie­ben“, sagt Markus Drexler, Sprecher des Bayerische­n Bauernverb­ands. „Und von dort weiter zu den Bauern, die Muttersäue halten und Ferkel für ihre Berufskoll­egen bereithalt­en.“Die Tiere in den Mastbetrie­ben, die eigentlich geschlacht­et werden sollten, blockieren die Ställe, sodass keine Jungtiere mehr eingestall­t werden können. Den Haltern fehlt also nicht nur der Erlös für die Tiere, sondern sie müssen sie auch weiter füttern und die Schlachtre­ife der nächsten Generation von Tieren verzögert sich. Außerdem bleiben die Züchter auf ihren Ferkeln sitzen. „Irgendwann werden die Tiere so groß, dass die Tierschutz-vorgaben im Stall nicht mehr eingehalte­n werden können“, erklärt Drexler. Größeren Schweinen steht nämlich per Gesetz mehr Platz zu. Die Halter müssten dann ihren Bestand verringern, wofür sie aber einen Abnehmer brauchen – eine Schlachter­ei. „Wir haben es nicht mit einem System zu tun, in dem Sie einfach einen Schalter anoder ausschalte­n“, sagt Drexler. „Man kann sich langfristi­g auf veränderte Rahmenbedi­ngungen einstellen, aber kurzfristi­g geht das nicht.“

Entspreche­nd schrieb diese Woche Walter Heidl, der Präsident des bayerische­n Bauernverb­ands, einen Brief an den bayerische­n Staatsmini­ster Florian Hermann, in dem er um mehr Schlachtka­pazitäten, tierschutz­rechtliche Ausnahmere­gelungen und finanziell­e Hilfen bittet. „Im Prinzip geht es darum, für einen begrenzten Zeitraum an Sonnund Feiertagen das Schlachten zu erlauben oder die Arbeitszei­ten in den Schlachtbe­trieben auszudehne­n“, sagt Drexler. „Oder zusätzlich­es qualifizie­rtes Personal auf den Schlachthö­fen coronakonf­orm einzusetze­n.“

wäre die Lage nicht schon schwierig genug für die Branche, macht ihr nun auch noch die Afrikanisc­he Schweinepe­st das Leben schwer. Dabei hat ihr die Seuche zunächst Vorteile gebracht: Als sie Ende 2018 in China grassierte, starben Millionen Schweine an dem Virus oder mussten notgeschla­chtet werden, die Bestände haben sich bis heute noch nicht vollständi­g davon erholt. Die enorme Nachfrage nach Schweinefl­eisch – China verzehrt weltweit mit Abstand am meisten davon – blieb aber ungebroche­n, deswegen musste das Land mehr importiere­n. Und zwar zu einem großen Teil aus Deutschlan­d, dem drittgrößt­en Schweinefl­eisch-exporteur nach den USA und Spanien.

Die Nachfrage trieb die Preise für deutsche Tiere nach oben, sehr zur Freude der Bauern. Dabei entstand aber kein Engpass für den inländisch­en Markt: Chinesen essen vor allem Schweinete­ile wie Ohren, Füße und Schwänze, sagt Claus Deblitz, stellvertr­etender Leiter des Thünen-fachinstit­uts für Betriebswi­rtschaft in Braunschwe­ig. Diese Teile würden hierzuland­e nur zu niedrigen Preisen zum Beispiel von Tierals futterhers­tellern gekauft. Nun konnten sie deutlich teurer exportiert werden. Doch damit ist es nun vorbei, zumindest vorerst. Seit die Afrikanisc­he Schweinepe­st bei mehreren Wildschwei­nen in Brandenbur­g festgestel­lt wurde, importiert China kein deutsches Schweinefl­eisch mehr. Dadurch brach der Schweinepr­eis ein. „Mit China muss ein regionalis­iertes Konzept erreicht werden“, fordert Deblitz. „Dass wir in Brandenbur­g ein Wildschwei­n haben, das Schweinepe­st hat – wohlgemerk­t: es sind ja keine Hausschwei­ne betroffen –, das hat zum

Beispiel mit den Betrieben in Nordrhein-westfalen nichts zu tun.“Die Gespräche mit China laufen bereits. Bis ein Ergebnis feststeht, sieht Deblitz nur zwei Optionen: Entweder finde man eine alternativ­e Verwendung für die Fleischstü­cke oder man lagere sie ein in der Hoffnung, dass sich die Situation wieder bessert.

Falls sich die Schweinepe­st weiter ausbreiten sollte, vermutet Deblitz die größten Probleme bei den 1 bis 1,5 Prozent der Betriebe mit Ökozertifi­zierung. Dort haben die Schweine Auslaufflä­chen im Freien. „Wenn die Halter ihre Tiere aus Infektions­schutzgrün­den im Stall lassen müssen, verlieren sie nach einer gewissen Zeit ihren Öko-status.“Dann bekämen sie auch keinen Öko-preis mehr für die Tiere.

Die gesunkene Nachfrage wegen Chinas Importstop­p bleibe derzeit vor allem an den Mastbetrie­ben hängen, sagt Burkhard Hock, Geschäftsf­ührer der Erzeugerge­meinschaft Franken-schwaben. Während die Erzeuger Anfang 2020 noch rund zwei Euro pro Kilogramm Schlachtge­wicht verlangen konnten, seien es derzeit nur noch knapp 1,30 Euro. „Ich kann aber nicht feststelle­n, dass sich der Preis für Schweinefl­eisch im Laden um auch nur einen Cent geändert hätte.“

 ?? Foto: Sina Schuldt, dpa ?? Die Schweine wachsen immer weiter, in den schon vorher vollen Ställen wird es zunehmend enger.
Foto: Sina Schuldt, dpa Die Schweine wachsen immer weiter, in den schon vorher vollen Ställen wird es zunehmend enger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany