Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So vielseitig ist der Kürbis

Wohl kein Gemüse erlebt so einen Boom wie das einst als „Essen für Arme“geschmähte Gewächs. Norbert Siller kocht für die Bayerische Staatskanz­lei und verrät seine Tipps für den Star des Herbsts

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

München Für dieses Trumm braucht es fast einen Kran: Zwei starke Männer müssen anpacken, um den 80 Kilo schweren orangefarb­enen Riesen auf den Küchenherd zu hieven. Handlicher wären zweifelsoh­ne Exemplare gewesen, wie es sie normalerwe­ise im Laden zu kaufen gibt, mit 1000 oder 2000 Gramm Gewicht. Doch Norbert Siller hat den ausgewachs­enen Hokkaido zum Erntedankf­est von einem Kindergart­en geschenkt bekommen. Nun wird er fachkundig tranchiert. „Das reicht genau einmal, um Kürbissupp­e zu kochen“, erzählt der Küchenchef. Auf etwa hundert Liter Suppe geht sich’s aus.“

Seit 2014 kocht Siller für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Bayerische­n Staatskanz­lei, vom Sekretär über den Amtsleiter und Minister bis hin zum Ministerpr­äsidenten, mit Leckereien, gern saisonal und regional. Das Catering für Kindergärt­en und Schulen nicht zu vergessen, die von seinen Köchen zusätzlich mit Mittagesse­n versorgt werden. Kürbis steht dabei in der Saison mindestens ein-, wenn nicht zweimal die Woche auf dem Speiseplan. Für Siller ist Kürbis einfach „ein tolles Herbstgemü­se“.

Er liebt ihn wegen seiner intensi- ven Farbe, „das Auge isst schließlic­h mit“, für seinen Geschmack und weil er so vielfältig einsetzbar ist. Seit etwa zehn Jahren erlebt Kürbis, der einst als „Kriegsgemü­se“und Essen für Arme galt, eine Art Renaissanc­e. 2019 wurden laut Statistisc­hem Bundesamt in Deutschlan­d 86000 Tonnen Speisekürb­is – von Hokkaido über Muskat und Spaghettik­ürbis – geerntet. Zwei Jahre davor waren es noch 78 000 Tonnen.

Siller ist schon länger Kürbisfan. Als der gebürtige Südtiroler vor 30 Jahren zum Arbeiten nach München kam, lernte er das Gemüse bei einem Nachbarn kennen, der es in seinem Garten zog. Kürbis kann nicht nur salzig in Spalten gegart, in Nudelsoßen (sein persönlich­er Favorit), Fleisch-, Wild- oder Fischgeric­hten, Risotto, Aufläufen und Suppen serviert, sondern auch süßsauer eingelegt oder als Süßspeise zubereitet werden. Norbert Siller kocht damit Marmelade oder füllt feine Pfannkuche­n mit Kürbis-birnen-kompott, packt geriebenen Kürbis in Desserts wie Scheiterha­ufen, Kuchen oder Kaiserschm­arrn.

Ursprüngli­ch kommt der Speisekürb­is aus Südamerika und der japanische­n Insel Hokkaido. Heute gibt es mehr als 800 Sorten auf der Welt.

„Die Speisekürb­isse, die bei uns an- gebaut werden, gehören zu den Ar- ten Riesenkürb­is, Gartenkürb­is und Moschuskür­bis“, erklärt Landwirt Fabian Schneider aus Dirmstein in der Pfalz. „Die meisten Fans hat der orange-rote Hokkaido wegen seiner ansprechen­den Farbe und der guten Verarbeitu­ngsmöglich­keiten. Bei ihm darf die Schale mitgegesse­n werden.“Wer das möchte, greift am besten zu regionaler Bio-ware. Gern gekauft werden bei uns auch Butternut, Grüner Hokkaido und Muskatkürb­is.

Kürbis schmeckt nicht nur fein, sondern hat auch wenig Kalorien. „Damit ist er ein schlanker gesunder Sattmacher“, so Sonja Schäche vom Deutschen Institut für Ernährungs­forschung Potsdam-rehbrücke. Mit Ballaststo­ffen fördert Kürbis die Verdauung. Außerdem punktet er mit dem Mineralsto­ff Kalium sowie mit sekundären Pflanzenst­offen wie Carotinoid­en. Sie wirken entzündung­shemmend und senken das Risiko für Herz-kreislaufe­rkrankunge­n und angeblich sogar für bestimmte Krebsarten. Phytosteri­ne, also pflanzlich­e Hormone, helfen zudem gegen einen hohen Cholesteri­nspiegel. Deshalb wurde der Kürbis 2005 vom „Studienkre­is Arzneipfla­nzenkunde“der Uni Würzburg zur „Heilpflanz­e des Jahres“ernannt.

Vor dem Kochen sollte man immer ein Stückchen rohen Kürbis probieren. Schmeckt das bitter, darf man ihn nicht mehr essen. Denn in seltenen Fällen kann Kürbis schädliche Cucurbitac­ine enthalten.

Unbeschädi­gte, ausgereift­e Hokkaidos mit drei, vier Zentimeter langem Stiel lassen sich mehrere Monate aufbewahre­n, am besten an einem kühlen Ort. Selbst wenn sie längere Zeit als Deko verwendet wurden, kann man sie meist noch gut in der Küche verwenden. Angeschnit­tene Hokkaidos halten sich im Kühlschran­k in Frischhalt­efolie verpackt etwa zwei Tage lang.

Wer mag, kann sogar die Kürbiskern­e verwenden. Foodblogge­rin Sonja Schäche (www.treatandfe­ed.de) etwa macht daraus ein Kürbiskern-pesto, das sie mit Kürbisreis auf den Tisch bringt.

Die Schale kann man beim Hokkaido mitessen

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Fotos: Evgeniiand, stock.adobe.com, Andrea Schmidt‰forth Hokkaido‰kürbisse kann man in der Küche vielseitig einsetzen – Norbert Siller tut dies gerne.
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