Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Abgründige Romantik
William Youn mit Schubert-sonaten
Der 1982 in Seoul geborene, nunmehr in München lebende Pianist William Youn hat vor einiger Zeit die Mozartfreunde aufhorchen lassen durch seine Gesamteinspielung der Klaviersonaten, mit der ihm eine ebenso leichtfüßige wie gedankentiefe Quadratur des Mozartspiels gelang. Nun eröffnet Youn eine neue integrale Aufnahmeserie mit Sonaten von Schubert. Das ist folgerichtig insofern, als auch Schubert nicht primär mit virtuosen Gesten bezwungen sein will, mehr ein intimes Verständnis für den spezifischen Ton seiner Musik verlangt und für ihre Sanglichkeit und ihr bedeutungsvolles Helldunkel.
Youn geht nicht chronologisch vor, sondern steckt auf der ersten CD des nun erschienenen Doppelalbums erst mal die Eckpunkte ab: Auf die 21. Sonate folgt die Sonate Nummer 1. Der Auftakt mit der großen B-dursonate ist ein selbstbewusstes Statement, denn diesbezüglich mangelt es nicht an herausragenden Aufnahmen, gipfelnd in den Exegesen Swjatoslaw Richters. Youn versteht Schuberts Sonatenschlusswort aber nicht als tönende Weltabgewandtheit wie Richter, verfällt im Kopfsatz auch nicht in dessen schwebende Langsamkeit. Eher scheint er sich an Schuberts Wandererfiguren zu orientieren, lässt in der gedämpften Grundstimmung dieses „Molto moderato“immer wieder Momente der Aufbruchshoffnung leuchten, in denen doch tragisches Scheitern stets mitschwingt.
Erneut besticht Youns uneitles, dabei hoch differenziertes Spiel. Das schubertisch „Romantische“ist auch in den auf der zweiten CD versammelten Sonaten Nr. 9, 13 und 14 bestens getroffen: tastend träumerische Bewegung über unsicherem Grund, in dem sich Klüfte auftun – Musik, die weit davon entfernt ist, in biedermeierlichen Ruhepuls zu verfallen. Es wird spannend sein, Youns weitere Schubert-erkundungen zu verfolgen. ★★★★✩