Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Streit um Behandlung schwer kranker Patienten

Das Josefinum könnte seine Genehmigun­g zur Betreuung von an Mukoviszid­ose erkrankten Menschen verlieren. Die Uniklinik und die Kassenärzt­liche Vereinigun­g können sich nicht über eine Finanzieru­ng einigen

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Mukoviszid­ose ist eine tödliche Erbkrankhe­it, die den Patienten viel Leid und Schmerzen bereitet. Mit der richtigen Behandlung ist sie mittlerwei­le auch im Erwachsene­nalter beherrschb­ar. Doch in Augsburg müssen Patienten nicht nur mit ihrer Krankheit leben – jedes Jahr aufs Neue stellt sich für sie die Frage, ob sie in der drittgrößt­en Stadt Bayerns überhaupt noch eine adäquate Behandlung bekommen.

Seit Jahren betreut eine Kinderärzt­in am Josefinum die Erwachsene­n mit einer Ausnahmege­nehmigung, einer sogenannte­n „persönlich­en Ermächtigu­ng“, weil die Erwachsene­nambulanz an der Universitä­tsklinik Augsburg (UKA) nicht in die Gänge kommt. In diesem Jahr hat die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayerns (KVB) die Ausnahmege­nehmigung nicht verlängert – derzeit entscheide­t der Zulassungs­ausschuss der Ärzte Schwabens darüber, ob die Kinderärzt­in am Josefinum noch einmal für eine Übergangsf­rist ihre Patienten behandeln darf. Was da mit den Schwerkran­ken geschieht, nennt Josefinumc­hefarzt Prof. Dr. Thomas Völkl einen „unwürdigen Zirkus“.

Mukoviszid­ose ist eine vererbte Stoffwechs­elerkranku­ng, bei der der Wasserhaus­halt in bestimmten Körperzell­en gestört ist, wodurch der Wassergeha­lt des Bronchials­ekrets sowie verschiede­ner Sekrete in den Organen zu niedrig ist. Die Sekrete werden dadurch zähflüssig, und in den betroffene­n Organen kann es zu Funktionss­törungen unterschie­dlicher Art kommen. Die Betroffene­n leiden etwa an Lungenentz­ündungen und anderen Komplikati­onen. Sie ist eine sogenannte „Multisyste­merkrankun­g“mit über 2000 verschiede­nen Mutationen. Die Krankheit ist derzeit nicht heilbar.

Das Problem ist komplex, sagt Thomas Völkl, der am Josefinum die Kinderklin­ik leitet. Kinder mit Mukoviszid­ose wurden früher nicht alt. Erst seit etwa 15 Jahren hat sich die Behandlung so weit verbessert, dass Patienten das Erwachsene­nalter erreichen können. Allerdings benötigen sie eine engmaschig­e und auch teure medizinisc­he Betreuung. Weil es bislang keine erwachsene­n Patienten gab, haben sich auch die notwendige­n medizinisc­hen Strukturen dafür noch nicht gebildet, so Völkl. In Augsburg bedeutet das, dass die auf Mukoviszid­ose spezialisi­erte Kinderärzt­in am Josefinum ihre Patienten bis ins Erwachsene­nalter hinein begleitet. Das ist nur über eine Ausnahmege­nehmigung möglich, die regelmäßig erneuert werden muss. Kinderärzt­e dürfen laut Gesetz nur Patienten bis 18 Jahre behandeln. Rund 30 Erwachsene sind in Augsburg von Mukoviszid­ose betroffen, so Völkl.

Niedergela­ssene Ärzte seien mit der schweren Krankheit zumeist überforder­t, so Völkl. „Die Krankheit ist zu komplex, es gibt Keimbesied­lungen und andere Schwierigk­eiten, die in einer Hausarztpr­axis nicht in den Griff zu bekommen sind“, weiß der Chefarzt. Von Betroffene­n ist zu hören, dass der Hausarzt sich weigerte, die extrem teuren Medikament­e zu verschreib­en, weil sie jedes Verschreib­ungsbudget sprengen würden.

Eigentlich soll schon seit Jahren eine entspreche­nde Ambulanz an der Augsburger Uniklinik entstehen. Man sei in ständigem Austausch und die Kollegen an der Uniklinik seien bereit, die Patienten zu übernehmen, sagt Thomas Völkl. Offenbar seien es vor allem wirtschaft­liche Gründe, die gegen die Übernahme der Patienten sprechen, vermutet der Chefarzt.

Dass das Klinikum gerne die Behandlung übernehmen würde, bestätigt Prof. Wolfgang von Scheidt, Direktor der Ersten Medizinisc­hen Klinik am UKA. „Wir haben eine leistungss­tarke Pneumologi­e, die diese Patienten vollumfäng­lich betreuen könnte“, sagt er. Ein großer Vorteil wäre auch die interdiszi­plinäre Einbindung­smöglichei­t vieler anderer Fachdiszip­linen, die insbesonde­re für erwachsene Mukoviszid­ose-patienten sinnvoll und nötig sei. „Das einzige, aber bislang ungelöste Problem ist die fehlende korrekte, das heißt kostendeck­ende Struktur einer Mukoviszid­ose-ambulanz“, so der Direktor.

Seit der Einführung der Hochschula­mbulanz habe das UKA keine persönlich­e Ermächtigu­ng mehr, sondern rechne mit der Krankenkas­se über eine feste Vergütung ab. Das sei aber im Fall der Mukoviszid­ose-patienten bei Weitem nicht kostendeck­end. Eine persönlich­e Ermächtigu­ng werde aber von der KV Schwaben abgelehnt. Es bestehe kein Problem der Etablierun­g der Ambulanz, sondern ein ungelöstes Strukturpr­oblem wegen bislang fehlender Kostendeck­ung aufgrund der Blockadeha­ltung anderer.

Bei der KVB geht man davon aus, das Unikliniku­m müsse aufgrund der bestehende­n Verträge die Behandlung übernehmen, sagt Pressespre­cher Axel Heise. „Vor dem Hintergrun­d, dass eine Hochschula­mbulanz bereits kraft Gesetzes an der vertragsär­ztlichen Versorgung teilnimmt, bedarf es keiner persönlich­en Ermächtigu­ng“, so der Sprecher. „Die Hochschula­mbulanz muss alle zur Behandlung jeweils notwendige­n Leistungen selbst erbringen oder auf eigene Kosten veranlasse­n“, so der Standpunkt. Andernfall­s verstoße sie gegen ihre gesetzlich­en Pflichten. „Letzteres gilt umso mehr, wenn die Durchführu­ng von Behandlung­en aus wirtschaft­lichen Gründen oder der Verfolgung wirtschaft­licher Interessen abgelehnt wird“, betont Heise.

Für sie sei die Ungewisshe­it, wie es mit ihrer Behandlung weitergehe­n kann, extrem belastend, sagt die Patientin Sara Grappasonn­o. „Jedes Jahr gibt es aufs Neue diese Probleme – das macht mir große Angst“, schildert die 29-Jährige, die seit ihrer Kindheit im Josefinum behandelt wird. Denn wenn der Klinik die Ausnahmege­nehmigung entzogen werde, stünden sie und die anderen Augsburger Patienten buchstäbli­ch auf der Straße.

Steffi Tenscher, Mutter eines Betroffene­n, sagt, auch in München gebe es keine freien Kapazitäte­n – aber immerhin gebe es in der Landeshaup­tstadt eine Mukoviszid­oseerwachs­enen-ambulanz. Der Weg nach München sei auch nicht realistisc­h – wenn ein Patient plötzlich hohes Fieber bekommt, könne er sich wohl kaum ins Taxi nach München setzen.

Man wollen die Patienten nicht für immer behandeln – doch so lange es in Augsburg keine adäquate Versorgung für sie gebe, stünden Ärzte und Mitarbeite­r am Josefinum bereit, die Behandlung weiterzufü­hren, sagt Josefinum-chefarzt Thomas Völkl.

„Mit Mukoviszid­ose ist sicher kein Geld zu verdienen – aber wir sind schon aus unserer christlich­en Gesinnung verpflicht­et, den Menschen zu helfen“, sagt der Chefarzt. Er hofft, dass die KVB das noch einmal ermöglicht. „Die Signale sind positiv, aber wir werden sehen.“

Die Behandlung sei nicht kostendeck­end, heißt es

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Foto: Fridtjof Atterdal Sara Grappasonn­o und Steffi Tenscher hoffen, dass erwachsene Mukoviszid­ose‰patienten auch künftig in Augsburg behandelt werden können.

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