Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Theater‰bürgerbege­hren startet nächste Woche

Die Initiatore­n sagen, das Geld für die teure Sanierung wäre anderswo besser angelegt. Warum sie sich mehr Chancen ausrechnen als beim letzten Bürgerbege­hren vor vier Jahren

- VON STEFAN KROG

Das angekündig­te Theater-bürgerbege­hren, das einen Planungsst­opp und das Erarbeiten günstigere­r Alternativ­en zur bis zu 321 Millionen Euro teuren Sanierung fordert, wird kommende Woche starten. Man sei noch dabei, letzte organisato­rische Arbeiten zu erledigen, so Mitinitiat­or Alexander Süßmair, etwa was Corona-auflagen beim Aufstellen von Infostände­n betrifft. Am Donnerstag traten die Macher des Begehrens an die Öffentlich­keit. „Wir sind keine Feinde von Kultur und Theater. Es geht uns angesichts der massiven Kostenstei­gerungen um die Belastunge­n für die Stadtgesel­lschaft“, so Süßmair. Über das größte Einzelproj­ekt der Stadt, das bis 2038 jährliche Kreditrück­zahlungen von 6,5 Millionen Euro mit sich bringt, müsse die Bürgerscha­ft entscheide­n, so Süßmair, der zwölf Jahre lang Stadtrat war und für die Linken im Bundestag saß.

Die Stadt hatte wie berichtet im Sommer bekannt gegeben, dass die bisherige Kostenmark­e von 186 Millionen Euro nicht mehr haltbar sei. Aktuell werden zwischen 281 und 321 Millionen Euro veranschla­gt. Grund sind Kostenstei­gerungen beim Erweiterun­gsneubau, der unter anderem wegen Brandschut­zauflagen umgeplant werden musste. Den Großteil des Kostenspru­ngs macht aber aus, dass in der aktualisie­rten Prognose die steigenden Preise von Baufirmen und Handwerker­n einkalkuli­ert sind. Mehrheitli­ch stimmte der Stadtrat, getragen von der schwarz-grünen Mehrheit, im Sommer dafür, trotz der Kostenexpl­osion an dem Projekt festzuhalt­en. Der Entscheidu­ng ging eine erhitzte Debatte mit der Opposition voraus.

Neben Süßmair sind Anna Xenia Weingart (V-partei) und Tobias Bevc Initiatore­n des Bürgerbege­hrens. Bevc legt ausdrückli­ch Wert darauf, als Privatpers­on zu handeln. Es gebe keinerlei Bezug zu seiner Tätigkeit als stellvertr­etender Geschäftsf­ührer der Sozialfrak­tion im Rathaus (die SPD hat Verständni­s für die Ziele des Begehrens gezeigt, unterstütz­t es aber nicht; die Linken unterstütz­en das Begehren). Geäußert hat Bevc sich aber in seiner Eigenschaf­t als Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW).

Die Initiatore­n stört, dass die Sanierung finanziell überdimens­ioniert sei. „Das Geld wäre in Schulen und Kitas besser angelegt“, so Bevc. Dass der Perlachtur­m über Jahre gesperrt bleibe, weil kein Geld für die Sanierung da ist, sei bezeichnen­d. Wie berichtet hatte die Stadt zuletzt bekannt gegeben, aus Geldmangel Schulsanie­rungen nach hinten zu schieben. „Viele Eltern werden das ähnlich sehen wie wir. Kultur ist wichtig, Bildung ist aber womöglich wichtiger, gerade wenn man anschaut, wie viele Schüler in Augsburg in marode Schulen gehen müssen und wie groß das Publikum des Theaters ist“, so Bevc.

Bereits vor vier Jahren hatte es ein erfolglose­s Bürgerbege­hren gegeben, das sich gegen die Kreditfina­nzierung des städtische­n Anteils wendete (die Hälfte der Kosten wird vom Freistaat getragen). „Die Situation ist heute eine andere“, sagt Süßmair. Der Druck, beim Klimaschut­z sei gestiegen, ebenso der Druck auf dem Wohnungsma­rkt. „Allein für diese Themen muss man Millionen jedes Jahr ausgeben“, so Süßmair. Und über allem stehe die Corona-krise. „Niemand kann sagen, wie es ökonomisch weitergeht.“Ein saniertes Theater sei nicht das Entscheide­nde, um durch die Krise zu kommen.

Die Fragestell­ung des Begehrens („Sind Sie dafür, dass die Planung und weitere Auftragsve­rgaben der Theatersan­ierung sofort gestoppt werden und die Stadtverwa­ltung beauftragt wird, kostengüns­tigere Alternativ­en zu prüfen und vorzulegen?”) bezieht sich nicht nur auf den teurer gewordenen Erweiterun­gsneubau, sondern auch auf das Große Haus, in dem die Arbeiten bereits laufen. Hier hat die Stadt etliche Millionen Euro ausgegeben – vor allem für die Planung, aber auch für erste Bauarbeite­n. Dieses Geld könnte verloren sein, wenn sich das Begehren durchsetzt. Das sind auch die Bedenken der SPD, die das Begehren darum nicht unterstütz­t.

Süßmair hält dem entgegen, dass die Stadtgesel­lschaft trotzdem die Möglichkei­t haben müsse, zu entscheide­n. Bei Stuttgart 21 habe es auch geheißen, dass Verzögerun­gen wegen der Proteste Verteuerun­gen nach sich ziehen würden. Die jetzigen Gesamtkost­en lägen aber weit darüber, so Süßmair. „Das ist die Logik der Herrschend­en und der Macht: ,Wir wissen alles besser und demokratis­che Prozesse verlangsam­en die Dinge.‘“Peter Bommas, der das Begehren unterstütz­t und vor vier Jahren einer der Initiatore­n des damaligen Begehrens war, sagt, dass man kein Vertrauen mehr in die Aussagen der Stadt habe. Der Kostendeck­el von 186 Millionen Euro, auf den sich die Stadt in der Vergangenh­eit berief, interessie­re heute niemanden mehr. Er glaubt auch an eine weitere Verteuerun­g beim Großen Haus. „Es kam schlimmer als befürchtet, also muss jetzt noch gehandelt werden.“Dass der Freistaat seine Zuschusszu­sagen an die bisherige Planung geknüpft habe, sei kein Argument, so Süßmair. „Handeln nach dem Motto ,Friss oder stirb‘ kommt nicht mehr gut an.“

Die damalige Bürgerbete­iligung, deren Ergebnisse mit einer Neuplanung nicht mehr eins zu eins umsetzbar sein könnten, sehen die Initiatore­n äußerst kritisch. „Sie hat dazu gepasst, wie die Kosten schöngerec­hnet wurden. Das war ein Wunschkonz­ert von Theaterfan­s unter Ausschluss der Kritiker“, so Bommas. Diese Beteiligun­g nun als Legitimati­on für die Pläne heranzuzie­hen, wie es die Stadt tut, sei unpassend. Es sei um Fragen gegangen, ob im Foyer Lesungen stattfinde­n können, aber nie grundsätzl­ich um die Art von Theater.

Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) hatte Ende September in einer ersten Reaktion auf das Bürgerbege­hren gesagt, dass sie Bürgerents­cheide als demokratis­ches Beteiligun­gsformat respektier­e. Allerdings habe der Stadtrat im Juli über die Fortsetzun­g der Sanierung entschiede­n. Das sei maßgeblich.

Damit ein Bürgerbege­hren erfolgreic­h ist, müssen rund 11.000 Unterschri­ften gesammelt werden. Ist das Begehren rechtlich zulässig, muss der Stadtrat entscheide­n, wie es weitergeht. Er kann Ziele eines Bürgerbege­hrens übernehmen. Andernfall­s läuft es auf eine Abstimmung der Bürger hinaus.

Unterstütz­t wird das Begehren von mehreren Organisati­onen und Einzelpers­onen. Dazu zählen die Linke, die GEW, Augsburg in Bürgerhand, V-partei, der Kulturpark West und der Musikkultu­r-verein Kuki.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Verwaltung­sbau und Werkstätte­n des Theaters sind bereits abgerissen. Stoppt ein erneutes Bürgerbege­hren nun den Fortgang der Sanierung?
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Anna X. Weingart
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A. Süßmair
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Tobias Bevc

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