Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Theaterbürgerbegehren startet nächste Woche
Die Initiatoren sagen, das Geld für die teure Sanierung wäre anderswo besser angelegt. Warum sie sich mehr Chancen ausrechnen als beim letzten Bürgerbegehren vor vier Jahren
Das angekündigte Theater-bürgerbegehren, das einen Planungsstopp und das Erarbeiten günstigerer Alternativen zur bis zu 321 Millionen Euro teuren Sanierung fordert, wird kommende Woche starten. Man sei noch dabei, letzte organisatorische Arbeiten zu erledigen, so Mitinitiator Alexander Süßmair, etwa was Corona-auflagen beim Aufstellen von Infoständen betrifft. Am Donnerstag traten die Macher des Begehrens an die Öffentlichkeit. „Wir sind keine Feinde von Kultur und Theater. Es geht uns angesichts der massiven Kostensteigerungen um die Belastungen für die Stadtgesellschaft“, so Süßmair. Über das größte Einzelprojekt der Stadt, das bis 2038 jährliche Kreditrückzahlungen von 6,5 Millionen Euro mit sich bringt, müsse die Bürgerschaft entscheiden, so Süßmair, der zwölf Jahre lang Stadtrat war und für die Linken im Bundestag saß.
Die Stadt hatte wie berichtet im Sommer bekannt gegeben, dass die bisherige Kostenmarke von 186 Millionen Euro nicht mehr haltbar sei. Aktuell werden zwischen 281 und 321 Millionen Euro veranschlagt. Grund sind Kostensteigerungen beim Erweiterungsneubau, der unter anderem wegen Brandschutzauflagen umgeplant werden musste. Den Großteil des Kostensprungs macht aber aus, dass in der aktualisierten Prognose die steigenden Preise von Baufirmen und Handwerkern einkalkuliert sind. Mehrheitlich stimmte der Stadtrat, getragen von der schwarz-grünen Mehrheit, im Sommer dafür, trotz der Kostenexplosion an dem Projekt festzuhalten. Der Entscheidung ging eine erhitzte Debatte mit der Opposition voraus.
Neben Süßmair sind Anna Xenia Weingart (V-partei) und Tobias Bevc Initiatoren des Bürgerbegehrens. Bevc legt ausdrücklich Wert darauf, als Privatperson zu handeln. Es gebe keinerlei Bezug zu seiner Tätigkeit als stellvertretender Geschäftsführer der Sozialfraktion im Rathaus (die SPD hat Verständnis für die Ziele des Begehrens gezeigt, unterstützt es aber nicht; die Linken unterstützen das Begehren). Geäußert hat Bevc sich aber in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Die Initiatoren stört, dass die Sanierung finanziell überdimensioniert sei. „Das Geld wäre in Schulen und Kitas besser angelegt“, so Bevc. Dass der Perlachturm über Jahre gesperrt bleibe, weil kein Geld für die Sanierung da ist, sei bezeichnend. Wie berichtet hatte die Stadt zuletzt bekannt gegeben, aus Geldmangel Schulsanierungen nach hinten zu schieben. „Viele Eltern werden das ähnlich sehen wie wir. Kultur ist wichtig, Bildung ist aber womöglich wichtiger, gerade wenn man anschaut, wie viele Schüler in Augsburg in marode Schulen gehen müssen und wie groß das Publikum des Theaters ist“, so Bevc.
Bereits vor vier Jahren hatte es ein erfolgloses Bürgerbegehren gegeben, das sich gegen die Kreditfinanzierung des städtischen Anteils wendete (die Hälfte der Kosten wird vom Freistaat getragen). „Die Situation ist heute eine andere“, sagt Süßmair. Der Druck, beim Klimaschutz sei gestiegen, ebenso der Druck auf dem Wohnungsmarkt. „Allein für diese Themen muss man Millionen jedes Jahr ausgeben“, so Süßmair. Und über allem stehe die Corona-krise. „Niemand kann sagen, wie es ökonomisch weitergeht.“Ein saniertes Theater sei nicht das Entscheidende, um durch die Krise zu kommen.
Die Fragestellung des Begehrens („Sind Sie dafür, dass die Planung und weitere Auftragsvergaben der Theatersanierung sofort gestoppt werden und die Stadtverwaltung beauftragt wird, kostengünstigere Alternativen zu prüfen und vorzulegen?”) bezieht sich nicht nur auf den teurer gewordenen Erweiterungsneubau, sondern auch auf das Große Haus, in dem die Arbeiten bereits laufen. Hier hat die Stadt etliche Millionen Euro ausgegeben – vor allem für die Planung, aber auch für erste Bauarbeiten. Dieses Geld könnte verloren sein, wenn sich das Begehren durchsetzt. Das sind auch die Bedenken der SPD, die das Begehren darum nicht unterstützt.
Süßmair hält dem entgegen, dass die Stadtgesellschaft trotzdem die Möglichkeit haben müsse, zu entscheiden. Bei Stuttgart 21 habe es auch geheißen, dass Verzögerungen wegen der Proteste Verteuerungen nach sich ziehen würden. Die jetzigen Gesamtkosten lägen aber weit darüber, so Süßmair. „Das ist die Logik der Herrschenden und der Macht: ,Wir wissen alles besser und demokratische Prozesse verlangsamen die Dinge.‘“Peter Bommas, der das Begehren unterstützt und vor vier Jahren einer der Initiatoren des damaligen Begehrens war, sagt, dass man kein Vertrauen mehr in die Aussagen der Stadt habe. Der Kostendeckel von 186 Millionen Euro, auf den sich die Stadt in der Vergangenheit berief, interessiere heute niemanden mehr. Er glaubt auch an eine weitere Verteuerung beim Großen Haus. „Es kam schlimmer als befürchtet, also muss jetzt noch gehandelt werden.“Dass der Freistaat seine Zuschusszusagen an die bisherige Planung geknüpft habe, sei kein Argument, so Süßmair. „Handeln nach dem Motto ,Friss oder stirb‘ kommt nicht mehr gut an.“
Die damalige Bürgerbeteiligung, deren Ergebnisse mit einer Neuplanung nicht mehr eins zu eins umsetzbar sein könnten, sehen die Initiatoren äußerst kritisch. „Sie hat dazu gepasst, wie die Kosten schöngerechnet wurden. Das war ein Wunschkonzert von Theaterfans unter Ausschluss der Kritiker“, so Bommas. Diese Beteiligung nun als Legitimation für die Pläne heranzuziehen, wie es die Stadt tut, sei unpassend. Es sei um Fragen gegangen, ob im Foyer Lesungen stattfinden können, aber nie grundsätzlich um die Art von Theater.
Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) hatte Ende September in einer ersten Reaktion auf das Bürgerbegehren gesagt, dass sie Bürgerentscheide als demokratisches Beteiligungsformat respektiere. Allerdings habe der Stadtrat im Juli über die Fortsetzung der Sanierung entschieden. Das sei maßgeblich.
Damit ein Bürgerbegehren erfolgreich ist, müssen rund 11.000 Unterschriften gesammelt werden. Ist das Begehren rechtlich zulässig, muss der Stadtrat entscheiden, wie es weitergeht. Er kann Ziele eines Bürgerbegehrens übernehmen. Andernfalls läuft es auf eine Abstimmung der Bürger hinaus.
Unterstützt wird das Begehren von mehreren Organisationen und Einzelpersonen. Dazu zählen die Linke, die GEW, Augsburg in Bürgerhand, V-partei, der Kulturpark West und der Musikkultur-verein Kuki.