Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mit den Wolken um die Welt
Fliegen ist nicht in der Corona-krise? Mit dem „Microsoft Flight Simulator“schon. Die neue Version ist wieder ein detailverliebtes Schwergewicht, das es Einsteigern aber leicht machen will. Ein Jungfernflug
Einfach mal abheben und das mühsame Leben auf der Erdoberfläche hinter sich lassen! Die luftige Perspektive befreit, schafft ein Bewusstsein für die Schönheit unseres Planeten.
Leider steht es in den Sternen, ob man jemals wieder so frei rund um den Globus jetten kann wie noch vor wenigen Monaten. So gesehen erscheint die neue Version des legendären „Microsoft Flight Simulator“genau zur richtigen Zeit. Ganze 14 Jahre hat es gedauert, die erstmals Anfang 80er erschienene Reihe erneut über die Startbahn rollen zu lassen.
Die Software, die einen leicht wie einen Vogel schweben lässt, ist in vielerlei Beziehung ein Schwergewicht. 150 bis 200 Gbyte Speicherplatz beansprucht sie auf der Festplatte, mindestens. Wegen des schnelleren Datenzugriffs ist ein Ssd-modell zu empfehlen. Je mehr Platz darauf zur Verfügung steht, desto besser, zumal der „Flight Simulator“ein „work in progress“ist, an dem ständig weitergearbeitet wird.
Grundlage der teilweise fotorealistischen Grafik sind zwei Petabyte, also unglaubliche zwei Millionen Gigabyte, an Weltdaten und Luftbildern, die aus Microsofts Kartendienst Bing Maps stammen. Erfasst wurden rund zwei Millionen Städte, 45000 Flughäfen sowie sämtliche Straßen und Berge.
Einen halbwegs aktuellen PC braucht man schon, um all das auf den Monitor zu holen. Immerhin lässt sich der Detailgrad der Darstellung zurückschrauben, um die Hardwareanforderungen zumindest etwas abzusenken. Viele Berechnungen werden zudem an Microsofts Cloud-computing-server ausgelagert. Dort übernimmt eine Künstliche Intelligenz unter anderem die extrem aufwendige Platzierung von mehreren Milliarden Bäumen. Daten werden abgerufen, wenn sie gebraucht werden, also beim Überfliegen einer bestimmten Region. Das erfordert eine Internetverbindung mit mindestens 20, besser noch 50 Mbit/s.
Simulationsfans kann es nie realistisch genug sein. Deshalb werkelt die Aerosoft in Paderborn bereits an Zusatzsoftware, sogenannten Addons, mit denen sich noch mehr originalgetreue Flugzeugmodelle und Flughäfen integrieren lassen. Das Unternehmen ist seit Anfang der 90er Jahre darauf spezialisiert, die Welt des Verkehrs in digitaler Form nachzubilden. Die Flieger für den „Flight Simulator“werden mit Laserscannern exakt vermessen.
Die Detailversessenheit geht so weit, dass sogar die Geräusche der Schalter für jeden Flugzeugtyp aufgezeichnet werden. Für die Flughäfen verwenden die Programmierer hochauflösende Luftbilder. Flugtechnische Details wie Beleuchtung und Rollbahnmarkierungen werden aus offiziellen Luftfahrtkarten übernommen.
Wer sich in der Welt des „Flight Simulator“auskennt, könnte sich also fast schon in ein echtes Cockpit wagen. Nicht unterschätzen sollte man allerdings die Übungszeit, die man dafür investieren muss. Doch mit der richtigen Ausrüstung und den passenden Einstellungen landen auch Einsteiger nach ihren ersten Rundflügen sicher auf der digitalen Landebahn.
Besser als über Maus und Tastatur funktioniert die Steuerung mit einem Joystick. Der sollte mindestens drei Achsen und einen Schubregler haben. Alternativ tut es auch ein Game-controller. Den bekommt man schon ab etwa 35 Euro, für ein originalgetreues Steuerhorn samt Bordinstrumenten kann man aber auch schon mal Hunderte von Euro ausgeben.
Wer noch keine Erfahrungen mit Flugsimulatoren hat, sollte beim ersten Start unter „Optionen“und „Unterstützung“möglichst viele Einstellungen auf „einfach“stellen. Von den fünf Assistenten kann man sich in allen Belangen helfen lassen: bei der Steuerung über die Kontrolle der technischen Systeme bis hin zur Navigation. Man kann festlegen, ob das Flugzeug bei Abstürzen Schaden nimmt oder zu welchen Bereichen man direktes Feedback bekommen will. Nicht nur für Einsteiger nützlich ist die Pilotensteuerung. So hilft der „Checklisten-assistent“dabei, sich auch in fremden Cockpits mit den Instrumenten vertraut zu machen. Wer sich das erste Mal in die Lüfte schwingt, sollte sich auch bei Start und Landung helfen lassen. So kann der virtuelle Co-pilot die Flugsicherung und den Funkverkehr übernehmen. Den
Treibstoff sollte man anfangs auf „unbegrenzt“, das Wetter auf „klar“stellen. Kein Fluganfänger will mit fast leerem Tank in einen Gewittersturm geraten.
Auf alle Fälle empfiehlt es sich, zunächst die Flugschule zu durchlaufen und die Assistenten mit zunehmender Sicherheit nach und nach abzuschalten. Bevor man sich an wirklich große Vögel wie einen Airbus oder Kunstflugakrobaten wie die Pitts Special S2S wagt, sollte man es mit einer Cessna 152 versuchen. Doch auch der in Deutschland noch immer schwächelnde Breitbandausbau kann Bildschirmpiloten ins Trudeln bringen. Daher bietet es sich an, Geodaten von Orten, die man besuchen möchte, herunterzuladen. Dazu geht man im Hauptmenü zu „Optionen“, „Allgemeines“und „Daten“. Dort legt man die maximale Größe fest, die man auf der Festplatte dafür reservieren möchte und klickt auf „Cache erstellen“. Mit „Neue Region zwischenspeichern“lässt sich nun über das beim Heranzoomen eingeblendete Raster die gewünschte Region festlegen.
Ist man einmal in der Luft, wird man für all die Mühen mehr als entschädigt. Wer das Gefühl der Schwerelosigkeit stressfrei genießen will, schaltet einfach in den Drohnenmodus. Der lässt sich jederzeit während eines Flugs mit der Pausetaste aktivieren. Über die Kameraleiste oben kann man sich dann nach Belieben in der Welt umsehen. So viel Freiheit und Übersicht hat man noch nicht einmal in einem echten Flieger.
Am besten funktioniert die Steuerung per Joystick