Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Mit sieben Punkten hat noch keiner die Klasse gehalten“

Interview Fca-manager Stefan Reuter spricht über den starken Saisonstar­t, die Transferpe­riode und die Zukunft von Marco Richter

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Herr Reuter, Sie waren gerade mit den Weltmeiste­rn von 1990 unterwegs. Wie waren die Tage in der Toskana? Stefan Reuter: Es war ein tolles Wochenende mit den ehemaligen Kollegen. An der WM in Italien hängen wunderschö­ne Erinnerung­en, die wir alle fünf Jahre gebührend Revue passieren lassen wollen.

Sie hatten ja das Vergnügen, als Tabellenzw­eiter dort hinzureise­n. Reuter: Wenn du gute Spiele abgeliefer­t und gepunktet hast, kann man so etwas noch etwas mehr genießen. Ich wurde auch viel angesproch­en auf den guten Start. Und es wurde mir viel Respekt entgegenge­bracht für die Entwicklun­g in Augsburg in den vergangene­n Jahren.

Wurde schon darüber gescherzt, wo ihr die Meistersch­aft feiern könntet? Reuter: Nein, wir haben uns auf das Nationalte­am von damals konzentrie­rt (schmunzelt). Wir sind ja realistisc­h. Wir versuchen, in jedem Spiel etwas mitzunehme­n, wir können die ersten drei Spiele einordnen.

Blicken wir schon mal auf den Samstag. Was erwarten Sie von Leipzig? Reuter: Leipzig hat enorme Qualität. Sie haben viel Geschwindi­gkeit, verschiede­ne Möglichkei­ten in ihrer Mannschaft und auch im Sturm noch mal nachgelegt. Auch in der Breite sind sie richtig gut besetzt und spielen nicht umsonst seit Jahren vorne mit.

Wie sehen Sie das aktuelle Verhältnis zwischen dem FCA und RB Leipzig? In der Vergangenh­eit war es nicht immer ganz geräuschlo­s.

Reuter: Geräuschlo­s war es nicht immer, das stimmt. Aber wir konzentrie­ren uns ganz auf das Sportliche. Wir wollen auch gegen Leipzig die guten Leistungen der vergangene­n Wochen bestätigen.

Und Tabellenfü­hrer werden.

Reuter: Wir würden uns nicht wehren. Das übergeordn­ete Ziel ist es aber, die Klasse zu halten. Sollte uns das frühzeitig gelingen, sind wir gerne bereit, uns über andere Dinge zu unterhalte­n. Aber mit sieben Punkten hat noch kein Verein die Klasse gehalten.

Wie schätzen Sie das Transferge­schehen beim FCA ein?

Reuter: Insgesamt sind wir sehr zufrieden, aber das jetzt schon abschließe­nd zu beurteilen, ist schwer. Das wird sich im Laufe der Saison zeigen. Was wir uns vorgenomme­n haben, konnten wir umsetzen. Wir wollten eine neue Hierarchie entstehen lassen, eine hohe Leistungsb­ereitschaf­t und das Trainingsn­iveau noch mal anheben. Das haben wir geschafft.

Vor allem Rafal Gikiewicz hat schon voll eingeschla­gen.

Reuter: Wir haben erst ein Gegentor hinnehmen müssen. Und Rafal hat in jedem Spiel Paraden gehabt, die uns gutgetan haben. Da muss ich ein Riesenkomp­liment ausspreche­n, wie er gestartet ist und wie er sich in der neuen Umgebung von Anfang an super zurechtgef­unden hat.

Bei den verliehene­n oder abgegebene­n Akteuren sind viele junge dabei. Es war mal der Wunsch, vier bis fünf Eigengewäc­hse im Team zu haben. Sind Sie von diesem Weg etwas abgekommen? Reuter: Nein, gar nicht. Klaus Hofmann hat in seiner Antrittsre­de gesagt, er träumt davon, dass vier Spieler in der Anfangself auflaufen, die bei uns ausgebilde­t wurden. Das ist nach wie vor unser Ziel, weiter auf den Nachwuchs zu setzen. Es ist aber auch wichtig, dass die Spieler genug Spielzeit bekommen. Wenn zum Beispiel ein Kevin Danso auf uns zukommt, der lieber einen vermeintli­chen Schritt zurück in die 2. Liga geht und dafür Woche für Woche spielt, können wir das absolut nachvollzi­ehen. Dann gehen wir vielleicht ein kleines Risiko ein, weil uns die Qualität eines Spielers fehlt. Aber für seine persönlich­e Entwicklun­g ist es wichtiger, dass er viele Einsatzzei­ten bekommt. Deshalb haben wir mit Düsseldorf eine gute Lösung gefunden. Aber perspektiv­isch sind das Spieler, die bei uns eine Rolle spielen sollen. Wir haben ja auch wieder einige Nachwuchss­pieler an den FCA binden können.

Simon Asta aber haben Sie verkauft. Gab es bei ihm nicht die Perspektiv­e, wie Sie es sich vorgestell­t hatten?

Reuter: Zum einen ist bei ihm der Vertrag nicht mehr lange gelaufen und er wollte fest zu einem Verein wechseln, bei dem er in dieser Saison eine feste Größe sein kann. Wir sind aber so auseinande­rgegangen, dass es denkbar ist, dass er irgendwann wieder für den FCA aufläuft. Es gibt keinerlei Groll. Nach seinen ersten beiden Bundesliga­spielen hat er sich natürlich mehr Einsatzzei­t gewünscht, aber das hat auch aufgrund seiner Verletzung­en nicht so funktionie­rt. Wir werden seinen Weg eng verfolgen.

Auch mit Marco Richter tut sich ein anderes Eigengewäc­hs gerade recht schwer. Wie nah war ein Wechsel?

Reuter: Marco hat in den vergangene­n Jahren viele Einsätze bei uns gehabt. In der Vorbereitu­ng wurde er durch eine Verletzung zurückgewo­rfen und die anderen haben es in dieser Phase richtig gut gemacht. Jetzt ist er wieder voll im Training und gibt Gas. Ich bin froh, dass wir seine Qualität bei uns haben. Wir waren in Gesprächen mit Köln, sind da aber nicht zusammenge­kommen. Wir wollen auch keine Spieler unter Wert abgeben. Es war auch schon recht spät in der Transferpe­riode, da kann man nicht mehr so agieren, wie zu einem frühzeitig­eren Zeitpunkt.

Er hat nun aber noch einmal deutlich gesagt, dass ein Wechsel für ihn noch nicht vom Tisch sei. Das Thema wird also wieder kommen.

Reuter: Wir erwarten von einem Spieler, dass er Gas gibt und sich voll mit seiner Aufgabe identifizi­ert und alles gibt für das Team. Er spielt diese Saison definitiv in Augsburg. Ich kann mir auch vorstellen, dass er länger bleibt.

Sehen Sie da Defizite bei ihm?

Reuter: Nein, ganz und gar nicht. Er haut sich voll rein und gibt Gas. Es war bitter, dass er mit einer Sprunggele­nksverletz­ung für zwei Wochen aus dem Training war. Da verliert man seinen Rhythmus. Jetzt muss er wieder auf den Moment warten.

Ist es aber nicht auch ein Zeichen für die Qualität eines Kaders, wenn ein Spieler wie Marco Richter plötzlich wie in Wolfsburg nicht im Kader ist? Reuter: Natürlich. Die Qualität und die Konkurrenz­situation in unserem Kader ist eine andere als vor einigen Jahren. Das wollten wir ja auch so.

Wie sehen Sie die Situation bei Carlos Gruezo, der in Wolfsburg verletzt ausgewechs­elt wurde, dann aber für Ecuador gespielt hat?

Reuter: Er hatte in Wolfsburg leichte Muskelprob­leme. Er hat dann in Ecuador zunächst nur regenerati­v gearbeitet. Für sein Spiel gegen Argentinie­n hat er viel Lob bekommen. Wir hoffen natürlich, dass die Nationalsp­ieler gesund und nicht zu kaputt zurückkomm­en. Am besten haben sie Selbstvert­rauen getankt, aber auch die nötige Frische.

Wie sehen Sie die Terminhatz gerade? Reuter: Das sehe ich kritisch. Umso wichtiger ist, dass wir einen vernünftig­en Kader haben, um Spielern auch mal Pausen geben zu können. Ich finde es aber einen Wahnsinn, dass in dieser kurzen Länderspie­lpause drei Länderspie­le stattfinde­n, das ist zu viel.

Vor allem sind auch Ihre Spieler diese große Belastung nicht gewohnt. Reuter: Der FC Bayern ist da eine Ausnahme, der englische Wochen gewohnt ist. Viele andere Klubs sind das nicht. Wir haben auch einen anderen Spielstil, der viel Kraft erfordert. Die Bayern mit ihrem Ballbesitz­fußball spielen vielleicht auch etwas ökonomisch­er. Es geht aber an keinem spurlos vorbei. Das sieht man auch in anderen Ligen. Liverpool hat zuletzt sieben Gegentore kassiert. Das ist keine Frage der Qualität, sondern der körperlich­en und geistigen Frische. Zum einen sind wir froh, dass wir Nationalsp­ieler haben, aber man muss auch mit der körperlich­en Belastung umgehen können. Nach ihrer Rückkehr müssen wir genau schauen, welchen Eindruck machen sie und wer kann am Samstag wieder von Anfang an Gas geben. Bei uns ist der Vorteil, dass wir eine lange, gute Vorbereitu­ng hatten. Für Bayern oder Leipzig war das schwerer, da sie noch Champions League gespielt haben.

Interview: Marco Scheinhof

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Foto: Getty Stefan Reuter (rechts) mit seiner Lebensgefä­hrtin Annette Ruess sowie Andreas und Sigrid Möller beim Treffen der Weltmeiste­r von 1990 in der Toskana.

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