Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Sperrstund­e schmeckt den Gastronome­n nicht

Seit ein paar Tagen müssen Augsburger Wirte ihre Lokale früher schließen. Das bedeutet erneut wirtschaft­liche Ausfälle für die ohnehin durch Corona gebeutelte Branche

- VON MIRIAM ZISSLER

Für Christoph Steinle ist klar: „Die Sperrstund­e killt das Geschäft jetzt komplett.“Der Gastronom, der unter anderem die Blaue Kappe und das Oh Boi betreibt, ist genervt. Viele seiner Kunden arbeiten lange und besuchen seine Lokale meist erst gegen 20 Uhr. Nachdem Gastronomi­ebetriebe in Augsburg nun früher schließen müssen, befürchtet Steinle, dass einige Kunden gar nicht erst kommen. Aufgrund der Überschrei­tung des Corona-grenzwerte­s von 50 Fällen pro 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gilt in Augsburg derzeit noch folgende Regel: Von 23 Uhr bis 6 Uhr dürfen in allen Lokalen im gesamten Stadtgebie­t keine Speisen und Getränke mehr zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden. Gut möglich, dass sich diese Sperrstund­e durch Vorgaben des Freistaate­s sehr bald noch um eine Stunde verlängert.

Gastronom Steinle fühlt sich von der Politik ungerecht behandelt. „In Straßenbah­nen und Zügen quetschen sich die Schüler und Pendler hinein. Abstände können dort oft nicht eingehalte­n werden, aber das ist okay. Wir halten uns an Abstände und Hygienevor­schriften, aber uns wird ein Prügel zwischen die Beine geworfen.“Den Schwarzen Peter, dass die Gastronomi­e für ein erhöhtes Infektions­aufkommen verantwort­lich sein könnte, will er sich nicht zuschieben lassen. „Es war immer davon die Rede, dass die Infektions­zahlen im Herbst steigen werden. Mit der Sperrstund­e will die

Politik jetzt einfach Handlungsf­ähigkeit demonstrie­ren“, sagt er. Ändern werde das in seinen Augen aber nichts. Treffen von Freunden und Bekannten würden sich nun eben in den privaten Bereich verlagern und so viel weniger kontrollie­rbar sein. „Auf der anderen Seite wird eine ganze Branche nachhaltig zerstört.“Er befürchtet, dass die Infektions­zahlen die kommenden vier bis fünf Monate hoch sein werden und im kommenden Jahr viele Gastronomi­en vor dem Aus stünden. Steinle: „Wir können nur hoffen, dass die Menschen die Lokale nun einfach früher besuchen und ihre Gastronome­n so unterstütz­en.“

Eine Sperrstund­e ab 23 Uhr bedeute nicht automatisc­h, dass ein

Lokal leer sein müsse, erklärt Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU). „Ab 23 Uhr muss die Abgabe und damit der Bewirtungs­betrieb eingestell­t sein.“Die „schärfere“bayerische Variante, nach der die Sperrstund­e bereits um 22 Uhr beginnt, werde in Kürze auch in Augsburg eingeführt. Die Einhaltung wird von Polizei, Ordnungsdi­enst und Gaststätte­nkontrolle­uren überwacht, so Pintsch. Bei Nichteinha­ltung drohe je nach Umständen des Einzelfall­s eine mündliche Verwarnung oder die Verhängung eines Bußgeldes. Pintsch: „Nach dem aktuellen Bußgeldkat­alog bedeutet dies ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5000 Euro.“

Bereits die vergangene­n Monate hätten zu Veränderun­gen im Restaurant­betrieb geführt, weiß Dimitrios Karvouniar­is, Wirt der Taverna Ikaros in Pfersee. „Seit dem Lockdown kommen viele unserer Gäste abends früher und bleiben auch oft gar nicht so lange“, sagt er. Mit Sorge verfolgt er die Entwicklun­g der Infektions­zahlen. „Seit die Zahlen nach oben gegangen sind und die Maßnahmen verschärft wurden, haben wir einige Stornierun­gen bekommen. Die Menschen sind verunsiche­rt“, sagt er.

Die Einführung der bald verschärft­en Sperrstund­e würde zwangsweis­e ein wirtschaft­liches Minus bedeuten. „Das ist normalerwe­ise die Zeit, in der man noch einmal eine Flasche Wein bestellt“, sagt er. Anderersei­ts wäre es für ihn viel schlimmer, wenn die Lokale wieder ganz schließen müssten. Er habe im Frühjahr das Geschäft mit dem Speisenver­kauf zum Mitnehmen über Wasser halten können. „Meine Mitarbeite­r mussten in Kurzarbeit gehen. Das war schlimm“, sagt er.

An seine Mitarbeite­r denkt auch Sebastian Karner, der unter anderem das Weisse Lamm betreibt. Er beschäftig­e viele Studenten, die auf ihre Jobs angewiesen seien und als Mini-jobber nicht etwa Kurzarbeit­erlohn beziehen könnten. Die Auswirkung­en der verschärft­en Maßnahmen und der Sperrstund­e werden für ihn „dramatisch“sein. „Ich verstehe nicht, warum man jetzt so spät reagiert hat. Die große Politik hätte in den vergangene­n Wochen nicht nur reden, sondern handeln sollen“, sagt er. Nun werde versucht, mit einem umfangreic­hen Maßnahmenk­atalog gegenzulen­ken. „Am Ende wird man so nicht wissen, welche Maßnahmen überhaupt etwas geholfen haben. Das finde ich sehr unglücklic­h“, sagt er.

Eine Stornierun­g nach der anderen gehe gerade bei Tobias Emminger ein, der das Ofenhaus auf dem Gaswerkare­al betreibt. „Die Sperrstund­e ist eigentlich in einem Restaurant nicht kriegsents­cheidend, weil die Gäste ja bereits zuvor gegessen haben“, sagt er. Die Absagen hätten einen anderen Grund. „Die Menschen haben Angst. Das merken wir auch daran, dass viele bei uns anrufen und fragen, wie unsere Abstände geregelt und wie unsere Sicherheit­smaßnahmen sind.“

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Foto: Soeder, dpa (Symbol) Die Sperrstund­e macht Augsburger Wir‰ ten zu schaffen.

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