Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Köprozess beginnt heute
Pandemie Angesichts der steigenden Corona-zahlen fordern Vertreter der Schulen weitere Schritte von der Stadtverwaltung. Man gehe verantwortungsbewusst mit der Situation um, sagt Bildungsreferentin Martina Wild
Die Verhandlung um den Tod eines 49-Jährigen am Königsplatz beginnt wegen Corona unter besonderen Umständen. Das Gericht ist dafür eigens umgezogen.
Vor einer Woche wurde in Augsburg der Corona-grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner in sieben Tagen überschritten. Bildungsreferentin Martina Wild (Grüne) sagte damals, dass komplette und flächendeckende Schulschließungen so lange wie möglich vermieden werden sollen. Eine Woche später hat der Präsenzunterricht an den Schulen weiterhin Priorität – auch wenn der Inzidenzwert auf zwischenzeitlich 112,1 Neuinfektionen angestiegen ist. Schulvertreter sind aufgrund der Entwicklung der Meinung, dass man sich vonseiten der Stadt nun über weitere Schritte Gedanken machen sollte.
Die Stadt behält nach eigener Auskunft das Infektionsgeschehen und die Entwicklungen an den Schulen im Blick. Man gehe verantwortungsbewusst mit der Situation um, betont Bildungsreferentin Martina Wild (Grüne). Alle Schüler befänden sich aktuell im Präsenzunterricht vor Ort – abgesehen von den Klassen, für die es Quarantäneanordnungen gebe. Diese Regelung samt Maskenpflicht gelte seit vergangener Woche und bleibe weiterhin bestehen, auch wenn der Grenzwert inzwischen viel weiter überschritten sei.
Nach dem Drei-stufen-plan zum Unterrichtsbetrieb des Bayerischen Kultusministeriums könnte es in einer Kommune nach Überschreitung des Grenzwertes auch zu einer Teilung der Klassen und zu einem Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht kommen (Stufe drei). Das Überschreiten des Schwellenwertes führe aber nicht automatisch zur höheren Stufe. „Die endgültige Entscheidung hierüber trifft das zuständige Gesundheitsamt in Abstimmung mit der Schulaufsicht“, heißt es in dem Papier des Ministeriums.
„Mir ist klar, wie bedeutend das Präsenzlernen vor allem für die Bildungsgerechtigkeit, wie wertvoll das Miteinander in der Schule und in der Peergroup ist und wie wichtig der Schulalltag auch für die Eltern ist, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Deshalb haben wir uns bewusst für die verschärfte Stufe zwei entschieden“, argumentiert Bürgermeisterin Martina Wild. Der Freistaat habe inzwischen ebenfalls eine einheitliche Regelung getroffen und – wie beim Augsburger Weg – flächendeckend eine Maskenpflicht für alle Schularten ab dem Inzidenzwert 50 eingeführt. Für diese Entscheidung, dass etwa auch Grundschüler im Unterricht nun Masken tragen müssen, erntete das Augsburger Bildungsreferat auch Kritik. Im Internet gibt es bereits eine Onlinepetition eines Augsburgers, der die Abschaffung der Maskenpflicht an allen Schulen und Kindertagesstätten fordert.
Martina Wild: „Die Entscheidung, die Maskenpflicht für die Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangsstufen einzuführen, ist keine leichtfertig getroffene Entscheidung. Mir ist bewusst, dass dies keine einfache Situation für die Kinder, für die Eltern und natürlich auch für die Lehrkräfte ist. Natürlich verstehe ich die Sorgen der Eltern.“Gleichzeitig erreichten die Bildungsreferentin aber auch Rückvon Schulen und Eltern, die sich bedankten, dass der Präsenzunterricht so lange wie möglich aufrechterhalten werde. Die neuen Hygienemaßnahmen seien eine Entscheidung für den Präsenzunterricht gewesen. Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) ergänzt: „Die Anordnung einer Maskenpflicht ist ein entscheidender Einschnitt in den Alltag und das Schulleben. Aufgrund der stark steigenden Neuinfektionszahlen ist aber das Tragen von Mund- und Nasenbedeckungen die verträglichste und für alle Bürgerinnen und Bürger sowie Kinder im Vergleich am einfachsten umzusetzende Maßnahme.“
Nicht an allen Schulen wird das Festhalten am Präsenzunterricht begrüßt. Die Lehrer an der Mariaward-realschule wären inzwischen „echt am Limit“, betont Peter Kosak, Direktor des Schulwerks der Diözese Augsburg, der Träger der Realschule ist. Die Hälfte des Lehrerkollegiums befinde sich in Quarantäne – 26 von 52 Lehrkräften. Kosak: „Es ist eine Zumutung für die Lehrkräfte, die nun täglich zwei, drei Vertretungen übernehmen müssen. Die Sinnhaftigkeit von Präsenzunterricht kann in diesem Fall hinterfragt werden.“
Vergangene Woche war die Augsburger Realschule in die Bredouille geraten: Schüler der achten und sechsten Jahrgangsstufe wurden positiv auf das Coronavirus getestet – rund 250 der 720 Jugendlichen wurden daraufhin in Quarantäne geschickt. Die Lage hat sich nicht gebessert. Im Gegenteil. In dieser akuten Situation würde es Kosak befürworten, den Unterricht an der Realschule komplett auf Distanzunterricht umzustellen. Eine Teilung in Präsenz- und Distanzunterricht würde seiner Meinung nach zu keiner Linderung der Situation an der Realschule mehr führen. „Das würde in dem Fall die ganze haarige Situation noch verkomplizieren.“Den Anstieg des Sieben-tage-inzidenzwertes in Augsburg verfolge er mit Sorge. „Aufgrund der hohen Zahlen sollte die Stadt nun schon darüber nachdenken, wie sie weiter vorgemeldungen hen will. Die Schulen sollten nicht in Bedrängnis gebracht werden“, sagt Kosak.
Für Jürgen Denzel, Schulleiter des Maria-theresia-gymnasiums, ist Präsenzunterricht die „beste Lösung“. Er plädiert aber dafür, bei den hohen Infektionszahlen, eine Woche Distanzunterricht an die Allerheiligenund die Weihnachtsferien anzuhängen. „Das wäre keine Verlängerung der Ferien, sondern ein geplanter Distanzunterricht für alle Schüler der weiterführenden Schulen.“So könnte das Infektionsgeschehen beruhigt, der Personennahverkehr entlastet werden. Wild hält sich alle Möglichkeiten offen: „Wir werden weiterhin so verfahren, dass in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen entschieden wird, ob und wie wir den Präsenzunterricht an Schulen gewährleisten können oder ob, wenn nötig, ein gestaffelter Unterricht angeordnet wird. Hier stehen wir natürlich in Absprache mit dem Gesundheitsamt und den staatlichen Schulaufsichtsbehörden.“