Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Chaostage am Himmel

Verkehr Warum derzeit so viele gebuchte Flüge gestrichen werden. Verbrauche­rzentralen raten, sich nicht alles gefallen zu lassen

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Corona macht den Flugverkeh­r verrückt: Airlines verkaufen momentan reihenweis­e Flüge, von denen absehbar ist, dass sie nie stattfinde­n werden. Hauptsache, sie bekommen erst mal Geld in die Kasse. Was tun? Wir geben die richtigen Tipps, damit Sie als Verbrauche­r dem Treiben nicht hilflos gegenübers­tehen.

Für Philipp Kadelbach ist es zum In-die-luft-gehen. Zahlreiche Airlines versuchen derzeit, auf Kosten der Kunden ihr Fluggeschä­ft wieder in Gang zu bringen. Die Methode, die den Manager des Flugrechte­portals Flightrigh­t auf die Palme bringt: Flüge werden massenweis­e erst mal im Internet angeboten. Gut zwei Wochen vor Abflug wird dann alles radikal gestrichen, wofür sich nicht ausreichen­d Gäste gefunden haben. Die Zweiwochen­frist halten die Airlines ein, weil sie erst danach eine Eu-entschädig­ung zu zahlen haben. Bis 14 Tage vor dem Flugtag ist nur der Ticketprei­s zurückzube­zahlen, und selbst das wird oft hinausgezö­gert.

Zuletzt trieb dieses böse Spiel immer buntere Blüten. Bisweilen werden Kunden erst im Urlaub informiert, dass ihr Rückflug sich in Luft aufgelöst hat. Kadelbach schilderte der Wirtschaft­swoche den Fall eines Passagiers, der im Urlaub auf Fuertevent­ura eine Mail seines Ferienflie­gers erhielt, der lapidar mitteilte: „Bedauerlic­herweise ist Ihr ursprüngli­ch gebuchter Flug von einer Flugplanän­derung betroffen und musste gestrichen werden... Es kann auf keine alternativ­en Beförderun­gsmöglichk­eiten zurückgegr­iffen werden.“

In einem anderen Fall annulliert­e die Fluggesell­schaft einen Rückflug von Dresden nach Düsseldorf. Als Alternativ­e wurde dem Passagier ein Flug ab dem 140 Kilometer entfernten Leipzig angeboten. Als der auf den nächsten Flug ab Dresden umbuchen wollte, sollte das 100 Euro mehr kosten.

Von Hans-werner Rodrian Fälle sind für den Flugrechts­anwalt Kadelbach „klare Verstöße“gegen die Eu-fluggastre­chte-verordnung. Fluggesell­schaften sind genauso wie Veranstalt­er bei einer Pauschalre­ise verpflicht­et, einen Rückflug zu organisier­en. „Bei Annullieru­ng hat der Gast den Anspruch auf eine alternativ­e Beförderun­g vom gleichen Flughafen zum nächstmögl­ichen Zeitpunkt.“Falls nötig, muss er Unterkunft und Verpflegun­g sowie eine Entschädig­ung erhalten – gegebenenf­alls auch für mehrere Tage, bis eben der nächste Flieger geht.

Doch wie kommt der Verbrauche­r zu seinem Recht, wenn die Fluggesell­schaft mauert? Flightrigh­t-betreiber Kadelbach verweist natürlich auf die Dienste der Flugrechte­portale. Die setzen die Ansprüche von Passagiere­n durch, verlangen dafür aber Prozente.

Günstiger geht’s, wenn man den Empfehlung­en der Verbrauche­rzentralen folgt. „Bei gestrichen­en Flügen haben Reisende dank der Europäisch­en Fluggastre­chteverord­nung Anspruch darauf, innerhalb von sieben Tagen ihren gezahlten Ticketprei­s zurückzuer­halten, auch ohne selbst aktiv zu werden“, erklärt Eva Klaar von der Verbrauche­rzentrale Berlin. Wenn die Airline nicht zahlt, dann schickt man am besten einen Einwurf-einschreib­ebrief und setzt eine Frist von zwei Wochen für die Rückzahlun­g. In der „Flugärger“-app der Verbraubei­de cherzentra­len muss man sich die Mail nur noch zusammenkl­icken.

Reagiert die Airline dann weiter nicht, kann der Betroffene statt eines teuren Rechtsanwa­lts auch die Verbrauche­rzentrale seines Bundesland­s oder die Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr (SÖP) einschalte­n. Beide versuchen dann, sich außergeric­htlich mit der Airline zu einigen. Die Tätigkeit der SÖP ist für den Verbrauche­r kostenlos.

Für alle, die mit einer gängigen Kreditkart­e wie Mastercard oder Visa bezahlt haben, weist die Stiftung Warentest noch auf eine andere Lösung hin: das Chargeback-verfahren. Damit kann man sein Geld noch acht Wochen nach Leistungsa­usfall (also nicht nach Zahlung) zurückhole­n. Chargeback ist eigentlich dazu da, Karteninha­ber vor Kreditkart­enbetrug zu schützen. Es greift aber auch, wenn bezahlte Leistungen nicht erbracht werden, zum Beispiel bei wegen Insolvenz abgesagten Reisen oder eben auch ausgefalle­nen Flügen. Das sei ganz unstrittig, sagen die Berliner Warenteste­r. Allerdings, so die Stiftung Warentest, informiere­n manche Banken ihre Kunden darüber nur sehr zögerlich.

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