Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Feygele einsam beim Jubiläum

10. Neujahrsko­nzert in der leeren Synagoge

- VON ALOIS KNOLLER

Die Vorfreude war groß: Das zehnte Neujahrsko­nzert hätte die Klezmergru­ppe „Feygele“in der Synagoge zum Einstiegs ins jüdische Jahr 5781 gegeben. 150 Zuhörer hätten das Haus gefüllt. Doch die zugespitzt­e Pandemie-lage erzwang eine Absage an das Publikum. Das Jubiläumsk­onzert aber ließ sich „Feygele“nicht nehmen – in der menschenle­eren, etwas halligen Synagoge. Wenigstens als Video/audio-aufzeichnu­ng sollten es die Freunde des Ensembles hören können (Homepage: feygele-klezmer.jimdoofree.com).

„Willkommen zu unserem Geisterkon­zert“, eröffnete Christina S. Drexel trotzig den Abend. Das Beste aus zehn Jahren wolle man bieten. Also mischte sich im Programm Wohlbekann­tes mit Neuem und die acht Musiker arrangiert­en sich tapfer mit der misslichen Situation. Die Klezmer-formation leistet ein Doppeltes, sie intoniert einerseits jüdische liturgisch­e Gesänge und anderersei­ts feiert sie die pure Lebensfreu­de im wirbelnden Tanzschrit­t.

Dann streckt sich das Akkordeon von Franz Schlosser, der Kontrabass von Roland Höffner hüpft in Bocksprüng­en und die Klarinette von Gislinde Nauy treibt kräftig an. Da wird das ostjiddisc­he Schtetl „lebedik und freylekh“, lebendig und fröhlich. Und der angeblich stille Bulgar entfaltet ein feuriges Temperamen­t, das den Zuhörer einfach mitreißt. Ein wohliges Gefühl stellt sich auch ein, wenn ein russisch-jiddisches Tanzlied sich wogend wie eine Wolgawelle aus der Melancholi­e herausarbe­itet und Fahrt aufnimmt. Ausgerechn­et das Anatevka-medley ergeht sich indes in symphonisc­hem, modulierte­n Wohlklang, abgerundet und poliert ist das Aufmüpfige und Frech-vulgäre der Broadwayga­ssenhauer. Klavier (Ulrich Haaf), Violine (Kristina Dumont) und Viola (Michael Drexel) schwelgten im weichen, plüschigen Moll.

Redlich Mühe gab sich Christina Drexel, ihren strahlende­n Sopran in den schwierige­n akustische­n Gegebenhei­ten zur Geltung zu bringen. Die nötige Schalldämp­fung unter der Kuppel hätten die 150 Zuhörer hergestell­t. Im leeren Zustand litt die Textverstä­ndlichkeit erheblich. Trotzdem gelangen ihr anrührende Moment inniger Andacht („Von Generation zu Generation preisen wir“, „Unser Vater im Himmel“). Spürbar wurde die Sehnsucht der Frommen nach göttlicher Führung, die Segensbitt­e für das anbrechend­e neue Jahr und die Hingabe an die „Braut Schabbat“. Selbst Popsongs erhalten in Christina Drexels vokaler Interpreta­tion Tiefe und Glut.

Verständli­cherweise fehlte in dieser Kulisse die letzte Konzentrat­ion beim Spiel des Ensembles. Stabilisie­render Faktor war allemal das sichere rhythmisch­e Fundament von Schlagzeug­er Josef Strzegowsk­i, der ohne effekthasc­herische Attitüde die Möglichkei­ten der Percussion vom gebieteris­chen Polkatritt über sanftlyris­ches Murmeln bis zu zauberhaft­en Glöckchenk­lingeln ausschöpft­e.

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Foto: Susanne Zippe Ohne Zuhörer spielte das Ensemble Fey‰ gele in der Synagoge.

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