Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Tatort Friedhof: Mann steht wegen Diebstahl vor Gericht
Ein Täter bricht in Autos von Friedhofsbesuchern ein. Er könnte für fast 100 Fälle verantwortlich sein. Doch die Sache ist kompliziert
Fast 100 Fälle von Autoaufbrüchen auf Friedhofsparkplätzen verzeichnete die Polizei zwischen Juli und Oktober 2019 im gesamten süddeutschen Raum. Nun muss sich ein Autoverkäufer aus dem hessischen Fulda vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten, der zumindest einen Teil der Diebstähle aus den Fahrzeugen gestanden hat. Weil der 52-jährige Mann aber nur jene acht Aufbrüche und zwei Geldabhebungen zugibt, für die er zweifellos der Täter ist, weitere sehr ähnliche Delikte aber nicht, will das Schöffengericht Spezialisten der Kriminalpolizei und Datenanalysten anhören.
Unterlagen zu annähernd 100 Fällen hatte der Sachbearbeiter von der Kriminalpolizei als Zeuge mitgebracht, mit denen er sich monatelang befasst hatte. Fälle, bei denen sich die Tatausführung ähnelte: Jemand kommt mit seinem Fahrzeug zum Friedhofsparkplatz, schaut, dass er allein und unbeobachtet ist, schlägt die Seitenscheibe des Autos einer Friedhofsbesucherin ein und stiehlt Geld und Bankkarten aus Handtasche, Börse oder Ähnlichem.
Warum es der 52-jährige Angeklagte gewesen sein sollte? Die Polizei hat dazu laut dem Ermittler von Fall zu Fall verschiedene Indizien. So können Blutspuren an eingeschlagenen Autofenstern gesichert werden, deren DNA mit jener des Angeklagten identisch ist. Oder es gibt Zeugenhinweise auf ein schwarzes Quad mit Schwabmünchner Kennzeichen, wie es der Angeklagte besitzt. Oder es gibt Übereinstimmungen bei Funkzellenauswertungen von einem Tablet-computer des Angeklagten. Anhand solcher Daten kann der Polizist für manche Tage regelrechte Friedhofs-touren des mutmaßlichen Diebes nachvollziehen: Moosburg, Neufahrn, Eching, Kinding, Denkendorf, Ingolstadt inklusive zweiter Taten in Markt Indersdorf und Erdweg.
Bei Abhebeversuchen mit gestohlenen Karten an Geldautomaten wird mehrfach der gleiche Motorradhelm-träger mit einem blauen Hemd gefilmt. Beispielsweise gelangt der Angeklagte im September 2019 in der Gögginger Friedrichebert-straße bei zwei Abhebungen mit der Karte einer Augsburger Friedhofsbesucherin an je 1000 Euro. Die Frau hatte – wie manch andere Bestohlene – die Karte gemeinsam mit der Geheimzahl im Auto aufbewahrt. Zudem verfolgte die Polizei den Tatverdächtigen direkt: so bei einem Autoaufbruch im Oktober am Friedhof von Gundelfingen (Kreis Dillingen), wo ein Beamter vor Ort ist. Schließlich wird der Mann am 17. Oktober 2019 festgenommen und bleibt für fast zehn Monate in Untersuchungshaft. Bei einer Wohnungsdurchsuchung werden bei ihm unter anderem Geldkarten von Bestohlenen und ein Motorradhelm gefunden. Angeklagt wird der 52-Jährige für 20 Autoaufbrüche und vier Fälle des Computerbetrugs, wie die unberechtigten Geldabhebungen juristisch genannt werden. Zehn Taten hatte der 52-Jährige der Polizei gestanden.
Ein zu Beginn des Verfahrens von Rechtsanwalt Hansjörg Schmid angeregtes Rechtsgespräch zwischen Schöffengericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung bleibt ohne Ergebnis. Ebenso wie die Versuche von Richterin Silvia Huber, das Verfahren bereits am ersten Verhandlungstag zum Abschluss zu bringen. Denn Staatsanwältin Eva Gofferje möchte auf keinen Fall noch mehr der nur noch 20 angeklagten Taten eingestellt wissen. Sie besteht darauf, die Auswertung des beschlagnahmten Mobiltelefons des Angeklagten vor Gericht anzusehen. Das Problem: Der Angeklagte will sich nicht mehr an sein Kennwort erinnern können, der Zugang zum Gerät muss also von Experten ermöglicht werden. Erst dann könnte aufgrund der Daten entschieden werden, ob dem Mann weitere der nicht gestandenen Fälle angelastet werden können. Der Angeklagte nannte Geldmangel als Grund für sein Handeln. Das Verfahren wird Ende Oktober fortgesetzt.