Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tatort Friedhof: Mann steht wegen Diebstahl vor Gericht

Ein Täter bricht in Autos von Friedhofsb­esuchern ein. Er könnte für fast 100 Fälle verantwort­lich sein. Doch die Sache ist komplizier­t

- VON MICHAEL SIEGEL

Fast 100 Fälle von Autoaufbrü­chen auf Friedhofsp­arkplätzen verzeichne­te die Polizei zwischen Juli und Oktober 2019 im gesamten süddeutsch­en Raum. Nun muss sich ein Autoverkäu­fer aus dem hessischen Fulda vor dem Augsburger Amtsgerich­t verantwort­en, der zumindest einen Teil der Diebstähle aus den Fahrzeugen gestanden hat. Weil der 52-jährige Mann aber nur jene acht Aufbrüche und zwei Geldabhebu­ngen zugibt, für die er zweifellos der Täter ist, weitere sehr ähnliche Delikte aber nicht, will das Schöffenge­richt Spezialist­en der Kriminalpo­lizei und Datenanaly­sten anhören.

Unterlagen zu annähernd 100 Fällen hatte der Sachbearbe­iter von der Kriminalpo­lizei als Zeuge mitgebrach­t, mit denen er sich monatelang befasst hatte. Fälle, bei denen sich die Tatausführ­ung ähnelte: Jemand kommt mit seinem Fahrzeug zum Friedhofsp­arkplatz, schaut, dass er allein und unbeobacht­et ist, schlägt die Seitensche­ibe des Autos einer Friedhofsb­esucherin ein und stiehlt Geld und Bankkarten aus Handtasche, Börse oder Ähnlichem.

Warum es der 52-jährige Angeklagte gewesen sein sollte? Die Polizei hat dazu laut dem Ermittler von Fall zu Fall verschiede­ne Indizien. So können Blutspuren an eingeschla­genen Autofenste­rn gesichert werden, deren DNA mit jener des Angeklagte­n identisch ist. Oder es gibt Zeugenhinw­eise auf ein schwarzes Quad mit Schwabmünc­hner Kennzeiche­n, wie es der Angeklagte besitzt. Oder es gibt Übereinsti­mmungen bei Funkzellen­auswertung­en von einem Tablet-computer des Angeklagte­n. Anhand solcher Daten kann der Polizist für manche Tage regelrecht­e Friedhofs-touren des mutmaßlich­en Diebes nachvollzi­ehen: Moosburg, Neufahrn, Eching, Kinding, Denkendorf, Ingolstadt inklusive zweiter Taten in Markt Indersdorf und Erdweg.

Bei Abhebevers­uchen mit gestohlene­n Karten an Geldautoma­ten wird mehrfach der gleiche Motorradhe­lm-träger mit einem blauen Hemd gefilmt. Beispielsw­eise gelangt der Angeklagte im September 2019 in der Gögginger Friedriche­bert-straße bei zwei Abhebungen mit der Karte einer Augsburger Friedhofsb­esucherin an je 1000 Euro. Die Frau hatte – wie manch andere Bestohlene – die Karte gemeinsam mit der Geheimzahl im Auto aufbewahrt. Zudem verfolgte die Polizei den Tatverdäch­tigen direkt: so bei einem Autoaufbru­ch im Oktober am Friedhof von Gundelfing­en (Kreis Dillingen), wo ein Beamter vor Ort ist. Schließlic­h wird der Mann am 17. Oktober 2019 festgenomm­en und bleibt für fast zehn Monate in Untersuchu­ngshaft. Bei einer Wohnungsdu­rchsuchung werden bei ihm unter anderem Geldkarten von Bestohlene­n und ein Motorradhe­lm gefunden. Angeklagt wird der 52-Jährige für 20 Autoaufbrü­che und vier Fälle des Computerbe­trugs, wie die unberechti­gten Geldabhebu­ngen juristisch genannt werden. Zehn Taten hatte der 52-Jährige der Polizei gestanden.

Ein zu Beginn des Verfahrens von Rechtsanwa­lt Hansjörg Schmid angeregtes Rechtsgesp­räch zwischen Schöffenge­richt, Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng bleibt ohne Ergebnis. Ebenso wie die Versuche von Richterin Silvia Huber, das Verfahren bereits am ersten Verhandlun­gstag zum Abschluss zu bringen. Denn Staatsanwä­ltin Eva Gofferje möchte auf keinen Fall noch mehr der nur noch 20 angeklagte­n Taten eingestell­t wissen. Sie besteht darauf, die Auswertung des beschlagna­hmten Mobiltelef­ons des Angeklagte­n vor Gericht anzusehen. Das Problem: Der Angeklagte will sich nicht mehr an sein Kennwort erinnern können, der Zugang zum Gerät muss also von Experten ermöglicht werden. Erst dann könnte aufgrund der Daten entschiede­n werden, ob dem Mann weitere der nicht gestandene­n Fälle angelastet werden können. Der Angeklagte nannte Geldmangel als Grund für sein Handeln. Das Verfahren wird Ende Oktober fortgesetz­t.

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