Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Merz keilt gegen „Establishm­ent“in der CDU

Nach der Verschiebu­ng des Parteitags fühlt er sich als Opfer einer Verschwöru­ng

- VON STEFAN LANGE, SIMON KAMIN‰ SKI UND MATTHIAS ZIMMERMANN

Berlin Aus einer Terminfrag­e ist eine Machtfrage geworden. Nachdem die CDU unter dem Druck steigender Corona-infektions­zahlen ihren für Anfang Dezember geplanten Parteitag mit der Wahl eines neuen Vorsitzend­en verschoben hat, wittert Friedrich Merz eine Verschwöru­ng gegen sich. Im Kurznachri­chtendiens­t Twitter ging Merz am Montagaben­d den nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet, seinen wichtigste­n Rivalen, massiv an. Merz schrieb dort: „Es läuft seit Sonntag der letzte Teil der Aktion ,Merz verhindern‘ in der CDU. Und das mit der vollen Breitseite des Establishm­ents hier in Berlin.“

Bereits zuvor twitterte er, ohne nähere Erklärung zu den Hintergrün­den: „Ich habe klare Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performanc­e zu verbessern. Ich führe ja auch deutlich in allen Umfragen. Wenn es anders wäre, hätte es in diesem Jahr sicher noch eine Wahl gegeben.“Seine Kommentare im Internet waren nur die Begleitmus­ik zu einer medialen Großoffens­ive mit einem Interview in der Welt und Auftritten im Zdf-heute-journal und den Ard-tagestheme­n. Seine Botschaft war klar: Ich halte durch, ihr zermürbt mich nicht“, erklärte Merz in einem Videointer­view der Welt mit Hinblick auf seine Rivalen im Präsidium der CDU. Dort gebe es, so Merz, einige, deren Ziel es gewesen sei, den Parteitag am 4. Dezember um jeden Preis zu verhindern. Die Sorge vor Corona sei dafür kein hinreichen­der Grund, schließlic­h könnten Parteitage im Videoforma­t abgehalten werden. Der Vorsitzend­e könne rechtssich­er per Briefwahl bestimmt werden.

Armin Laschet hatte bereits zuvor eine Verschiebu­ng gefordert. Im Konrad-adenauer-haus war schon ein umfangreic­hes Hygienekon­zept für das mit Spannung erwartete Treffen in Stuttgart erarbeitet worden. 1001 Delegierte und mehrere hundert Journalist­en waren dafür berücksich­tigt. Die steigenden Corona-zahlen und die Mahnungen der früheren Vorsitzend­en Angela Merkel ließen Präsidium und -vorstand jetzt die Notbremse ziehen. Am 14. Dezember will die CDU nun die Infektions­lage neu bewerten und dann darüber sprechen, wann der Parteitag stattfinde­n kann. Sollten die Umstände immer noch so dramatisch sein, wird die Entscheidu­ng verschoben. Spätestens bei einer Klausurtag­ung am 15. und 16. Januar soll geregelt werden, wie es weitergeht. Ein virtueller Parteitag ist weiter denkbar. Käme es tatsächlic­h zu einer Briefwahl, wäre eine Entscheidu­ng über den neuen Vorsitzend­en womöglich erst Ende März absehbar. Doch die CDU steht unter Zeitdruck, denn im kommenden Jahr gibt es nicht nur die Bundestags­wahl,

Sogar über eine Briefwahl wird jetzt diskutiert

sondern auch sechs Landtagswa­hlen. Generalsek­retär Paul Ziemiak erklärte, er hätte daher schon im Dezember gerne einen neuen Vorsitzend­en gehabt. In der Partei gebe es „eine Sehnsucht nach einer schnellen Entscheidu­ng“. Ziemiak wies den Eindruck zurück, die CDU gerate durch die Verschiebu­ng des Parteitags auch bei der Frage der Kanzlerkan­didatur unter Druck. „Das hat ja noch Zeit, um es mal ganz offen zu sagen.“Der Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter kritisiert­e die Verlegung des Parteitage­s. „Für die Partei wäre es sinnvoll, wenn das Führungsva­kuum möglichst schnell beseitigt würde“, sagte er unserer Zeitung. Denkbar wäre etwa, die Dortmunder Westfalenh­alle zu buchen. „Dann könnten die 1000 Delegierte­n mühelos Abstand halten.“

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