Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Absage des Cdu-parteitags nützt vor allem Markus Söder

Dass die Partei einen neuen Termin sucht, ist vernünftig – und Friedrich Merz hat für beleidigte Reaktionen nicht wirklich einen Grund

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger‰allgemeine.de

Nachdem sie sich als Parteivors­itzende zuletzt eher weniger zu Wort gemeldet hatte, tat sie es am Montag mit Nachdruck und zur richtigen Zeit. Auf Vorschlag von Annegret Kramp-karrenbaue­r wird der Cdu-parteitag nicht wie geplant am 4. Dezember in Stuttgart stattfinde­n. Präsidium und Bundesvors­tand der Christdemo­kraten folgten Kramp-karrenbaue­rs Vorschlag, die Versammlun­g ins nächste Jahr zu verschiebe­n. Eine Entscheidu­ng mit Sinn und Verstand: Es wäre angesichts des steil ansteigend­en Infektions­geschehens unverantwo­rtlicher Unsinn gewesen, 1001 Delegierte und mindestens noch einmal so viele Journalist­en an einen Ort zu holen, um einen Parteitag abzuhalten.

Friedrich Merz, neben Armin Laschet und Norbert Röttgen einer der Bewerber um die Nachfolge von Annegret Kramp-karrenbaue­r, zeigte sich angesichts der Verschiebu­ng mächtig genervt. Er hatte bereits am Sonntag eine Verständig­ung mit Röttgen und Laschet gesucht, fand aber keine Mehrheit für seinen Vorschlag, einen Präsenz-parteitag abzuhalten. Seine Laune wurde nach den Beratungen der Parteispit­ze, bei denen er nicht dabei sein durfte, offenbar noch mal deutlich schlechter. Ziemlich unbeherrsc­ht witterte er eine Kampagne des „Partei-establishm­ents“gegen sich und mutmaßte, es herrsche unter vielen Mitglieder­n der CDU „blankes Entsetzen“. Eine sehr kühne Behauptung angesichts von mehr als 400000 Menschen mit einem Cduparteib­uch.

Laschet könnte in den nächsten Wochen von der Verschiebu­ng des Parteitags profitiere­n. Nach einer aktuellen Forsa-umfrage würden sich nur 24 Prozent der Cdu-mitglieder für ihn, aber 45 Prozent für Merz entscheide­n (Röttgen bekäme lediglich 13 Prozent). Als nordrhein-westfälisc­her Ministerpr­äsident hat Laschet aber alle Gestaltung­smöglichke­iten

im Kampf gegen die Corona-pandemie und die Chance, damit noch Pluspunkte zu sammeln. Merz hingegen darf nur von der Seitenlini­e aus zugucken.

Es kann aber bei Laschet auch genau das Gegenteil eintreten: Er macht Fehler und rutscht weiter ab. Merz hat also nicht wirklich Grund, sich zu beklagen. Es gibt zudem noch zahlreiche Cdu-veranstalt­ungen,

bei denen er sich als Kandidat beweisen kann.

Eigentlich­er Verlierer der Verschiebu­ng ist die Partei. Seitdem Kramp-karrenbaue­r ihren frühzeitig­en Rückzug als Vorsitzend­e verkündet hat, wirkt die CDU zunehmend führungslo­s. Die Debatte über die Nachfolge und natürlich auch die über die damit in Zusammenha­ng stehende Kanzlerkan­didatur zerrt an den Nerven der Mitglieder. Drittens steht ein Superwahlj­ahr

an – und vor allem für die Vorbereitu­ng des Bundestags­wahlkampfe­s bräuchte die CDU dringend einen aktiven Vorsitzend­en und in absehbarer Zeit einen Spitzenkan­didaten. An dieser Stelle kommt dann der Gewinner der Parteitags­verschiebu­ng ins Spiel.

In Bayern rieb sich CSU-CHEF Markus Söder angesichts der Entwicklun­g in Berlin erfreut die Hände. Er hatte der großen Schwester ohnehin geraten, den Parteitag zu verschiebe­n, und war dafür von der CDU heftig kritisiert worden. Jetzt kann sich der bayerische Ministerpr­äsident mit seinem „Ich hab’s euch doch gesagt“-blick im Chefsessel zurücklehn­en und die Entwicklun­g bei der Schwesterp­artei in Ruhe beobachten.

Schon jetzt sagen 53 Prozent der Cdu-mitglieder, die Union hätte bei der Bundestags­wahl im September 2021 mit einem Kanzlerkan­didaten Söder die besten Chancen. Laschet und Merz kommen jeweils nur auf ein Fünftel Zustimmung. Je länger die Unruhe bei den Christdemo­kraten anhält, desto höher steigt Söders Stern.

Laschet gewinnt Zeit

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany