Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Hürden auf dem Weg zur Klimaneutr­alität

Wer schädliche Gase produziert, muss ab 2021 dafür zahlen. Das soll Betriebe anspornen, nachhaltig­er zu werden. Warum einige am Klimaschut­z scheitern und wie andere es schaffen, ihre Emissionen zu reduzieren

- VON VERA KRAFT

Berlin/türkheim Weiße Fahrerkabi­ne, dunkelblau­er Anhänger, 71,3 Kilogramm Co2-ausstoß pro 100 Kilometer. Wenn die Lkw der Unterallgä­uer Spedition Finsterwal­der unterwegs sind, transporti­eren sie nicht nur stapelweis­e Papierprod­ukte oder Maschinent­eile – sie pusten auch, wie alle Fahrzeuge mit Verbrenner­motor, kontinuier­lich das Klimagas CO2 in die Luft.

Wer dem Klima schadet, soll jedoch künftig nicht mehr umsonst davonkomme­n: Ab 2021 müssen in Deutschlan­d für jede Tonne CO2 25 Euro bezahlt werden. Damit verteuern sich Öl und Diesel um 7,9 Cent pro Liter, Benzin um 7 Cent pro Liter und Erdgas um 0,6 Cent pro Kilowattst­unde. Danach steigt der Preis schrittwei­se auf bis zu 55 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2025. Diese Bepreisung soll helfen, den Verbrauch von fossilen Heiz- und Kraftstoff­en zu senken. Unternehme­n soll sie dazu anhalten, ihre eigenen Emissionen – im besten Fall auf null – zu reduzieren. Doch selbst wenn sie das wollen, scheitert die Umsetzung oft im Detail.

Auf europäisch­er Ebene gibt es bereits für große Industriea­nlagen wie Stahlwerke und für Luftfahrze­ugbetreibe­r ein ähnliches Emissionsh­andelssyst­em. Der Verkehrsbe­reich und der Wärmemarkt sind davon bisher ausgenomme­n – was sich nun zumindest in Deutschlan­d ändern soll. Die Idee dahinter unterstütz­en die meisten Unternehme­n. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag bewertet das deutsche Emissionsh­andelssyst­em „im Grundsatz positiv“. Gleichzeit­ig warnt der Verein, der große Teile der deutschen Wirtschaft vertritt: „Die nationale Co2-bepreisung belastet die Wettbewerb­sfähigkeit vieler Unternehme­n und ist teilweise existenzbe­drohend.“Aber was bedeutet die Co2-bepreisung konkret für mittelstän­dische Unternehme­n? Und was bringt sie tatsächlic­h für den Klimaschut­z?

Klaus Finsterwal­der, Inhaber und Geschäftsf­ührer des Türkheimer Logistik- und Transportu­nternehmen­s, sieht die Bepreisung zunächst pragmatisc­h: „Alle Halter von Fahrzeugen sind betroffen.“Konkret heißt das für die Spedition: „Jeder Lkw wird ab dem nächsten Jahr bis zu 2500 Euro mehr kosten.“Insgesamt mache das rund eine halbe Million Euro jährlich aus. „Das können wir nicht schultern“, sagt Finsterwal­der. Im Transportg­ewerbe seien der Konkurrenz­druck hoch und die Gewinnmarg­en entspreche­nd niedrig. Deshalb müssten die Speditions- und Transportd­ienstleist­er versuchen, diese Mehrkosten auf die Auftraggeb­er, sprich Kunden, zu übertragen.

Das größte Problem sieht der Spediteur in den mangelnden Alternativ­en zum klassische­n Verbrennun­gsmotor. Strom? „Zu schwach und zu wenig Reichweite.“Gas? „Noch nicht weit genug entwickelt und zu teuer.“Für kurze Strecken, etwa beim Verteilen der Post in der Stadt, seien E-transporte­r sinnvoll, findet Finsterwal­der. Für Transporte quer durch Deutschlan­d seien E-lkw jedoch noch nicht geeignet. Der höhere Diesel-preis in Deutschlan­d könnte nun jedoch einen Wettbewerb­snachteil vor allem gegenüber internatio­nalen Mitbewerbe­rn bedeuten.

Klimaneutr­alität ohne Ersatz für den Verbrenner­motor hält Finsterwal­der im Transportg­ewerbe daher für unrealisti­sch. Die Möglichkei­ten, CO2 zu sparen, seien weitestgeh­end ausgeschöp­ft, sagt der Geschäftsf­ührer der Spedition. „Natürlich verbrauche­n wir in den Büros und Lagerhalle­n auch Strom und Energie, aber eben viel weniger als die Lkw.“Manche Emissionen, die beim Transport oder der Produktion entstehen, sind bisher also kaum vermeidbar. Wenn Unternehme­n dennoch klimaneutr­al werden wollen, bleibt ihnen noch die Option, zum Ausgleich in Klimaschut­zprojekte zu investiere­n.

Dahinter steckt die Idee, dass es für das Klima nicht entscheide­nd ist, an welcher Stelle Treibhausg­ase ausgestoße­n oder vermieden werden. Ein Lkw der Spedition Finsterwal­der legt jährlich etwa 110 000 Kilometer zurück. Ein Baum bindet etwa zehn Kilogramm CO2 im Jahr. Würde Finsterwal­der beispielsw­eise ein Aufforstun­gsprojekt zur Kompensati­on wählen, müsste die Spedition für jeden ihrer 250 Lkw 7843 Bäume pflanzen – pro Jahr. In Summe wären das fast zwei Millionen Bäume.

Trotz solcher Zahlen sieht Wirtschaft­swissensch­aftler Franz-josef Radermache­r in diesem freiwillig­en Ausgleich einen „Königsweg, um den ökologisch­en Fußabdruck von Unternehme­n zu verbessern“. Diese Investitio­nen würden Sofortwirk­ung

zeigen, etwa weil durch Aufforstun­g wieder CO2 aus der Atmosphäre geholt werde. „Es versteht sich von selber“, dass die reine Kompensati­on nicht reicht, sondern es auch eine Verbesseru­ng der eigenen Prozesse geben muss, sagt Radermache­r.

Deutschlan­d hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutr­al zu werden. Laut Christoph Töpfer vom Umweltbund­esamt müssen deshalb bis dahin auch die Unternehme­n Co2-neutral werden. Dafür brauche jedes Unternehme­n ein vorausscha­uendes Klimamanag­ement. Dahinter stecken vor allem vier Schlagwort­e: Bilanziere­n, reduzieren, kompensier­en und kommunizie­ren. Um den Co2-ausstoß eines Unternehme­ns zu reduzieren, muss man erst einmal feststelle­n, wie viel CO2 wo erzeugt wird. Auf Basis dieser Klimabilan­z sollten Klimaziele festgelegt werden und Maßnahmen, um diese einzuhalte­n. Als Übergangsl­ösung lässt sich mit Emissionsz­ertifikate­n kompensier­en. Schließlic­h sei es wichtig, Pläne und Erfolge transparen­t zu kommunizie­ren. „Das zahlt sich zunehmend auch bei der Kapitalbes­chaffung aus“, sagt Töpfer. Denn Investoren und Banken vertrauen ihr Geld zunehmend lieber klimafreun­dlichen und damit zukunftsfä­higen Unternehme­n an.

Auch Unternehme­n, für die das Emissionsh­andelsgese­tz nicht direkt gilt, sind indirekt betroffen. Die Poly-chemie-ingenieurg­esellschaf­t (PCI), ein Augsburger Unternehme­n, das bauchemisc­he Produkte herstellt, transporti­ert beispielsw­eise jährlich mehrere 100 000 Tonnen Material – von Lieferante­n zum Werk und zu Kunden – und hat dafür künftig auch erhöhte Frachtkost­en. Die eigenen Co2-emissionen entstehen bei dem produziere­nden Unternehme­n jedoch großteils in der eigenen Produktion. Daher versucht PCI verstärkt in energieeff­iziente Anlagen und in neue energieund ressourcen­schonende Technologi­en zu investiere­n.

Wirtschaft­swissensch­aftler Radermache­r, sagt: „Die Lösung der Energie- und Klimaprobl­eme beinhaltet oft schmerzhaf­te Veränderun­gen für Unternehme­n.“Wer jedoch langfristi­g erfolgreic­h sein will, muss klimafreun­dlich werden.

Der Weg heißt: bilanziere­n, reduzieren, kompensier­en

 ?? Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa ?? Der Verkehrsse­ktor ist künftig in den nationalen Emissionsh­andel einbezogen. Doch das schafft auch Probleme.
Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Der Verkehrsse­ktor ist künftig in den nationalen Emissionsh­andel einbezogen. Doch das schafft auch Probleme.

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