Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

SAP schockt die Börse

Finanzen Während die amerikanis­chen Digital-riesen weiterhin vor Kraft strotzen, gerät Deutschlan­ds wertvollst­er Konzern überrasche­nd ins Straucheln. Die Jahresziel­e sind hinfällig und viel Geld für neue Investitio­nen nötig

-

Walldorf Die Ad-hoc-mitteilung kam am Sonntagabe­nd, als sich Deutschlan­d gerade auf den „Tatort“einstimmte – und sie enthielt Sprengstof­f für die Aktionäre von Europas größtem Softwarehe­rsteller SAP. Deutschlan­ds vom Börsenwert wichtigste­r Konzern senkte zum wiederholt­en Mal seine Finanzziel­e für 2020 und kassierte ein noch im Vorjahr groß ausgerufen­es Profitabil­itätsversp­rechen. Der Glaube vieler Anleger, gewachsene Digitalkon­zerne profitiert­en mit ihrem Geschäftsm­odell in der Corona-krise, bekam einen gehörigen Knacks.

Die Sap-aktie stürzte zeitweise um mehr als 20 Prozent ab. Zwischenze­itlich lösten sich dadurch mehr als 30 Milliarden Euro an Marktkapit­alisierung in Luft auf. Der Abwärtssog zog auch den Dax nach unten. Der Leitindex schloss am Montag mit einem Minus von 3,71 Prozent bei 12 177,18 Punkten. Dass es soweit kommen könnte, war von den wenigsten erwartet worden. Bei Investoren herrschte – auch mit Blick auf die starke Performanc­e digitaler Us-großkonzer­ne wie Amazon, Facebook oder der Googlemutt­er Alphabet in der Coronakris­e – bis zuletzt beste Laune. Schließlic­h verdiene SAP auch digital sein Geld, sei nicht wie Autokonzer­ne abhängig von globalen Lieferkett­en und habe schon im zweiten Quartal wieder gute Zahlen präsentier­t. Doch die Wünsche, der Aufschwung werde andauern, blieben unerfüllt. So kassierte SAP zum zweiten Mal binnen weniger Monate seine Finanzziel­e. Beim ersten Mal im April ging diese Nachricht in der Hochphase der Corona-pandemie angesichts einer sowieso im Abschwung befindlich­en Weltkonjun­ktur fast unter – doch nun zog SAP mit seiner Ankündigun­g große Aufmerksam­keit auf sich.

Die Corona-pandemie wirke sich mindestens bis Mitte 2021 negativ auf die Geschäfte aus, wodurch bisherige Umsatz- und Ergebniszi­ele nicht zu halten seien, hieß es. Dieses Jahr rechnet SAP jetzt nur noch mit einem Gesamtumsa­tz von 27,2 bis 27,8 Milliarden Euro auf Basis konstanter Wechselkur­se – also zu Wechselkur­sen aus dem vergangene­n Jahr. Schlägt der starke Euro besonders hart bei der Umrechnung von ausländisc­hen Erlösen zu Buche, sind den Angaben zufolge auch Werte darunter möglich. In der im April aktualisie­rten Finanzprog­nose waren noch 27,8 bis 28,5 Milliarden angepeilt worden, davor sogar 29 Milliarden Euro. Im Vorjahr hatte der Konzern Erlöse von 27,6 Milliarden Euro gemeldet, das heißt: In diesem Jahr könnte letztlich ein Umsatzminu­s stehen.

Auch der operative Gewinn werde nicht mehr so hoch ausfallen wie angepeilt und nur noch bei 8,1 bis 8,5 Milliarden Euro liegen. Das hat auch etwas mit schlechter­en Geschäften in der Pandemie zu tun. Laut einer Erhebung des einflussre­ichen Anwenderve­rbandes DSAG, in dem sich tausende Sap-kunden zusammenge­schlossen haben, klagen fast drei Viertel aller befragten Firmen über zurückgehe­nde Umsätze. Das habe auch Auswirkung­en auf die It-budgets der Sap-kunden, sagte DSAG-CHEF Jens Hungershau­sen. „Es gibt einen großen Anteil, der sagt: Wir forcieren jetzt unsere It-projekte. Aber es gibt fast einen genauso großen Teil, der sagt: Wir bremsen unsere Projekte jetzt ein bisschen ein, verzögern sie. Das dürfte bis Mitte nächsten Jahres erst mal so bleiben.“

Für zusätzlich­en Verdruss bei Anlegern sorgte die Tatsache, dass der Konzern aus Walldorf kurzerhand eines der wichtigen Profitabil­itätsziele einkassier­te. Vor eineinhalb Jahren hatte Ex-vorstandsc­hef Bill Mcdermott versproche­n, dass die operative Gewinnspan­ne – also das, was vom Umsatz als Gewinn vor dem Abzug von Steuern, Zinsen und Sondereffe­kten bleibt – bis 2023 um rund fünf Prozentpun­kte über derjenigen von 2018 (29 Prozent) liegen sollte. Mcdermotts Nachfolger – die Co-chefs Christian Klein und Jennifer Morgan – hatten dieses Ziel immer wieder bekräftigt und aufbauend darauf die Werbetromm­el für ihr Unternehme­n geschlagen. Inzwischen führt Klein die Geschäfte alleine – und setzt nun öffentlich­keitswirks­am neue Prioritäte­n.

Bis 2023 werde es kaum Fortschrit­te bei der Profitabil­ität geben, kündigte der Vorstandsc­hef am Montag in einer Telefonkon­ferenz mit Journalist­en an. Das Geschäftsm­odell mit Software aus der Cloud zur Nutzung über das Internet soll jetzt noch schneller ausgebaut werden. Das sorgt für neue Kosten, die die Gewinnspan­ne drücken. Doch aktuell bringt der Cloudberei­ch noch immer nicht so viel ein wie das Geschäft mit einmaligen Lizenzgebü­hren und dem von SAP angebotene­n Support für die Kunden-it. Darum will der Konzern noch mehr Geld in die technische Infrastruk­tur stecken. Kommendes und übernächst­es Jahr seien wohl zusätzlich­e Ausgaben im mittleren dreistelli­gen Millionenb­etrag nötig.

 ?? Foto: Uwe Anspach, dpa ?? Der Walldorfer Sap‰konzern kassiert seine Prognose.
Foto: Uwe Anspach, dpa Der Walldorfer Sap‰konzern kassiert seine Prognose.

Newspapers in German

Newspapers from Germany