Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mit Brachial-Humor gegen die Republikan­er

Sacha Baron Cohen schickt seine Kunstfigur Borat ein zweites Mal in die USA, und kompromitt­iert darin den Trump-rechtsbera­ter Rudolph Giuliani. Aber zündet das ansonsten noch so wie vor 14 Jahren?

- VON RICHARD MAYR

Dieser Filmstart hat seine ersten Schlagzeil­en, noch bevor er tatsächlic­h geschieht. Sacha Baron Cohen hat mit der Fortsetzun­g seines Borat-films Trumps Anwalt Rudolph Giuliani mit kompromitt­ierendem Filmmateri­al in Bedrängnis gebracht und alle Welt hat schon einmal berichtet, unter anderem auch diese Zeitung.

Was also noch schreiben, wenn das Finale dieses Borat-films mehr oder weniger bekannt ist? Über die anderen 85 Minuten des Films, der an diesem Wochenende auf Amazon Prime kurz vor der amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl anlief. 14 Jahre ist es her, dass Cohen sein Alter Ego „Borat“das erste Mal losgeschic­kt hat. Der englische Comedian mit den jüdischen Wurzeln gab sich damals als kasachisch­er Reporter aus, der mit seinen chauvinist­ischen und antisemiti­schen Ansichten das Publikum schockte und zum Lachen brachte. Die Humor-methode von damals war so einfach wie brachial: Mit mehr oder weniger versteckte­r Kamera konfrontie­rte Borat Durchschni­tts-amerikaner mit frauenund judenfeind­lichen Ansichten und stellte sie dadurch oft genug bloß.

Dann war „Borat – Kulturelle Lernung von Amerika, um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen“, so lautet der Originalti­tel von 2006, ein Film, der einem buchstäbli­ch beibrachte, was fremdschäm­en bedeutete. Wenn Borat mit seiner modetechni­schen Revolution, dem Mankini, posierte, fiel hinschauen schwer. Fast unmöglich wurde es, wenn er bei einer amerikanis­chen Mittelklas­se-familie von der Toilette kam und in die große versammelt­e Kaffeekrän­zchen-runde hinein fragte, wohin er nun sein Geschäft entsorgen solle, das er allen eingepackt in eine Stoffservi­ette präsentier­te – Fäkalhumor von seiner derbsten Sorte.

Sacha Baron Cohen ist auch in der Fortsetzun­g „Borat Anschluss Moviefilm“darauf bedacht, das Niveau seiner Gags im Zweifelsfa­ll lieber auf der Ebene von Körperöffn­ungen zu belassen und sie nicht zu stark in Richtung Intellekt zu bewegen. Wobei sofort auffällt, dass dem zweiten Teil von Borat die unbeschwer­te Leichtigke­it des ersten Mals fehlt. Es gibt jetzt eine Rah

Man sieht Borat als Sträfling im Steinbruch, weil er mit seinem ersten Film Schande über Kasachstan gebracht hat. Er kann sich bewähren, indem er die Beziehunge­n zwischen den USA und Kasachstan verbessert, man möchte dem starken Mann in den USA ein Geschenk machen, das er nicht ablehnen kann. Dieses Geschenk soll Borats Tochter Tutar sein, gespielt von der wunderbare­n und Cohen ebenbürtig­en Maria Bakalova.

Gleich zu Beginn bei den ersten Szenen in den USA wird auch deutlich, was sich geändert hat: Borat wird mit seinem Schnauzer und in seinem Billiganzu­g auf der Straße erkannt. Einfach loslegen und schauen, wie alle reagieren, funktionie­rt nicht mehr. Also muss sich die Kunstfigur verkleiden, um wieder voll im Spiel mit der Realität zu sein.

Allerdings haben die USA sich in den vierzehn Jahren weiterentw­ickelt. Die Kamera einfach draufhalte­n, auch wenn es noch so sehr schmerzt, das ist im Zeitalter von Youtube, Instagram und Co. zum Standard geworden. Heimlich gemachte Aufnahmen braucht es nicht mehr, weil die Kamera sowieso überall mitläuft, selbst wenn haarsträub­endste Verschwöru­ngstheorie­n geäußert werden. Wenn Borat mit einem Kissen unter dem Blaumann und mit Farmer-zauselbart sich eine Torte mit einem antisemiti­schen Spruch verzieren lässt und die Tortenverk­äuferin das ohne mit der Wimper zu zucken auf die Torte schreibt, dann merkt man: 2020 ist man im Trump-land mittlerwei­le alles gewöhnt.

Außerdem zielt der neue Boratfilm viel stärker auf die Politik in den USA. Einmal stört Borat in einer Donald-trump-verkleidun­g eine Rede von Vizepräsid­ent Mike Pence vor Republikan­ern in Marymenhan­dlung. land und wird von der Security abgeführt. Ein anderes Mal tritt er als Spontansän­ger auf einer Coronagegn­er-demo an und bringt die Menge dazu, Obama übel zu beleidigen, zum Schluss gelingt es ihm und seiner Partnerin Maria Bakalova, New Yorks ehemaligen Bürgermeis­ter und heutigen Trumprecht­sberater Rudolph Giuliani zu kompromitt­ieren.

Die Idee von Sacha Baron Cohens Brachialhu­mor hat ja in solchen Momenten auch eine aufkläreri­sche Seite: Durch Übertreibu­ng auf offensicht­liche Missstände deutlich machen, durch Grenzübert­retung Menschen dazu zu bringen, ebenfalls die Grenze zu übertreten. Was wiederum vor Augen führt, wie leicht Menschen dazu gebracht werden können, antisemiti­sche und frauenfein­dliche Sprüche zu dulden oder sogar ebenfalls gut zu heißen. Wenn die beiden Corona-leugner und Verschwöru­ngstheoret­iker, die Borat in der Zeit des amerikanis­chen Lockdowns bei sich aufnehmen, ihm erklären, dass Frauen selbststän­dig denken können, dass sie in den USA auch arbeiten und Auto fahren dürfen, hat das sogar etwas Anrührende­s.

Allerdings stellt sich in dem Film natürlich auch die Frage, für wen das gedreht worden ist und was das jetzt über die USA aussagen soll? Sind in den USA wirklich nur die Republikan­er und die Coronaleug­ner das Problem? Muss und kann man nur sie vorführen? Und wird der Film jetzt, so kurz vor der Wahl, irgendwen, der die Republikan­er wählen wollte, davon abhalten? Da wirkt „Borat Anschluss Moviefilm“dann doch zu eng an ein Ereignis und die Parteipoli­tik herangefüh­rt, wirkt der Humor selbst nicht nur entlarvend, sondern gleichzeit­ig auch parteiisch.

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 ?? Foto: Imago Images, Amazon Studios ?? Der kasachisch­e Reporter Borat (Sacha Baron Cohen) und seine Tochter Tutar (Maria Bakalova) flüchten aus einem Hotel in New York, in dem Tutar gerade Rudolph Giuliani interviewt hat.
Foto: Imago Images, Amazon Studios Der kasachisch­e Reporter Borat (Sacha Baron Cohen) und seine Tochter Tutar (Maria Bakalova) flüchten aus einem Hotel in New York, in dem Tutar gerade Rudolph Giuliani interviewt hat.

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