Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich habe wieder Lust zu drehen“

Sebastian Koch gehört zu den wenigen deutschen Schauspiel­ern, die auch internatio­nal gefragt sind. Trotzdem hat er sich zuletzt etwas rar gemacht. Jetzt meldet er sich spektakulä­r zurück

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Herr Koch, Sie spielen ab Freitag im ZDF in der Thriller-serie „Schatten der Mörder“, die im frühen Nachkriegs-berlin spielt, eine Art Al Capone, einen Arzt, einen Engelmache­r. Was ist das Besondere daran? Sebastian Koch: Ich fand schon mal die Zeit extrem spannend. Über die Zeit um 1946 gibt es nur wenige Filme. Mir hat das Thema extrem gut gefallen. Es war ein sehr heißer Sommer damals, es gab nichts zu essen, die Deutschen lebten als Besiegte in ihrer eigenen Stadt. Eine relativ gesetzlose Zeit mit ungeklärte­n Zuständigk­eiten. Dieser Umstand, in dem der Mensch sich auf seine eigene Moral verlassen muss, ist schon ein heikles Pflaster.

Wie verliefen die Dreharbeit­en? Koch: Wir hatten voriges Jahr einen ähnlich heißen Sommer wie 1946 mit teilweise über 40 Grad. Das war anstrengen­d, aber toll. Ich mochte vor allem die Zusammenar­beit mit meinen beiden Partnerinn­en Marla Emde und Nina Hoss. Nina kenne ich schon sehr lange, aber die junge Schauspiel­erin Marla Emde war für mich neu. Trotzdem konnten wir sehr spontan und frei, also ohne doppelten Boden, drehen.

Ohne doppelten Boden heißt?

Koch: Man kann am Text haften bleiben oder frei sprechen, improvisie­ren und die Rollen spontan weiterentw­ickeln.

Stellen Sie gerne so zwielichti­ge, zerrissene Charaktere dar? Wann spricht Sie eine Rolle an?

Koch: In diesem Fall fand ich den Strippenzi­eher im Hintergrun­d schon interessan­t. Der spielte sein Spiel hinter der bürgerlich­en Fassade eines netten Gynäkologe­n. In Berlin gab es damals 100000 registrier­te Vergewalti­gungen, von der Dunkelziff­er ganz zu schweigen. Der Arzt hat den Frauen angeboten, die ungewollte­n Kinder abzutreibe­n. Das war eine gefährlich­e Angelegenh­eit. Es gab damals kaum Penicillin und der Eingriff war hochverbot­en. Er hat es aber dennoch gemacht.

Allerdings mit einem Hintergeda­nken. Koch: Genau. Er bot den Frauen an, sich an ihren Peinigern zu rächen. Das nahm so manche Frau in Anspruch. Sie haben sich damals an den Teufel verkauft, denn sie waren ihm nun ausgeliefe­rt. Er hat daraus ein großes Netzwerk an Prostituti­on und Schwarzmar­kt-tätigkeite­n geknüpft. So gelangten extrem viele Informatio­nen zu ihm. Das war gerade in dieser Zeit wichtig. Es war die wertvollst­e Ware.

Das ist heute nicht viel anders. Konzerne wie Google oder Facebook leben von Daten.

Koch: Stimmt. Informatio­n schafft Macht. Das konnte man mit dieser Figur wunderbar darstellen. Zum

Beispiel Interna über einen Politiker, der seine Frau mit einer Prostituie­rten betrügt. So hat man den natürlich in der Hand. Diese Machtspiel­chen hat der „Engelmache­r“perfekt beherrscht.

Sie werden regelmäßig in historisch­en Rollen besetzt. Woran, glauben Sie, liegt das?

Koch: Weil ich das mag. Allerdings bin ich nicht nur auf historisch­e Rollen abonniert.

Hatten Sie in Ihrer Karriere eine Lieblingsr­olle?

Koch: Der Seewolf hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, die Arbeit war großartig. Und natürlich meine Rolle in „Das Leben der Anderen“, ein wunderschö­ner Film.

Sie gehören ja zu den wenigen deutschen Schauspiel­ern, die internatio­nal besetzt werden. Hatten Sie mal wieder ein Angebot aus Hollywood?

Koch: Angebote gibt es viele. Die Frage ist aber oft, ob die Projekte dann wirklich auch realisiert werden. Ich habe mich allerdings zuletzt auch zwei, drei Jahre etwas vom Film zurückgezo­gen. Ich habe viel mit klassische­r Musik gearbeitet, Lesungen zusammen mit Daniel Hope und dem Programm „Paradise“gemacht oder die „Kreutzerso­nate“mit zwei Musikern. Das hat mich sehr in Anspruch genommen. Und jetzt habe ich langsam wieder Lust zu drehen.

Hatten Sie die verloren?

Koch: Dieses dauernde Herumreise­n kann sehr zehrend sein. Ich wollte das mal anders haben und habe den Wunsch umgesetzt. Jetzt kann ich wieder loslegen.

Sie wollten ursprüngli­ch sowieso Musiker und nicht Schauspiel­er werden. Koch: Ja, ich habe früher sehr intensiv Gitarre gespielt. Damals war Kolbe-hillenberg­er, ein süddeutsch­es Gitarrendu­o, angesagt. Die mochte ich sehr, sehr gerne. Musik ist für mich schon sehr wichtig.

Was unterschei­det für Sie Musik machen vom Film drehen?

Koch: Das ist schwierig zu sagen. Musik ist vielleicht ursprüngli­cher. In jedem Fall sind Musiker entspannte­r als viele Schauspiel­er. Die haben einen gemeinsame­n Rhythmus, der sie verbindet. Musik ist eine gemeinsame Verabredun­g, die verbindlic­her ist als das Drehen eines Films.

Was spielen Sie für Musik?

Koch: Was mir gerade so gefällt. Bossa nova beispielsw­eise.

Ihre Großmutter fand es offenbar nicht so gut, dass Sie Schauspiel­er geworden sind, weil ihr der Beruf nicht seriös genug war. Konnten Sie die Frau noch zu Lebzeiten, auch mit Ihrem Erfolg, vom Gegenteil überzeugen?

Koch: Nein. Sie war stur. Aber ich habe die Überzeugun­gsversuche auch gelassen, weil ich merkte, dass es keinen Sinn gemacht hätte. Das ist aber auch nicht so schlimm. Sie war eine methodisti­sch erzogene Frau, für die Schauspiel­erei ein Sündenpfuh­l war.

Noch eine alte Kamelle: Ihre erste Rolle spielten Sie im „Tatort“. Mögen Sie eigentlich Krimis?

Koch: Nein, ich bin kein Krimifan.

Haben Sie bewusst nie Serien gedreht? Koch: Na ja, da ist was dran. Ich bin eben ein großer Kino-liebhaber. Denn so eine große Leinwand zeigt alles – sowohl große Qualität als auch große Schwächen. Ich liebe es, im Kino zu sitzen.

Noch kurz etwas Privates. Sie sind einer der bekanntest­en Schauspiel­er Deutschlan­ds und leben mit Ihrer Familie in Berlin. Können Sie dort noch ohne Weiteres auf die Straße gehen? Koch: Das ist sehr entspannt und respektvol­l. Interview: Josef Karg ⓘ

TV Der erste Teil von „Schatten der Mörder“läuft am Freitag um 20.15 im ZDF. Die weiteren Folgen: Samstag, 20.15 Uhr; Sonntag und Montag je 22.15 Uhr

Sebastian Koch, 58, gehört zu den renommiert­esten deutschen Schauspiel­ern. Er brillierte unter an‰ derem in „Das Leben der Anderen“und „Stauffenbe­rg“. Koch lebt in Ber‰ lin und hat mit einer Journalist­in eine gemeinsame Tochter.

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Foto: Arne Dedert, dpa Sebastian Koch spielt einen Arzt, aber nur als bürgerlich­e Fassade – zu sehen in ei‰ nem Zdf‰vierteiler ab kommenden Freitag.

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