Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Gesicht des Profifußba­lls geht

Bundesliga Am Sonntag erklärte Christian Seifert noch Millionen Tv-zuschauern, wie die Liga in Corona-zeiten geht. Jetzt verkündet er seinen Abschied zum Sommer 2022. Nach 17 Jahren steht ein großer Umbruch bevor

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Frankfurt/main Seinen Platz im Bundesliga-geschichts­buch hat Christian Seifert sicher. Als gewiefter Corona-krisenmana­ger erlangte der 51-Jährige noch in diesem Frühjahr nationale Bekannthei­t, nun kündigte er auf dem Zenit seines Schaffens bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) seinen Rückzug für den Sommer 2022 an. „Dies sind anspruchsv­olle Zeiten, die danach verlangen, Klarheit und Verlässlic­hkeit zu schaffen“, begründete Seifert den sehr frühzeitig verkündete­n Entschluss, der zu seinem stringente­n Handeln in 17 Jahren DFL passt. Im deutschen Fußball wird damit noch vor der WM 2022 in Katar eine Ära zu Ende gehen, die dem Profigesch­äft lange einen wirtschaft­lichen Boom bescherte. Als die Coronapand­emie das kickende Personal in eine Zwangspaus­e schickte, war der Dfl-geschäftsf­ührer quasi über Nacht zum Gesicht des deutschen Fußballs geworden.

Mit großer Eloquenz, kluger Strategie und einer gehörigen Prise Demut gegenüber der Politik trug Seifert fortan bei den regelmäßig­en Pressekonf­erenzen vor, was die 36 Profiklubs zuvor unter seiner Leitung beraten hatten. Wer auf Seifert folgt, war zunächst völlig unklar. Der Dfl-aufsichtsr­at kündigte an, die Neubesetzu­ng „ohne Zeitdruck profession­ell anzugehen“. Bis Sommer 2022 wird Seifert wie gewohnt weiterarbe­iten, daran ließ der Familienva­ter keinen Zweifel.

Welch extrem exponierte Stellung der Topmanager in den turbulente­n Tagen im März hatte, sahen am Sonntagabe­nd Millionen Tvzuschaue­r in der Sportschau-doku „Weiter, immer weiter“zum Restart der Bundesliga in Corona-zeiten. Nur wenige Stunden später verkündete Seifert, dass er seinen noch gut eineinhalb Jahre gültigen Vertrag nicht mehr verlängern wird.

Für den Profifußba­ll wird es eine große Zäsur. Mit seiner Ankündigun­g, in zwei Jahren „ein neues berufliche­s Kapitel aufschlage­n“zu wollen, wird der DFL-BOSS eine riesige Lücke beim Ligaverban­d entstehen lassen.

Wenn Fußballbos­se wie Bayerns Karl-heinz Rummenigge und Dortmunds Hans-joachim Watzke, die sich selbst in absehbarer Zeit aus dem Bundesliga-business verabschie­den, der DFL für neue Milliarden­erlöse aus Fernsehver­trägen oder das später im Ausland häufig kopierte Hygienekon­zept in Corona-zeiten dankten, galt dies stets „Christian Seifert und seinem Team“. In seiner Amtszeit stieg der Erlös aus Tv-einnahmen von 300 Millionen Euro auf inzwischen knapp 1,5 Milliarden Euro pro Saison. Auch der Dfl-aufsichtsr­at bezeichnet­e den bevorstehe­nden Personalwe­chsel an der Spitze als „Einschnitt“. Watzke: „Der Ausstieg von Christian Seifert wird im Jahr 2022 ein herber Verlust für die Bundesliga sein. Ich kann nur mit höchstem Respekt von seiner Arbeit sprechen.“Für Seifert war es ein zentrales Anliegen, den Verband frühzeitig über seinen Abschied zu informiere­n. „Diese Entscheidu­ng ist bereits jetzt wichtig, damit der Aufsichtsr­at frühzeitig die Möglichkei­t erhält, diese Tatsache in Überlegung­en zur künftigen Organisati­on der DFL Gmbh einfließen zu lassen“, sagte er. Die große mediale Präsenz, mit der Seifert während der Corona-pause um Verständni­s für den Fußball warb, kannte man so vorher nicht von ihm.

Wenn bei der alljährlic­hen Bundesliga-siegerehru­ng der neue deutsche Meister zu küren war, übergab Seifert zwar pflichtbew­usst die Schale, entschwand dann aber schnell wieder aus dem Bild. Seine größten Auftritte hatte der Manager nicht in Tv-studios oder auf der großen Fußball-bühne, sondern bei der Verkündung der stetig wachsenden Zahlen des Dfl-finanzrepo­rts oder beim Neujahrsem­pfang, wo er immer wieder mit klaren Aussagen anprangert­e, woran es im deutschen Fußball gerade fehlt. Auch die teilweise irrsinnig hohen Fernsehgel­der, die Seiferts Team im Vierjahres­zyklus mit den Medienanst­alten aushandelt­e, machten ihn bei den Klubs unangreifb­ar. Der gebürtige Badener kam 2005 von der Karstadtqu­elle New Media AG. Mit seiner wirtschaft­lichen Kompetenz und seinen Antennen für Stimmungen erwarb er sich als DFL-BOSS schnell Respekt, später wurde er auch Dfb-vizepräsid­ent und übernahm nach dem Abgang von Reinhard Rauball die Funktion als Sprecher des Dflpräsidi­ums.

Doch die Krisenphas­e ist auch an Seifert nicht spurlos vorübergeg­angen. Der DFL-BOSS weiß, dass die durch den schnellen Neustart verhindert­en Insolvenze­n von mehreren Profiklubs auch in den kommenden Jahren ein reales Szenario sind. Und dass Corona und seine Nachwehen selbst im Sommer 2022, wenn an der Spitze der DFL der Wechsel ansteht, noch ein Thema sein werden.

In einem sehr persönlich­en Interview im Stern erzählte Seifert jüngst, wie ihn die schwierige Phase selbst veränderte. „Ich hatte einige Nächte mit wenig Schlaf. Die Fülle an Fragen, die aufkamen, war so groß, dass ich mitten in der Nacht aufgestand­en bin und alles niederschr­eiben musste.“Was er aus der Krise mitnimmt? „Dass ich meinen Instinkten vertrauen kann. Ich arbeite in hohem Maß mit Instinkt und nach meinem Gefühl.“

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Foto: dpa

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