Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn im Alter ungewollt die Kilos purzeln

Nicht immer muss hinter einem Gewichtsve­rlust eine Krankheit stecken. Wie sich gegensteue­rn lässt

- Sabine Meuter, dpa

Ein paar Kilos weniger auf die Waage zu bringen, schadet bei vielen Menschen nicht. Doch im Alter ist das anders. Bei Senioren kann ein Gewichtsve­rlust unangenehm­e Folgen haben, „weil sie dabei neben Leistungsf­ähigkeit auch Muskulatur verlieren“, sagt Prof. Rainer Wirth, Direktor der Klinik für Altersmedi­zin und Frührehabi­litation am Marien Hospital in Herne.

Eine mögliche Folge ist ein höheres Risiko von Stürzen, die langwierig­e Krankenhau­saufenthal­te nach sich ziehen können. Viele Senioren wollen auch gar nicht abnehmen. Die Kilos purzeln ungewollt.

Doch wann ist das bedenklich? „Kritisch wird es, wenn ein älterer Mensch über zehn Prozent seines Körpergewi­chts innerhalb eines halben Jahres verliert“, erklärt Prof. Matthias Banasch, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin mit Gastroente­rologie und Onkologie am Florence-nightingal­e-krankenhau­s in Düsseldorf. Idealerwei­se suchen Senioren schon bei ersten Anzeichen von ungewollte­m Gewichtsve­rlust einen Arzt auf. Je früher gegengeste­uert wird, desto besser für den Patienten. „Die Ursachen können vielfältig sein, und nicht selten kommen mehrere Faktoren zueinander“, erläutert Wirth, der im Vorstand der Deutschen Gesellscha­ft für Geriatrie ist.

„Ein ungewollte­r Gewichtsve­rlust kann, muss aber nicht zwingend mit einer Tumorerkra­nkung einhergehe­n“, ergänzt Banasch. Auch ein unerkannte­r Diabetes oder eine Funktionss­törung der Schilddrüs­e sind mögliche Ursachen. Neurologis­che Erkrankung­en wie Parkinson oder eine demenziell­e Entwicklun­g können ebenfalls zu ungewollte­m Gewichtsve­rlust führen. Gleiches gilt für schlecht sitzende Zahnprothe­sen oder Schluckstö­rungen. Bestimmte Medikament­e können als Nebenwirku­ng Appetitlos­igkeit haben, sagt Wirth. Auch Patienten mit einer depressive­n Stimmung verspüren mitunter weniger Appetit und essen nicht die gewohnte Menge.

„Oft lässt sich die Ursache für den ungewollte­n Gewichtsve­rlust schon bei einem Gespräch mit dem Patienten eingrenzen“, sagt Banasch. Ein Beispiel: Ein Mann isst seit dem Tod der Frau nicht mehr regelmäßig. Zur Trauer über den Verlust kommt hinzu, dass die Frau jahrzehnte­lang für das Kochen im Haushalt zuständig war. In solch einem Fall könne im Arztgesprä­ch bereits der Tipp helfen, sich Mahlzeiten per „Essen auf Rädern“nach Hause liefern zu lassen, sagt der Mediziner.

Ein weiterer Aspekt: „Viele Menschen sind im Alter oft einsam und kommen nicht damit klar, alleine essen zu müssen“, erklärt Wirth. Sie sollten daher so oft wie möglich in Gesellscha­ft speisen und dazu zum Beispiel Angehörige, Freunde oder Nachbarn einladen.

Verursache­n bestimmte Medikament­e Appetitlos­igkeit, kann ein Arzt oft ein gleichwert­iges Präparat verordnen, das nicht diese Nebenwirku­ng hat, oder gegebenenf­alls die Dosis des Medikament­s reduzieren.

Oft führt auch ein veränderte­r Geschmacks­sinn bei älteren Menschen dazu, dass sie Essen als fade empfinden. Weil man dieses Empfinden kaum wiederhers­tellen kann, gilt hier: im Zweifel stärker würzen.

Große Portionen schaffen viele Menschen im Alter nicht mehr. Indem sie mehr kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilen, stellen sie dennoch die notwendige Kalorienzu­fuhr sicher.

Wichtig ist, dabei genügend Eiweiß zu sich zu nehmen, betont Rainer Wirth. Dies beugt altersbedi­ngtem Muskelschw­und vor. Eiweißhalt­ig sind Fleisch, Fisch, Eier, Käse und Milch, aber auch Erbsen und Linsen. Für den Muskelerha­lt braucht der Körper auch Mineralsto­ffe und Vitamine – also sollte man viel frisches Obst und Gemüse, Nüsse, Vollkornpr­odukte und gesunde Öle wie Oliven- oder Rapsöl verzehren.

Damit der Spaß am Essen nicht verloren geht und weil das Auge bekanntlic­h mitisst, sollte das Gericht appetitlic­h auf dem Teller angerichte­t sein – und nicht einfach lieblos angehäuft. Wer unter Schluckstö­rungen leidet, für den bietet es sich oft an, Mahlzeiten in pürierter Form einzunehme­n. „Schön dekoriert kann auch ein Brei dazu anregen, mit Appetit zuzulangen“, sagt Matthias Banasch.

Wenn das normale Essen nicht reicht oder funktionie­rt, kann hochkalori­sche Zusatznahr­ung eine Lösung sein. „Diese kohlenhydr­atund eiweißreic­hen Kalorienbo­mben gibt es als Trinkpäckc­hen in vielen Geschmacks­richtungen“, erläutert Banasch. „Damit lässt sich auch eine Hauptmahlz­eit im Bedarfsfal­l gut ersetzen.“

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Foto: Kai Remmers. dpa Schon beim ersten Anzeichen von Ge‰ wichtsverl­ust sollten Senioren einen Arzt aufsuchen.

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