Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Gift ist im Messkelch
Georg Langenhorst lässt im Kirchenkrimi einen Pfarrer sterben
Und wieder wird im katholischen Umfeld gemordet. Diesmal muss ein Pfarrer dran glauben, altgedient mit 72 Jahren und eigentlich geachtet in seiner Gemeinde Polzingen. Gift war im Messkelch. Je länger aber die Kriminalpolizei um Hauptkommissar Bernd Kellert ermittelt, desto mehr überraschende Vorfälle aus dem kirchlichen Innenleben kommen zum Vorschein. Der Autor Georg Langenhorst, ordentlicher Professor für Religionspädagogik an der Universität Augsburg, hat mit seinem vierten Kirchenkrimi erneut einen Volltreffer gelandet.
Verschmitzt kann Langenhorst inzwischen Querverweise zu früheren Fällen Kellerts ziehen, dem toten Dekan der Theologischen Fakultät, dem toten Regens des Priesterseminars und dem toten Direktor des Domgymnasiums. Die fiktive, fränkisch angehauchte Bischofsstadt Friedensberg ist ein blutiges Pflaster. Alle überführten Täter hatten bisher eine Rechnung mit dem Kirchenpersonal offen. Gründe dafür gäbe es auch in diesem vierten Fall genug. Ein Kirchenasyl hat zuletzt die Pfarrgemeinde schier zerrissen: Soll sich die Kirche in die Politik einmischen oder bei ihren geistlichen Aufgaben bleiben? Auch der offiziell verfügte Zusammenschluss mehrerer Ortsgemeinden stellt eine starke Belastungsprobe in Polzingen dar. Hätte Pfarrer Vitus Mooslechner noch mehr Widerstand dagegen leisten sollen? Zu allem Überfluss zettelt Pfarrgemeinderatsvorsitzende Barbara Winkler mit der Fraueninitiative Maria 2.0 einen Kirchenstreik an und erbost die konservativen Katholiken am Ort.
Eine Menge brandaktuellen Konfliktstoff häuft Georg Langenhorst in seinem Krimi an. Die junge Assistentin Hannah Mellrich, im Osten Deutschlands ohne Kirche aufgewachsen, muss immer wieder verwundert nachhaken, was es mit den merkwürdigen Bräuchen und Lehren dieser katholischen Welt auf sich hat. Selbst Dominik Thiele, Kellerts langjähriger Ermittlungspartner und gesetzte Nachfolger der Dienststelle, hat oft keinen blassen Schimmer, obwohl doch seine Frau Verena selbst Religionslehrerin ist. Der Leser tritt also stets einen Schritt zurück, bevor er in den Strudel kirchlicher Streitigkeiten hineingezogen wird. Langenhorst erlaubt sich zudem den Spaß, einige falsche Fährten zu legen, um wiederum katholische Eigenheiten aufzuklären. Etwa dass ein gestresster Priester dem Alkohol verfallen kann und diskret die Spuren verwischt. Überhaupt gibt es schon verschrobene Typen in der Kirche, etwa den Organisten Karsten Kaiser, ein Freigeist und Lästermaul, der ständig von Pfeifenrauch umwölkt ist. Oder den Vikar Martin Häferle, der sich am Altar wohler fühlt als unter Menschen. Gänzlich undurchschaubar bleibt der Diakon Reinhard Severin.
All die Ermittlungen bettet Langenhorst ins private Leben der Kriminalkommissare ein. Den Mittfünziger Kellert hat ein Hexenschuss aufs häusliche Sofa lahmgelegt und Thiele kann seine Spürnase beweisen, wenn er nicht gerade sehr einseitig Hannah Mellrich anflirtet. Wie im Fluge lesen sich die 290 Seiten und unterhalten mit charmantem Witz und Spannung. »Georg Langenhorst: Toter Pfarrer – Guter Pfarrer. Mord am Al tar, Echter Verlag, 293 Seiten, 14,90 Euro.