Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Von null auf 100 Millionen in ein paar Jahren
It-unternehmen gehören zu den Gewinnern der Corona-krise. Das Augsburger Start-up Xentral hatte Lösungen, als viele Firmen nur Probleme sahen. Nun hat man sich für die nächsten Jahre hohe Ziele gesteckt
Corona hat die Digitalisierung beschleunigt. Eine Feststellung, die Benedikt Sauter sofort unterschreiben würde. Er leitet mit seiner Frau Claudia das Augsburger It-start-up Xentral und sagt: „Die Corona-monate waren unsere bisher besten.“Der Grund dafür ist schnell erklärt. Während des Lockdowns waren viele Unternehmen gezwungen, ihre Prozesse stärker zu digitalisieren und Waren verstärkt oder erstmals über einen Online-shop anzubieten. Um diese Herausforderung meistern zu können, musste ein Warenwirtschaftssystem her, das schnell und einfach in bestehende Strukturen integriert werden konnte. Viele fanden in dieser Phase den Weg zu Xentral.
Denn die dort entwickelte Software tut genau das, was Unternehmen brauchen: „Sie automatisiert das tägliche Geschäft“, fasst Gründer Benedikt Sauter zusammen. Vereinfacht gesprochen sammelt das System alle Daten, verarbeitet sie und stößt Prozesse an. „Es werden beispielsweise automatisch Lieferscheine erstellt, oder das Lager weiß, welche Produkte demnächst abgeholt werden und vorbereitet werden müssen. Auch Lieferanten werden automatisch informiert, wenn Nachschub nötig ist“, so Sauter. So könnten binnen kürzester Zeit auch größere Bestellmengen abgearbeitet werden, ohne dass es an einer Stelle zu einem Engpass kommt oder in großem Stil Personal eingestellt werden muss, erklärt der It-experte. Womit sich Xentral von Mitbewerbern abhebe, sei laut Sauter der Faktor Zeit. Die Software lasse sich binnen ein bis vier Wochen installieren und könne vom Kunden schnell und ohne großen Schulungsaufwand betrieben werden.
Dass Xentral in der Corona-phase ein Wachstum von gut 50 Prozent erzielte, sei nicht alleine der Pandemie geschuldet. Schon zuvor hatte sich das Start-up bei vielen, auch bekannten Unternehmen wie Villeroy und Boch, Flyeralarm und Top Star einen Namen gemacht. Es arbeitete seit seinem Start 2015 so erfolgreich, dass der bekannte Technologie-investor Frank Thelen immer mehr seiner Start-ups aus der Tv-sendung „Die Höhle der Löwen“die Software von Xentral empfahl und selbst mehrere Versuche unternahm, um sich beim Augsburger
It-unternehmen als Investor zu betätigen. 2018 war es schließlich so weit, und Thelen stieg mit seiner Risikokapitalgesellschaft Freigeist bei Xentral ein. „Das war für uns sehr gut. Denn Thelen bringt nicht nur Geld mit, sondern vor allem Know-how“, sagt Sauter.
Dass es dem Unternehmen mit Sitz in der Fuggerstraße vor allem um das Wissen des Investors geht, zeigt die Tatsache, dass das zur Verfügung gestellte Kapital bisher ungenutzt blieb. Auch andere potenzielle Geldgeber, teils bekannte Venture-capital-firmen (Investoren) aus dem Us-amerikanischen Silicon Valley, hatte man zuletzt vertröstet. „Wir brauchen das Geld aktuell nicht, wir wirtschaften erfolgreich“, sagt Benedikt Saute . Zunächst gehe es daher darum, Xentral so aufzustellen, dass eine gute Basis geschaffen sei. Dann könne man überlegen, ob weitere Investoren sinnvoll sind und wofür man deren Geld nutzen kann.
Bis dato wächst Xentral offenbar aus eigener Kraft: Aus den wenigen Mitarbeitern zum Start 2015 sind mittlerweile 60 Kollegen geworden. Im Jahr 2021 soll die Zahl auf 100 steigen. Weil Xentral seine Kunden bisher zu einem überwiegenden Teil aus Weiterempfehlungen generiert hat, will man vor allem im Marketing und im Vertrieb aufstocken und die Kundenliste, auf der aktuell rund 1000 Namen stehen, verlängern. „In vier bis fünf Jahren wollen wir einen Jahresumsatz von etwa 100 Millionen Euro erzielen“, sagt Sauter. Dies sei angesichts der Entwicklung und der Hochrechnungen ein realistisches Ziel.
Damit das gelingt, muss noch an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden, zunächst braucht Xentral größere Räume, möglichst in Innenstadtlage. Gefüllt werden sollen diese mit neuen Mitarbeitern. Dass Fachkräfte in der It-branche nach wie vor Mangelware sind, macht Sauter keine Angst. „In der Stadt leben eine Menge schlauer und kreativer Köpfe. Wir müssen nicht in Berlin oder New York suchen“, ist er überzeugt. Auch Matthias Hofmuth, für Personal und Organisation verantwortlich, hält Augsburg als It-standort für unterschätzt. „Wir müssen uns nicht verstecken“, sagt Hofmuth, der schon seit zwölf Jahren in der Start-upbranche tätig ist und zuletzt beim Reise-busunternehmen Flixbus eine führende Position innehatte.