Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Unternehme­n Bill Gates: Der verhasste Wohltäter

Es wird immer heftiger spekuliert, dass der 52-Jährige sich nicht mit der Rolle des Aufsichtsr­ats-chefs bei der Unternehme­nsgruppe begnügt und in den Vorstand berufen werden könnte. So lief es einst für ihn auch bei Kuka ab

- VON STEFAN STAHL

Aretsried Plötzlich war Till Reuter da. 2009 stieg er zum Hauptdarst­eller eines spannenden Wirtschaft­skrimis auf. Der Investment­banker mit einer Vergangenh­eit bei Häusern wie Morgan Stanley, Lehman Brothers und Deutscher Bank half der Industriel­lenfamilie Grenzebach aus dem nordschwäb­ischen Hamlar als Berater, Zug um Zug wichtigste­r Aktionär des Augsburger Anlagen- und Roboterbau­ers Kuka zu werden.

Über seine eigene Schweizer Beteiligun­gsgesellsc­haft Rinvest AG erwarb Reuter selbst Anteile an dem Maschinenb­auer. Dem studierten Betriebswi­rt wie Juristen und der Familie Grenzebach, die sich später von den Kuka-anteilen trennen sollte, fiel die Rolle der Guten im Drehbuch zu. Schließlic­h konnten sie damals verhindern, dass der Roboterbau­er in die Fänge von Heuschreck­en geriet und filetiert wurde. Reuter kann andere Menschen mitreißen. Schnell fand er einen Draht zu Mitarbeite­rn, den Verantwort­lichen in Augsburg und auch Vertretern der Gewerkscha­ft IG Metall. Die Grenzebach-reuter-offensive glückte. Was im Jahr 2009 passierte, ist aus heutiger Sicht interessan­t, ja könnte ein Fingerzeig sein, wie es Reuter bei seinem aktuellen Arbeitgebe­r, der Unternehme­nsgruppe Theo Müller in Aretsried bei Augsburg, weitergeht. Denn dort sitzt er als Chef (noch) im Aufsichtsr­at. Das war einst bei Kuka auch der Fall. Doch der Platz im Kontrollgr­emium des Automatisi­erungsspez­ialisten entpuppte sich nur als Zwischenst­ation für den nach vorne drängenden Mann. Am 21. September 2009 war es so weit: Der Kukaaufsic­htsrat hatte den Investment­banker zunächst zum Vorsitzend­en des Gremiums gewählt. Damals befand sich die Suche nach einem Nachfolger für Kuka-chef Horst J. Kayser „in einem fortgeschr­ittenen“Stadium. Die Wahl sollte auf Reuter fallen. Er marschiert­e vom Aufsichtsr­at in den Vorstand durch, ohne sich damit zu lange aufzuhalte­n. Schnell arbeitete sich der Manager in technische Themen ein, brachte als Vorstandsc­hef die Finanzen in Ordnung und startete durch, bis Kuka als deutsche Hightechpe­rle galt, der Kanzlerin Angela Merkel und der frühere Us-präsident Barack Obama im Doppelpack auf der Hannover Messe Anerkennun­g zollten. Dann kamen die Chimit nesen. Reuter musste gehen, auch weil nicht mehr alles bei Kuka glänzte. Die nächste Krise hatte sich längst eingeniste­t. Der Rest ist Geschichte. Und da sich alles im Leben wiederholt, wie auch der Dichter Friedrich Schiller fatalistis­ch festhielt, muss man kein Verschwöru­ngstheoret­iker sein, um eine solche Wiederkehr des Gleichen auch für Reuter ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Es wird jedenfalls in Unternehme­rkreisen und durch das in Personalfr­agen einschlägi­g sachkundig­e Manager Magazin spekuliert, Reuter könnte angesichts seines bei Müller Milch schon als Aufsichtsr­at demonstrie­rten Tatendrang­s nach der Devise verfahren: „Alles Vorstand, oder was“, sich also nicht mit der Aufsichtsr­at-ecke begnügen.

Noch sind das alles Gerüchte. Der aus einer mittelstän­dischen Unternehme­rfamilie im Rheingau stammende Reuter schweigt dazu wie auch die chronisch öffentlich­keitsscheu­e Firmengrup­pe Theo Müller.

Dabei scheinen der 80-jährige und unveränder­t energiegel­adene Patriarch Theo Müller und Reuter aneinander Gefallen gefunden zu haben. Beide leben im Raum Zürich. Beide haben ein Faible für Technik und Automation. Reuter, der bis zum Einstieg bei Müller Milch 2019 keine Nähe zum Joghurt-kosmos verriet, bringt aus Sicht des eigenwilli­gen Unternehme­rs eine weitere Qualität mit: Er hat bei Kuka nach der Finanzkris­e 2008 und 2009 den gebeutelte­n Maschinenb­auer rasch stabilisie­rt, gute Leute an Bord geholt und diese motiviert. Das sprechen ihm auch seine heutigen Kritiker bei Kuka – davon gibt es einige – nicht ab.

Wie lange die Wertschätz­ung Müllers für Reuter währt, ist für Kenner des selbstbewu­ssten und entscheidu­ngsfreudig­en Mannes kaum zu prognostiz­ieren. Die Gunst des Patriarche­n, der einen Konzern mit 5,7 Milliarden Euro Umsatz und 24 300 Mitarbeite­rn über Jahrzehnte geformt hat, währt oft nicht ewig. Wenn der Bayer der Meinung ist, es sei besser, sich von einem Manager zu trennen, fackelt er nicht allzu lange. So ist ein gewisser Wechsel eine Konstante in der Müllermilc­h-führungset­age.

Für Reuter wäre es auf alle Fälle ein Aufstieg, wenn er Chef des Molkerei-konzerns würde. Denn Kuka ist mit etwa 14 000 Mitarbeite­rn und einem Umsatz von rund 3,2 Milliarden Euro ein ganzes Stück kleiner als sein neuer Arbeitgebe­r. Das dürfte den stets Herausford­erungen suchenden Reuter durchaus reizen.

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 ?? Foto: Karl‰josef Hildenbran­d,dpa ?? Geht der Blick in Richtung Vorstand? Der einstige Kuka‰chef Till Reuter startet jetzt bei der Unternehme­nsgruppe Theo Müller durch.
Foto: Karl‰josef Hildenbran­d,dpa Geht der Blick in Richtung Vorstand? Der einstige Kuka‰chef Till Reuter startet jetzt bei der Unternehme­nsgruppe Theo Müller durch.

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