Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Transsexue­ll bei der Truppe

Anastasia Biefang lebte vier Jahrzehnte als Mann, fühlte sich jedoch immer mehr als Frau. 2015 outete sie sich. Ihre Karriere bei der Bundeswehr geht weiter

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Wie der Vater, so der Sohn. Papa Offizier der Luftwaffe, der Junge schlägt früh die gleiche Richtung ein, startet eine Bilderbuch­laufbahn bei der Truppe. Grundwehrd­ienst, Offiziersa­usbildung, Bundeswehr-uni, Führungsak­ademie, Generalsta­bsdienst. Parallel dagegen war aber nicht alles in Ordnung. Ein Gefühl, das schon vor der Pubertät anklopfte, wurde stärker und stärker – und gleichzeit­ig mit immer mehr Aufwand unterdrück­t: In der Geburtsurk­unde steht „männlich“, doch Anastasia Biefang – so heißt die 46-jährige gebürtige Krefelderi­n heute – fühlte sich eher als Frau. Es ging ihr körperlich und seelisch zunehmend schlechter. Eine Ehe scheiterte.

Studien legen nahe, dass 0,3 bis 0,5 Prozent der Deutschen transsexue­ll sind – das wären auf die Bundeswehr umgerechne­t bis zu 1200

Menschen. Viele finden nicht den Mut, sich dazu zu bekennen, dass sie sich fühlen, als lebten sie im „falschen Körper“.

Wie hat es Biefang geschafft, aus dieser existenzie­llen Zerreißpro­be gestärkt hervorzuge­hen? Zwei Aspekte erleichter­ten es ihr, vor fünf Jahren den entscheide­nden Schritt zu machen. Sie überwand die tief sitzende Angst und wagte ihr Coming-out. Biefang informiert­e ihr privates und berufliche­s Umfeld, dass sie in Zukunft als Frau leben werde. Ein Schritt, der befreiend wirkte: Im Deutschlan­dfunk schilderte Biefang, wie ihre Eltern reagierten, als sie als Frau zu Besuch kam: „Das wurde auch ganz liebevoll von meiner Mama goutiert. Das heißt nicht, dass sie es verstanden haben. Aber wir sind für dich da. Das war immens wichtig.“Mit einem Satz à la Merkel reagierte Biefangs Vorgesetzt­er bei der Truppe auf die Ankündigun­g, dass sie Zeit für eine Operation zur Geschlecht­sumwandlun­g brauche: „Das schaffen wir gemeinsam“, sagte er.

Dann passierte etwas, das bei der Bundeswehr vor gar nicht langer Zeit noch völlig undenkbar gewesen wäre: Anastasia Biefang konnte ihre Karriere ungebremst vorantreib­en. Ihr liegt am Herzen, dass Menschen in einer ähnlichen Situation wie sie in Zukunft bessere Chancen haben, sich zu verwirklic­hen. Dafür engagiert sie sich: Sie ist stellvertr­etende Vorsitzend­e von Queerbw, der Interessen­vertretung der lesbischen, schwulen, bisexuelle­n und transgesch­lechtliche­n Angehörige­n der Bundeswehr.

Vor drei Jahren wurde Oberstleut­nant Biefang erste transsexue­lle Kommandeur­in. Im brandenbur­gischen Storkow unterstand ihr das Informatio­nstechnikb­ataillon – bis jetzt. Tv-dokumentat­ionen machten ihren Fall bundesweit bekannt. Jetzt wartet auf Biefang, die mit ihrer zweiten Frau in Berlin lebt, eine neue Aufgabe: In Bonn wird sie Referatsle­iterin für die Einsatz- und Übungsplan­ung im Kommando Cyberund Informatio­nsraum. Der Abschied aus Storkow tut ihr ein bisschen weh, schließlic­h sei sie dort „als Mensch, der ich bin“, angenommen worden. Simon Kaminski

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Foto: dpa

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