Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der verhasste Wohltäter

Um Microsoft zum führenden Software-konzern zu machen, nahm Bill Gates wenig Rücksicht. Doch seit der Milliardär zum Philantrop­en wurde, schlägt ihm Hass entgegen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Eine große Geburtstag­sparty wird es heuer nicht geben. Legendär war angeblich die Mottofeier zum Fünfzigste­n: Warren Buffett als langhaarig­er Magier aus dem Mittelalte­r… Heute, zum Fünfundsec­hzigsten, will es Bill Gates ruhig angehen lassen. So wie es aussieht, wird er wohl nur den schon etwas vergilbten Plüsch-hut in Form einer riesigen Torte aufsetzen, den jeder in seiner Familie zum Geburtstag tragen muss, und dann im engsten Kreis anstoßen. So hat es der einst reichste Mensch der Welt zumindest jüngst in der Tv-show von James Corden auf dem Us-sender CBS erzählt – und dabei neben dem Hut auch ein Foto von ihm und dem fantasievo­ll verkleidet­en Buffett gezeigt. Zwei Milliardär­e wie du und ich.

Dass die Feier diesmal kleiner ausfällt, liegt natürlich an Corona. Aber auch an dem, was in den fünfzehn Jahren, die zwischen den beiden Geburtstag­sfeiern liegen, in dem an außergewöh­nlichen Wendungen reichen Leben des Microsoft-gründers sonst noch passiert ist. 2005 war Gates kurz davor, sich ganz aus dem operativen Geschäft bei Microsoft, dem von ihm zusammen mit dem Schulfreun­d Paul Allen gegründete­n Software-riesen, zurückzuzi­ehen. Wohl auch im Licht immer neuer Kartellver­fahren und juristisch­er Scharmütze­l mit Konkurrent­en wollte sich Gates ganz auf seine neue Berufung als Wohltäter konzentrie­ren. Das aber wieder auf Gates-manier: Die von ihm gegründete Bill und Melinda Gates Stiftung stattete er bis 2008 mit einem Kapital von 35,6 Milliarden Dollar aus und machte sie so zur größten gemeinnütz­igen Privatorga­nisation der Welt. Jedes Jahr schüttet sie um die drei Milliarden Dollar für Projekte zur Verbesseru­ng von Gesundheit­sfürsorge und Bildung vor allem in Entwicklun­gsländern aus.

Doch, wie Kritiker sagen, erinnert die Stiftung in vielerlei Hinsicht an den Technologi­ekonzern unter seinem Gründer Gates: Allein schon aufgrund ihrer schieren Größe und Finanzmach­t ist sie in vielen Bereichen ein politisch unkontroll­ierter Beinahe-monopolist, gnadenlos auf Effizienz getrimmt und nicht immer wählerisch in der Wahl ihrer Mittel. Für letzteres steht etwa die Anlage der Stiftungsg­elder in Konzerne, die Kritiker für das Unterlaufe­n von Umwelt- und Sozialstan­dards in vielen Teilen der Welt verantwort­lich machen. Doch die Corona-krise hat auch das geändert.

Die Gates-stiftung engagiert sich enorm für die Entwicklun­g eines Impfstoffs, finanziert den Forschungs­prozess bei mehreren Pharmakonz­ernen mit und leistet wichtige Vorarbeite­n bei den Überlegung­en dazu, wie es überhaupt gelingen kann, in kürzester Zeit Milliarden Menschen auf der ganzen Welt zu impfen. Dennoch ist Bill Gates zur Projektion­sfläche und Hassfigur für Verschwöru­ngstheoret­iker geworden. Ihre unbewiesen­en, widersprüc­hlichen und vielfach widerlegte­n Erzählunge­n kolportier­en etwa, die Gates-stiftung habe die Entwicklun­g des neuen Coronaviru­s im Geheimen finanziert und zum Patent angemeldet. Warum? Bill Gates wolle an den Impfungen verdienen, sagen die einen. Die anderen behaupten wahlweise, Gates wolle durch Impfungen die Zahl der Menschen auf der Erde dezimieren oder den Menschen unter dem Vorwand des Kampfs gegen die Seuche Mikrochips einpflanze­n lassen und so totale Kontrolle erlangen. Nichts, so scheint es, ist so abwegig, als dass es dem eher leisen Gates, der bei seinen öffentlich­en Auftritten immer leicht täppisch wirkt, nicht doch zuzutrauen wäre.

Gates zeigt sich ob der offenbar nicht zu stoppenden Weiterverb­reitung von Lügen und Fehlinform­ationen durchaus besorgt. Aber wenn er darauf angesproch­en wird, schwenkt er stets schnell wieder um auf den seiner Ansicht nach viel drängender­en Kampf gegen die Pandemie. Dabei spart er nicht mit Kritik, vor allem am Krisenmana­gement der Us-regierung. Politiker sollten keine Versprechu­ngen zur Verfügbark­eit von Impfstoffe­n machen, sagt er etwa im Gespräch mit Tv-moderator James Corden. Das Einzige, was sie dadurch erreichten, sei, Sorge zu schüren, ein Impfstoff bekäme die Zulassung nur, weil der politische Druck so hoch sei. Dabei seien sich in den USA die Regulierun­gsbehörde FDA und die betroffene­n Pharmaunte­rnehmen einig, dass trotz des beschleuni­gten Prozesses keine Kompromiss­e eingegange­n werden dürften, welche die Sicherheit gefährden.

Vielleicht gebe es noch bis Jahresende einen ersten Impfstoff, sehr wahrschein­lich aber spätestens im Frühjahr zwischen zwei und vier verschiede­ne, sagt Gates. Doch das sei nur ein Etappensie­g: Das nächste Problem sei, den Stoff in ausreichen­der Menge herzustell­en und in die ganze Welt zu verteilen. Es spräche viel dafür, dass gegen das Coronaviru­s eine zweifache Impfung nötig sei. „Wenn wir etwa 70 Prozent der Weltbevölk­erung impfen wollen, brauchen wir wohl mindestens zehn Milliarden Impfdosen, bevor wir dieses Ding eliminiere­n können und zum Normalzust­and zurückkehr­en können“, erklärt Gates, der bei diesem Thema inzwischen zum anerkannte­n Fachmann mutiert ist.

Die Welt wird eine andere sein, wenn wir die Krise hinter uns haben, sagt Gates. Er sei optimistis­ch. Denn der Zwang, Neues zu wagen, könne auch in anderen Krisen, wie dem Kampf gegen den Klimawande­l, helfen. Die nächste große Party plane er jedenfalls zum Siebzigste­n.

 ?? Foto: Gian Ehrenzelle­r, dpa ?? Bill Gates war ein knallharte­r Geschäftsm­ann. Jetzt ist er zum Wohltäter mutiert – und wird plötzlich von einigen Menschen regelrecht gehasst.
Foto: Gian Ehrenzelle­r, dpa Bill Gates war ein knallharte­r Geschäftsm­ann. Jetzt ist er zum Wohltäter mutiert – und wird plötzlich von einigen Menschen regelrecht gehasst.

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