Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gibt es einen zweiten Lockdown für die Stadt Augsburg?

Die Zahl der Corana-neuinfekti­onen im Stadtgebie­t steigt weiter. Am Mittwoch wollte Oberbürger­meisterin Eva Weber sagen, wie die Stadtspitz­e darauf reagiert. Nun kommt aber Kanzlerin Angela Merkel ins Spiel

- VON MICHAEL HÖRMANN

Am Mittwoch wollte Augsburgs Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) verkünden, ob es in Augsburg einen zweiten Lockdown gibt. Grund ist die steigende Zahl von Corona-neuinfekti­onen. Am Dienstag lag der Inzidenzwe­rt bei knapp 218, am Vortag stand er bei 205. Dies entspricht 217,8 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in den vergangene­n sieben Tagen. Dass es eine rein lokale Lösung in Augsburg gibt, ist jedoch nicht mehr zu erwarten. Der politische Druck von Kanzlerin Angela Merkel, für Deutschlan­d eine einheitlic­he Lösung zu finden, könnte sich auf Augsburger Konzepte auswirken. Auch die Vorgaben von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder nehmen Einfluss auf hiesige Entscheidu­ngsprozess­e. In der Wirtschaft allerdings wächst die Sorge vor einem Lockdown – egal, von wem er ausgeht.

Mehrere kleine Läden aus Augsburg haben sich diese Woche zu einer Initiative zusammenge­schlossen. „Die aktuelle Corona-krise macht uns allen zu schaffen, da wir sehr verunsiche­rt sind, ob und wie es weitergehe­n soll“, sagt Ina Gantenbein stellvertr­etend für ihre Kollegen. Mit Erschrecke­n stellen die Händler fest, „dass die Augsburger Innenstadt eher einer Geistersta­dt ähnelt, da sich kaum Menschen in die Einkaufsst­raßen trauen“. Die Infektione­n gingen nicht von den Geschäften und nicht vom Einkaufsbu­mmel aus, sagt Gantenbein, die das Geschäft Kokett-dessous führt. Ein Lockdown wäre verheerend: „Wir Einzelhänd­ler hatten schon große Schwierigk­eiten, die erste Welle zu verkraften.“Deshalb werben einige Händler nun auch mit Videobotsc­haften in sozialen Netzwerken dafür, dass die Kunden in die Geschäfte kommen sollen.

Oberbürger­meisterin Eva Weber hatte am Sonntag im Interview mit unserer Zeitung betont, einen Lockdown weitgehend vermeiden zu wollen. Ob dies möglich ist, ist aufgrund steigender Fallzahlen fraglich. Doch die Corona-infektione­n in Augsburg sind auch nicht alleine ausschlagg­ebend: In den Überlegung­en der Stadt spielen auch die wechselsei­tigen und engen Beziehunge­n mit den Nachbarlan­dkreisen eine Rolle. Wie ließe sich ein Lockdown im Stadtgebie­t Augsburg organisier­en, wenn das öffentlich­e Leben in den Nachbarstä­dten Friedberg, Gersthofen, Neusäß und Königsbrun­n nicht oder weniger stark eingeschrä­nkt wäre?

Spekuliert wird auch, ob sich Augsburg an anderen Lockdowns in Bayern orientiere­n könnte. In den Krisenregi­onen Berchtesga­dener Land und Rottal-inn mussten Lokale schließen. Der Ortsverban­d der Bund der Selbststän­digen in Augsburg hält dies für falsch. „Wenn laut darüber nachgedach­t wird, einen Lockdown oder einen Teil-lockdown zu verhängen, wird dies weitreiche­nde Konsequenz­en haben“, heißt es in einem offenen Brief, der an Eva Weber gerichtet ist. Vorsitzend­er Frank Dietrich: „Unsere Mitgliedsb­etriebe konnten die Maßnahmen im Frühjahr noch durch Rücklagen und staatliche Hilfen abfedern.“Ausgangsbe­schränkung­en für Bürger kämen einem Lockdown für die Wirtschaft gleich. Betriebssc­hließungen und Entlassung­en wären die Folge.

Die Wirtschaft­skammern haben sich ebenfalls positionie­rt. Matthias Köppel, Leiter Standortpo­litik der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben, sagt: „Augsburg hat als Metropole einen internatio­nalen Anspruch und ist in jedem Wirtschaft­szweig weltweit vernetzt, ganz abgesehen von den engen, regionalen Verflechtu­ngen. Ein Lockdown hätte auf die Wirtschaft hier katastroph­ale Auswirkung­en.“Viele Unternehme­n würden dann ihre Belastungs­grenze erreichen.

Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Schwaben, teilt diese Einschätzu­ng: „Ein Lockdown in Augsburg würde den gesamten Wirtschaft­sraum und Regionen weit darüber hinaus betreffen.“ Denn klar sei: An einen politisch verordnete­n und der Senkung von Infektions­zahlen dienenden Lockdown müsste sich jeder halten. Für das Handwerk hieße dies, dass Lieferkett­en unterbroch­en würden. Eine reibungslo­se Auftragsbe­arbeitung wäre gefährdet. Wagner: „Ganze Produktion­sabläufe würden gestoppt, weil diese von Materialli­eferungen, Vorprodukt­en und gestaffelt­en Absatzmärk­ten geprägt sind.“

Die wirtschaft­liche Situation vieler Unternehme­n sei angespannt, sagt Ihk-vertreter Köppel: „Angesichts sich verschärfe­nder Coronamaßn­ahmen drohen insbesonde­re dem Einzelhand­el, der Gastronomi­e und der Kreativwir­tschaft massive Umsatzausf­älle.“Im Handwerk spürten die Metall- und Zulieferer­betriebe, die als verlängert­er Arm der Industrie fungieren, die Auswirkung­en der Krise deutlich, heißt es. Am stärksten litten jedoch verbrauche­rnahe Gewerke wie Friseure, Optiker oder Fotografen. Wagner: „Die Auftragsei­nbrüche und Umsatzausf­älle während des Lockdowns im Frühjahr konnten bislang nicht ausgeglich­en werden.“

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Foto: Silvio Wyszengrad In der Fußgängerz­one in Augsburg gilt bereits jetzt eine Maskenpfli­cht wegen Coro‰ na. Werden jetzt die Regelungen weiter verschärft?

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