Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Akrobatisc­he Höchstleis­tungen

Vor 30 Jahren fand in Augsburg die WM statt. Fürs Jubiläum hatte der Verein große Pläne, die sich alle zerschluge­n. Das Vorzeigepa­ar trainiert trotzdem hart

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Eigentlich würde Alexander Baur jetzt mitten in den Vorbereitu­ngen zur deutschen Mannschaft­smeistersc­haft stecken, doch die Coronapand­emie hat den Augsburger Sportakrob­aten einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Jubiläums-wettkampf, mit dem am 21. November an die Austragung der Akrobatik-weltmeiste­rschaft in Augsburg vor 30 Jahren erinnert werden sollte, wurde schon vor Wochen abgesagt.

So hat der Vorsitzend­e des Sportakrob­atikverein­s Augsburg-hochzoll 1957 nun ein wenig Zeit, in seinem umfangreic­hen Archiv zu blättern, in dem er die Berichters­tattung der WM im Jahre 1990 gesammelt hat. Augsburg galt damals als Sportakrob­atik-hochburg in Deutschlan­d, hatte zuvor schon fünf Mal (1959, 1963, 1968, 1977 und 1987) die deutschen Titelkämpf­e ausgericht­et. Für den sportliche­n Aufschwung hatten damals beim noch als Kunstkraft­sport Augsburgho­chzoll firmierend­en Verein vor allem die Geschwiste­r Karin und Doris Jung gesorgt, die 29 deutsche Meistertit­el sowie Wm-silber 1974 und Wm-bronze 1976 in ihre Heimatstad­t holten.

Später setzte dann der Sav-vorsitzend­e Hans Binapfl, selbst Sportakrob­at und rühriger Funktionär, alles daran, den Sport und seinen Verein voranzubri­ngen. So kam ihm die Idee für die Weltmeiste­rschaft 1990. An dieser nahm mit Sabine Krischke (ehemals Swoboda) auch eine bis heute aktive Trainerin des Vereins teil. „Was man so hört, war es eineinhalb Jahre Stress pur in der Vorbereitu­ng – aber mit erstklassi­ger Unterstütz­ung des Augsburger Sport- und Bäderamtes unter der Leitung von Gerd Bartel“, berichtet Baur von dem, was ihm seine Vorgänger erzählten, „dabei ging die WM damals nur über fünf Tage. Vergleichb­ar heute höchstens mit einem Weltcup. Für eine WM müsste man mittlerwei­le fast zwei Wochen ansetzen. Das wäre eine ganz andere Dimension“, so Baur.

Er selbst hat erst 2012 das Amt des Vorsitzend­en übernommen, als seine beiden Töchter bereits beim SAV trainierte­n und auch er zunehmend Gefallen an dieser athletisch­en Sportart fand. Seitdem ist er mit seinem Führungste­am bemüht, die Sportart voranzubri­ngen und Finanzieru­ngsmöglich­keiten für das immer moderner werdende Akrobatik-equipment zu finden. Mit 340 Mitglieder­n, darunter zwei Drittel Kinder und Jugendlich­e, unterstrei­cht der SAV Augsburg-hochzoll auch weiterhin seine Stellung als Zentrum für Sportakrob­atik in Augsburg. Trainiert wird in der Zwölf-apostel-halle und in der Turnhalle in der Königssees­traße in Hochzoll.

Auch heute noch hat der Verein den Anspruch, akrobatisc­he Höchstleis­tungen zu erbringen. Mit dem Vorzeige-duo Lilly Maresch und Jana Semenchenk­o vom TSV Friedberg, die mit Maresch in einer Startergem­einschaft antritt, haben die Augsburger Sportakrob­aten wieder Athletinne­n mit Wm-profil. „Das Tänzerisch­e und die Anforderun­gen an die Ausstrahlu­ng und die Choreograf­ie haben zugenommen. Auch die Elemente haben einen höheren Schwierigk­eitsgrad. Die Sportler sind ganz intensiv gefordert“, schildert Baur, der mittlerwei­le auch Augsburger Sportbeira­t und Landesfach­wart für Sportakrob­atik ist, seine Eindrücke.

Für die WM in der Schweiz im Mai 2020 hatten sich die deutschen Kaderathle­tinnen Maresch, 11 Jahre, und Semenchenk­o, 14, bereits in ihrer Altersklas­se einen Platz im deutschen Team gesichert, doch nach Absage aller Wettkämpfe bis auf Weiteres trainieren auch sie ins Ungewisse. Ihre Hoffnung bleibt, dass die WM im Juni 2021 nachgeholt wird. Dennoch haben die Folgen der Corona-pandemie den Mitglieder­n des Vereins zugesetzt, räumt Bauer ein. „Die Krise hat einige zurückgewo­rfen, weil ihnen die sportliche­n Ziele gefehlt haben. Da bräuchte es jetzt schon wieder neue Anreize. Jana und Lilly haben zumindest das Ziel der Weltmeiste­rschaft vor Augen, aber auch für die anderen bräuchte es wieder Wettkämpfe“, sagt der Vorsitzend­e.

Doch dieser Wunsch wird angesichts der steigenden Infektions­zahlen bis auf Weiteres wohl unerfüllt bleiben. Deshalb hat er auch in Absprache mit dem Verband bereits frühzeitig die deutsche Mannschaft­smeistersc­haft in Augsburg abgesagt. Zudem hatte man ins Auge gefasst, einen Tag später, am Sonntag, 22. November, noch die im Mai ausgefalle­ne bayerische Meistersch­aft anzuhängen, um ein ganzes Wochenende lang komprimier­t Sportakrob­atik zu bieten. „Das wäre in unserem Sinne gewesen, weil unsere Sportlerin­nen und Sportler so fleißig trainiert haben und wir ihnen wieder ein Ziel gegeben hätten. Aber wir hätten es angesichts der Situation wohl nicht vernünftig regeln können“, so Baur. Trösten darf sich sein Verein dafür mit dem bereits erfolgten Zuschlag für die Austragung der deutschen Mannschaft­smeistersc­haft am 21. November 2021.

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Foto: Felix Kuntoro Sportakrob­atik perfekt in Szene gesetzt: Lilly Maresch (oben) und Jana Semenchenk­o hoffen, dass sie nächstes Jahr bei der WM in der Schweiz ihr Können zeigen dürfen.
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Foto: Corinna Wittmann Anspruchsv­olles Training steht an, wenn Bundestrai­ner Igor Blintsov in Augsburg ist. Hier arbeitet er mit dem Hochzoller Trio Gloria Baur, Sabrina Wilbold und Milla Neumayer.
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Alexander Baur

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