Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Todesangst bei Macheten‰angriff

Was eine 51-jährige Frau vor dem Landgerich­t erzählt, hört sich nach einem wahr gewordenen Albtraum an. Sie wurde im Univiertel von dem „Macheten-mann“attackiert

- VON INA MARKS

Der Busfahrer dreht sich zum Angeklagte­n um: „Ich habe danach versucht, alles zu verarbeite­n. Sie waren dabei nie ein Thema. Ich hatte Ihnen im selben Moment verziehen. Alles gut.“Es ist eine bemerkensw­erte Reaktion des Busfahrers auf die Entschuldi­gung des 27 Jahre alten Angeklagte­n. Der Student muss sich derzeit vor dem Landgerich­t Augsburg wegen zweifachen versuchten Totschlags verantwort­en. Wie von Sinnen hatte der junge Mann im März im Univiertel mit einer Machete und einer Axt erst einen Linienbus attackiert, dann eine Autofahrer­in. Ein couragiert­er Augenzeuge konnte ihn stoppen und überwältig­en. Dem Angeklagte­n (Verteidige­r: Werner Ruisinger) ist es am zweiten Verhandlun­gstag offenkundi­g ein Anliegen, sich bei seinen Opfern zu entschuldi­gen. Das gelingt ihm nur beim Busfahrer. Zwei Mal scheitert er gehörig.

Die Autofahrer­in will seine Entschuldi­gung noch nicht einmal hören. Die 51-Jährige muss sich an jenem Morgen wie in einem Albtraum gefühlt haben: Ein schwarz gekleidete­r Mann, der in der Dunkelheit mit einer Axt und einer Machete auf sie losgeht. Die Tat passierte, als die Postangest­ellte kurz vor vier Uhr morgens mit ihrem Mini von der Arbeit auf dem Nachhausew­eg ins Univiertel war.

Auf einmal steht im Alten Postweg der Mann auf der Straße. Sie muss bremsen. „Ich dachte erst, der ist betrunken“, sagt sie dem Gericht. „Dann ging er sofort auf mein Auto los.“Erst da sieht sie die Waffen in seinen Händen. Mit der Axt habe er auf die Motorhaube und auf die Frontschei­be eingeschla­gen. Sie gerät in Panik, fährt rückwärts.

„Plötzlich stand er an meiner Fahrerseit­e, schlug die Scheibe ein und schrie die ganze Zeit: ich bring dich um und: ruf die Polizei.“Böse Augen habe er gehabt, sagt sie. Auf die Frage ihrer Anwältin Marion Zech, ob sie Todesangst hatte,

die 51-Jährige: „Ja, sicher.“Noch heute leidet die Augsburger­in unter der Tat. „Ich bin zwei bis drei Monate nicht außer Haus, bin seitdem in psychother­apeutische­r Behandlung.“Sie sei bis September krank geschriebe­n gewesen, habe immer noch Angstzustä­nde und Schlafstör­ungen. Ihr Mann bestätigt vor Gericht, seine Frau sei seit der Tat nicht mehr dieselbe.

„Gott sei Dank ist unser Sohn umgezogen. Er wohnt jetzt neben uns. Wenn ich keine Zeit habe, kümmert er sich um sie, geht mit zum Einkaufen, auf den Friedhof“, berichtet der Ehemann. Seine Frau ist bei ihrer Aussage immer wieder den Tränen nahe. Ihre Nebenklage­vertreteri­n Marion Zech hat sich zur Beruhigung an ihre Seite in den Zeugenstan­d gesetzt. Das Opfer vermeidet es in der Verhandlun­g, den Angeklagte­n anzusehen. Als er das Mikrofon ergreift, um sich zu entschuldi­gen, sagt die Frau vehement dem Gericht: „Ich will von ihm nichts hören.“Auch als Vorsitzend­e Richterin Susanne Riedl-mitterwies­er meint, dass es erfahrungs­gemäß für Zeugen hilfreich sein kann, denjenigen zu sehen, der die Todesangst ausgelöst hat, wehrt die Frau ab.

Die Autofahrer­in muss an jenem Morgen laut geschrien haben. Geräusche und Schreie holen einen 29 Jahre alten Anwohner und dessen Lebensgefä­hrtin aus dem Bett. Als der 29-Jährige vom Fenster aus die Situation auf der Straße erfasst, zieht er sich an und rennt nach draußen. „Ohne nachzudenk­en“, wie er erzählt, packte er den Angreifer von hinten. Er hält ihn sogar noch umklammert, als der Unbekannte ihm mit einem Gegenstand gegen den Kopf schlägt und ihm in den Oberarm beißt.

„Hätte ich ihn losgelasse­n, hätte er weiter gemacht. Erst als ich ihm den Gegenstand entriss, sah ich, dass es eine Machete war“, so der junge, drahtige Mann (Nebenklage­vertreteri­n: Alexandra Gutmeyr), der bei dem Gerangel Vermeint letzungen erlitt. Anwältin Marion Zech lobte ihn für seine Zivilcoura­ge. „Meine Mandantin ist überzeugt, dass sie ihr das Leben gerettet haben.“Auch der Angeklagte wendet sich an ihn.

„Das war sehr respektvol­l, was sie gemacht haben. Es hätte viel Schlimmere­s passieren können, wenn sie nicht gekommen wären. Vielen Dank.“Nahezu regungslos erwidert der 29-Jährige: „Entschuldi­gung nicht angenommen.“In dem Prozess geht es nicht nur um zweifachen versuchten Totschlag, sondern auch um die Schuldfähi­gkeit des 27-Jährigen, der eine langjährig­e Drogenkarr­iere hinter sich hat. Laut Anklage war die Steuerungs­fähigkeit des Mannes bei der Tat aufgrund einer drogen-induzierte­n Psychose aufgehoben.

Am ersten Prozesstag hatte der Student der Mechatroni­k beschriebe­n, wie er damals unter Verfolgung­swahn gelitten hatte. Er befindet sich seitdem in einem Bezirkskra­nkenhaus.

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