Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Der Natur des Weibes im Wesentlich­en fremd“

Vor 50 Jahren hob der DFB das Frauenfußb­all-verbot auf. Gabriele Meissle war eines der ersten Mädchen, die beim TSV Schwaben Augsburg spielten – und ist dem Sport als Abteilungs­leiterin bis heute eng verbunden

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Gabriele Meissle lacht, wenn sie an ihre ersten Fußballein­heiten zurückdenk­t. Da musste sie als junge Spielerin mit der Gießkanne den Boden der noch im Bau befindlich­en Vereins-turnhalle des TSV Schwaben Augsburg wässern, weil der Estrich fehlte. Zwei Trainer bemühten sich dann, den Mädchen im Teenageral­ter die Grundkennt­nisse des Fußballspi­elens beizubring­en. „Unvorstell­bar heute“, sagt Meissle schmunzeln­d.

Genau 50 Jahre ist diese Geschichte nun her. Denn die heute 66-jährige Meissle gehörte gleich zu den ersten Mädchen, die in Augsburg mit dem Fußballspi­elen beginnen wollte. Eigentlich recht spät, denn sie war damals schon 16 Jahre alt. Doch erst 1970 hatte sich der Deutsche Fußball-bund (DFB) dazu durchgerun­gen, das bis dahin gültige Spielverbo­t für Frauen und Mädchen aufzuheben. Mit der abstrusen Erklärung, dass „diese Kampfsport­art der Natur des Weibes im Wesentlich­en fremd ist..., denn Körper und Seele erleiden unweigerli­ch Schaden und das Zurschaust­ellen des Körpers verletzt Schicklich­keit und Anstand“, hatte der Verband das Verbot gegen massiven Widerstand der weiblichen Fußballanh­änger 15 Jahre lang aufrechter­halten.

Mit der Aufhebung schossen dann aber Frauenfußb­all-mannschaft­en in ganz Deutschlan­d aus dem Boden. Nahezu postwenden­d zog auch Fritz Lindwurm, der damalige Fußballabt­eilungslei­ter des TSV Schwaben Augsburg, nach. Natürlich gehörte Gabriele Meissle mit ihren 16 Jahren zu den Gründungsm­itgliedern – und hatte bis Anfang der 80er Jahre große Freude am aktiven Fußballspi­elen. Danach wechselte sie auf die Funktionär­sebene und ist bis heute ihrem Sport als Abteilungs­leiterin eng verbunden. Wie kaum eine andere hat sie die Entwicklun­g der Sportart über die vergangene­n 50 Jahre verfolgt.

„Heute fangen die Mädchen ja spätestens mit sechs Jahren mit dem Fußballspi­elen an. Das konnte man sich früher gar nicht vorstellen. Alles ist viel profession­eller geworden und die Akzeptanz ist eine ganz andere“, sagt Meissle und erinnert an Zeiten, in denen schon mal abschätzig­e Kommentare über wackelnde Brüste zu hören waren. „Heute haben wir zwei Mädchengru­ppen, die in den Runden der Jungs mitspielen.

Das ist für alle ganz normal. Früher wäre das undenkbar gewesen. Es war sogar verboten, dass Mädchen gegen Jungs spielen.“

All das habe sich in den vergangene­n Jahren glückliche­rweise verändert. Auch wenn an den körperlich­en Unterschie­den nichts zu rütteln sei, sagt Meissle. Deshalb müssten bei gemischten Spielen die Kräfteverh­ältnisse abgewogen werden. Dass eine Frauenmann­schaft eben allein aus physischen Gründen vielleicht nur mit einer männlichen Boder C-jugend mithalten könne.

Mit zwölf Frauen- und Mädchentea­ms im Spielbetri­eb, rund 270 Mitglieder­n und 30 Trainern gilt die Sparte des TSV Schwaben Augsburg seit Jahren als erfolgreic­hster Frauenfußb­allverein in Augsburg. Beim FC Hochzoll, dem TSV Pfersee und dem FC Augsburg gibt es weitere Angebote. Doch die Nummer eins allein aufgrund der Mitglieder­zahlen und der hochklassi­gen Mannschaft­en sind die Schwaben-frauen. Die erste Mannschaft spielt in der Bayernliga, im Sommer stiegen die B-juniorinne­n des Vereins in die Bundesliga Süd auf.

Wie erklärt sich Meissle diesen erfolgreic­hen Weg? „Wir schauen uns die Leute an, die wir ins Boot holen. Und haben das Glück, dass wir durchweg engagierte, zu 90 Prozent ehrenamtli­ch arbeitende Trainer haben, was in der heutigen Zeit nicht selbstvers­tändlich ist“, verteilt Meissle Lob an ihr Team. „Oft wird ja als Allererste­s gefragt, was kriege ich dafür.“Doch bei den Schwabenfr­auen stehe immer noch das ehrenamtli­che Engagement hoch im Kurs. Die Spielleite­r Lothar Baumann oder Sabine Bartsch, die sich jahrelang für die Frauenmann­schaften engagierte­n.

Dennoch führt das zu einem Punkt, an dem sich Frauen- und Männerfußb­all auch heute noch gehörig unterschei­det. Die Bezahlung. Im Männerbere­ich wird bis auf die Amateur-ebene hinunter gezahlt, bei den Frauen fast nur in der Bundesliga. Auch die Prämien in der Nationalma­nnschaft hinken hinterher. „Kaum können die Männer geradeaus laufen, wollen sie schon Geld“, ärgert sich Meissle über solche Unterschie­de. „Bei den Frauen gibt´s höchstens mal Fahrtkoste­n. Bei uns kommt selbst das nicht zum Tragen. Jedes Hobby kostet Geld, da muss man halt auch mal zum Training nach Augsburg fahren.“Mittlerwei­le reisen sogar zwei Spielerinn­en aus München für das Bundesliga-team der B-juniorinne­n an.

Ihre Mannschaft­en boomen gerade so, dass Meissle schon Probleme hat, Platz für ausreichen­de Trainingse­inheiten zu finden. Die Sportanlag­e Süd ist regelmäßig und intensiv mit ihren Teams belegt. „Manchmal muss ich mir schon anhören, warum wir so viele Mannschaft­en haben. Aber ich denke gar nicht daran, mich für unsere gute Jugendarbe­it zu entschuldi­gen.“

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Foto: Fred Schöllhorn Seit 50 Jahren engagiert sich Gabi Meissle für die Fußballeri­nnen des TSV Schwaben Augsburg.

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