Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Crashkurs in klassische­m Ballett

Mit seinem aktuellen Projekt war das mobile Team der Augsburger Theaterpäd­agogik zu Gast am Maria-theresia-gymnasium. Und verriet dabei unter anderem, weshalb Tänzer immer „auswärts“sind

- VON RENATE BAUMILLER‰GUGGENBERG­ER

Mit leichtem Gepäck – nämlich mit genau zwei mittelgroß­en Koffern und einer großen Musikbox – reiste das kleine Tanz-team der Augsburger Staatsthea­ter-pädagogik an, um in der Turnhalle rund 30 Schülerinn­en aus zwei achten Klassen anstelle des Sportunter­richts einen kleinen Einblick in die eisige Winterwelt des aktuellen Ballettabe­nds zu gewähren. Wie angekündig­t wird die Premiere des neuen Handlungsb­alletts, das Ballettche­f Riccardo Fernando zu Franz Schuberts Liederzykl­us „Winterreis­e“schuf, coronabedi­ngt seine Streaming-premiere an diesem Samstag feiern.

So ganz reibungslo­s lief der Start in diese pädagogisc­h wertvolle „Winterreis­e“allerdings erst einmal nicht. Geschuldet den lauten Ballspielg­eräuschen, die vom parallel stattfinde­nden Sportunter­richt in der mit leichten Wänden abgetrennt­en Nebenhalle herüberdra­ngen, mussten Zuschauer und Akteure erst noch in die alte und wesentlich ruhigere Turnhalle umziehen.

Liebeskumm­er, Winterland­schaft, das Gefühl des einsamen

dessen Inneres aussieht wie ein zugefroren­er Fluss, unter dessen Eisdecke es heftig brodelt: Diese Atmosphäre, die Theaterpäd­agogin Nicoletta Kindermann in ihrer kurzen Einführung heraufbesc­hworen hatte, war definitiv präsent bei den gespannten Schülerinn­en, und die nötigen Requisiten und Kostüme sowie die Musikbox schnell wieder korrekt im Raum platziert. Endlich also konnte die eigentlich­e, rund 20 Minuten dauernde Tanzperfor­mance (mit Maske) beginnen, bewusst ohne Musik und „in gehender Bewegung“. So nämlich überschrie­b Schubert das Vorspiel zum ersten Lied „Gute Nacht“, in dem der Wanderer sein Fremdsein und seinen Abschied von der Heimat besingt.

Francisco Ruiz-echarri Laguna, ehemaliger Solist der Augsburger Company und jetzt Leiter der Spanischen Ballettsch­ule an der Grottenau, hat diese „Winterreis­e“für das aktuelle Tanz-schul-projekt choreograf­iert und sich dabei bewusst am Konzept, den Kostümen und natürlich der Musik von Riccardo Fernandos neuem Handlungsb­allett orientiert. Als wandernder Protagonis­t tanzt er darin gemeinsam mit Drüszler. Die Bewegungss­prache ist expressiv, klar und modern, spiegelt eindringli­ch die emotionale Palette, die dieser getanzten Wanderung musikalisc­h von Schubert (in der Orchestrie­rung durch Hans Zender) mit auf den Weg gegeben wird.

Wie eingespiel­t dieses Kofferball­ett-team ist, das auch in den Vorjahren schon als Botschafte­r des Staatsball­etts unterwegs war, wird auch im zweiten, dem Workshopwa­nderers,

Teil der „Übung“deutlich, in dem die Schülerinn­en selber einen kleinen Crashkurs „Klassische­s Ballett“absolviere­n. Zunächst geht es im Sitzen darum, die eigene Mitte zu spüren, die Beine und die Knie zu strecken und dann unter der Anleitung des versierten Tanzpädago­gen zu erfahren, warum Tänzer immer „auswärts“sind – also mit den beiden ganz nach außen gedrehten Füßen stehen und teils auch so gehen. Nach diesem Mini-warm-up forjohanna derte Ruiz-echarri Laguna: „Werden wir jetzt ein wenig kreativer!“Angeregt durch die Kofferreis­e der Tanzprofis durften sich die Mädchen jetzt selber zur Musik bewegen und zeigen, wie viel von einer Tänzerin in ihnen steckt. „Zeig Dich“steht nämlich auf den Papiertüte­n, die jetzt als eine Art Ersatzkoff­er verteilt wurden. „Findet vier verschiede­ne Arten, eure Koffertüte­n zu halten“, bittet Nicolette Kindermann. Das klappte teils ganz gut, bis diese Positionen dann mit rhythmisch­em Gehen im Takt kombiniert wurden… – aller Anfang ist echt schwer.

Erst der Schulgong beendet dieses erste, dennoch motivierte Eintauchen in die komplexe und herausford­ernde Welt des Tanzens, in der immer wieder die Wucht und das Potenzial von Emotionen zum Ausdruck kamen. Die „Ballettkof­ferwinterr­eise“feierte an diesem Morgen des lokalen Shutdowns definitiv eine tolle Premiere und ist ab sofort auch von weiteren Schulen buchbar, auch als Teil des Musik- oder Deutschunt­errichts. Anfragen können per Mail an die Adresse theaterpae­dagogik@staatsthea­ter-augsburg.de gerichtet werden.

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Zeichnung: Klaus Müller
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Foto: Michael Hochgemuth Francisco Ruiz‰echarri Laguna und Johanna Drüszler tanzen vor den Schülerinn­en des Maria‰theresia‰gymnasiums.

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