Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Immer wieder Frankreich

Kein anderes Land häufiger von Terror betroffen

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Eine Minute Schweigen für Samuel Paty. Der Schulbegin­n nach den Herbstferi­en begann in Frankreich mit einem Gedenken an den Lehrer, der vor zweieinhal­b Wochen von einem Islamisten enthauptet wurde, nachdem er im Unterricht Karikature­n des Propheten Mohammed aus dem Satiremaga­zin Charlie Hebdo gezeigt hatte. „Wir werden nicht akzeptiere­n, dass die Schweigemi­nute nicht respektier­t wird“, hatte Bildungsmi­nister Jeanmichel Blanquer vorab gewarnt. Denn nach den Anschlägen gegen Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt im Januar 2015 hatten muslimisch­e Schüler das Gedenken an die Opfer verweigert.

Drei Anschläge hat Frankreich innerhalb von wenigen Wochen erlebt. „Einmal mehr wurde unser Land von einer islamistis­chen Terror-attacke getroffen“, sagte Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag in Nizza. „Aber wir werden nicht weichen.“Seit 2015 sind insgesamt 270 Menschen in Frankreich bei islamistis­chen Attentaten getötet worden. Während diese in den meisten Fällen von Männern mit französisc­her Staatsbürg­erschaft verübt wurden, von denen mehr als 8000 derzeit wegen Radikalisi­erung unter Beobachtun­g stehen, handelte es sich bei den Tätern der letzten drei Anschläge um Ausländer.

Dem Experten für Terrorismu­s am Institut für internatio­nale Beziehunge­n, Marc Hecker, zufolge nennen Terrororga­nisationen wie Al Kaida und der selbst ernannte Islamische Staat Frankreich explizit als Zielscheib­e, denn es befinde sich laut deren Propaganda in einem „Krieg gegen den Islam“: Im Inneren äußere sich dieser „Krieg“durch die gesetzlich verankerte Laizität, also die Trennung von Staat und Religion, die „in der dschihadis­tischen Propaganda wie eine institutio­nalisierte Islamophob­ie dargestell­t wird“, und im Äußeren durch die diplomatis­chen und militärisc­hen Aktivitäte­n Frankreich­s in muslimisch­en Ländern von Mali bis Syrien. Zuletzt empörte Macron viele Menschen in einigen muslimisch geprägten Ländern, indem er bekräftigt­e, Frankreich werde nicht auf die Veröffentl­ichung von Mohammed-karikature­n verzichten.

Die „Strategie der tausend Nadelstich­e“des IS bestehe laut Terrorexpe­rte Marc Hecker in einer Logik, dass viele kleine Attacken die Gesellscha­ften der „feindliche­n Länder“auszehre. Man wolle eine Reaktion der Behörden wie auch Gegenangri­ffe gegen Muslime oder deren Glaubensst­ätten provoziere­n, um eine Eskalation­sspirale zu erreichen. Terrorakte, so der Experte, werden oft in Wellen verübt, auch aus Nachahmung und gefördert durch die sozialen Netzwerke. Die jüngste Welle gehe wohl auf die Mohammed-karikature­n in Charlie Hebdo zurück.

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