Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Richter in ungewohnter Rolle
Statt im Kader gegen Mainz findet sich der Angreifer im U23-team wieder. Wie die Verantwortlichen ihr Handeln begründen
74 Minuten waren gespielt, als Marco Richter zum Freistoß antrat – und traf. Dass der gegnerische Torhüter den Ball durch die Finger rutschen ließ und bei Richters erstem Pflichtspieltor in dieser Saison entscheidend mithalf, dürfte den Angreifer des FC Augsburg in diesem Moment wenig gestört haben. Die Begleitumstände hingegen dürften bei ihm weniger Anklang gefunden haben. Richter erzielte seinen Treffer nicht auf der großen Bühne Bundesliga, er erzielte diesen in der Regionalliga Bayern. Also in der vierten Liga. Im Rosenaustadion. An einem tristen Freitagabend.
Richters Einsatz über 90 Minuten bedeutete, dass er einen Tag später nicht zum Kader des Bundesligaspiels gegen Mainz 05 zählen sollte. Fca-trainer Heiko Herrlich begründete: „Ich wollte ihn in der U23 spielen lassen, damit er mal wieder 90 Minuten Gas gibt. Er hat dort eine ordentliche Leistung gebracht.“Bei der 2:3-Niederlage gegen Wacker Burghausen traf Richter nicht nur zum 2:2, er bereitete auch das zwischenzeitliche 1:1 ideal vor.
Einmal mehr gaben Cheftrainer Herrlich und seine Assistenten anderen Profis den Vorzug. Richters Bilanz nach sechs Spieltagen in der Bundesliga: 24 Einsatzminuten, aufgeteilt in zwei Kurzeinsätze. Eine ernüchternde Statistik, für einen ehemaligen U21-nationalspieler, der in der vergangenen Spielzeit der Stammelf angehörte.
Fca-coach Herrlich begründete Richters Nichtnominierung bislang damit, dass der Spieler zu Saisonbeginn eine Sprunggelenksverletzung auskurieren musste und andere Spieler seine Abwesenheit nutzten, um sich in den Vordergrund zu spielen. Im 3:1-Erfolg gegen Mainz 05 wird sich Herrlich in seiner Einschätzung bestätigt fühlen. In der Offensive überzeugten nicht nur die Torschützen Ruben Vargas und André Hahn, ebenso einen guten Eindruck machten die Einwechselspieler Alfred Finnbogason und Noah Sarenren Bazée. Andererseits hätte ein Richter auf der Ersatzbank gegen Mainz eine wichtige Option sein können. Auf dem Platz steht der Angreifer für instinktives Handeln. Dank seiner technischen Fähigkeiten findet er auf engstem Raum Lösungen und bringt Unerwartetes zustande. Andererseits: Misslingen seine Einzelaktionen, wird ihm dies schnell als Eigensinn ausgelegt.
Herrlich bestückte seine Ersatzbank gegen Mainz in der Offensive mit Finnbogason, Sarenren Bazée und dem nicht eingesetzten Finnen Fredrik Jensen. Ganz allgemein sprach der Trainer zuletzt von einem ausgeprägten Konkurrenzkampf. Trainer mögen das, es garantiert ihnen ein hohes Trainingsniveau und hohe Leistungsbereitschaft. Wer nachlässt, verliert seinen Platz. Fest steht: Bislang überzeugte der FCA auch ohne Richter.
Zehn Punkte und der sechste Tabellenplatz geben Herrlich wenig Anlass, vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC Grundlegendes zu verändern (Samstag, 15.30 Uhr/sky).
Richter wird folglich nichts anderes übrig bleiben, als sich im Training zu empfehlen und die Geschehnisse aus dem Sommer endgültig abzuhaken. Vor drei Wochen hatte er sich nochmals zu seinem geplatzten Transfer im Sommer geäußert und seinen grundsätzlichen Wechselwunsch erneuert.
Im vergangenen Jahr hatte Borussia Mönchengladbach Interesse gezeigt, nun drängte es Richter und seinen Berater zum 1. FC Köln. „Das ist kein Geheimnis, dass ich bereit bin für den nächsten Schritt. Ich hoffe, dass es demnächst damit klappt“, sagte der 22-Jährige am Rande des Testspiels gegen den 1. FC Heidenheim.
Der FC Augsburg reagierte wenig erfreut auf diese Aussage. „Es hat keiner juhu geschrien im Umfeld und in der Kabine“, kommentierte Herrlich. Im Verein herrscht die Meinung vor, er solle weniger über seine Situation klagen, sondern stattdessen im Training überzeugen.
Dass Richter nun in der U23 zum Einsatz kam, wollten aber weder Herrlich noch Sportgeschäftsführer Stefan Reuter als Degradierung verstanden wissen. „Er hatte relativ wenig Spielzeit. Das soll keine Strafe sein. Er sollte mal wieder 90 Minuten spielen und das Stehvermögen bekommen“, betonte Reuter.